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Inhalt

Neil McCauley (Robert de Niro) ist der Boss einer professionell agierenden Gangsterbande, die eigentlich nichts dem Zufall überlässt. Als sie den psychopathischen Waingro (Kevin Gage) für einen großen Coup engagieren, geht dieser gehörig schief und die Bande hinterlässt auf offener Straße ein Blutbad. Das erregt die besondere Aufmerksamkeit des Raubdezernats, insbesondere ihrers Bosses Vincent Hanna (Al Pacino). Der akribische Hanna jagt daraufhin die Bande bis auf´s Äußerste, und schon bald entwickelt sich ein Katz-und-Maus-Spiel unter den Lichtern der Straßen von L.A. ...
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Vielleicht das gedrehte Ding der 90er. Die Konkurrenz ist nicht von schlechten Eltern. Scorsese knallte gleich zwei große Mafia-Epen raus, Paul Thomas Anderson ließ den Riesenpimmel von Dirk Diggler durchs Bild baumeln, Léon war der Profi, Tarantino schuf Sternstunden, es gab nur eine Regel im Fight Club, Danny Boyle sagte Ja und gleichzeitig Nein zu einer riesigen Liste, von den übermächtigen Coens ganz zu schweigen. Das will und muss man gar nicht gegeneinander in ein Ranking stellen, aber wenn…weit vorne.

Niemals, niemals wieder erreichte Michael Mann (Manhunter) diesen Level, sein Opus Magnum, wobei er lange auf hohem Niveau agierte. Heat – das Remake seines eigenen TV-Films L.A. Takedown -  ist der Hexenkessel Los Angeles in seiner massivsten Form, von kühl bis explosiv, jede Nuance ist vorhanden und bis ins Extrem ausgereizt. Welten prallen aufeinander, die eher Paralleluniversen sind. Die zwei Seiten der Medaille verschmelzen zu einer Münze, deren Wurf dennoch ein klares Ergebnis fordert. Kopf oder Zahl, Patt unmöglich. Der Jäger und der Gejagte, auf dem Papier. Wer jagt hier wen, jagen sie sich überhaupt gegenseitig oder doch nur sich selbst und sind sie sich bewusst, dass sie nur ihr Gegenüber theoretisch fangen können, aber nie sich und ihren Frieden? Die Hatz wird immer weiter gehen, bis zum letzten Atemzug. Dafür sind sie geboren, dafür sind sie bereit zu sterben und wenn sie den Sieg erreicht haben lauert da draußen nur die nächste Herausforderung, an der sie unweigerlich irgendwann scheitern werden oder sich selbst zugrunde richten. Raubtiere fressen Beutetiere, doch was wenn zwei Raubtiere sich plötzlich ein Revier teilen müssen? Einer muss zur Beute werden, auf dem Niveau nicht möglich. Dabei zerfleischen sie sich eh schon selbst, bieten gleichzeitig dem Angreifer keinen wunden Punkt. Bis kurz vor Schluss, und das wird der eine, der fatale Fehler sein, wenn der Mensch kurz die Maschine dominiert.

Sie leben nicht, sie funktionieren. Ausgerichtet auf ihre Bestimmung, mit allen Konsequenzen. Neil McCauly (Robert De Niro, „Häng dich an nichts, was du nicht nach 30 Sekunden wieder vergessen kannst, wenn dir der Boden zu heiß wird“) und Frank Hanna (Al Pacino, „Du lebst nicht mit mir. Du lebst mit deinen Toten und all den Mördern“), die ihr Privatleben schon lange vorher aufgegeben haben. Vielleicht nicht einmal freiwillig, absichtlich, es ist einfach passiert und aus der Spirale werden sie sich nie wieder befreien können. McCauly könnte alles haben, lebt stattdessen immer auf Abruf, in einem nicht möblierten Luxusapartment, das er tatsächlich nach 30 Sekunden problemlos verlassen könnte, packen müsste er nicht. Hanna hat theoretisch alles, schon zum dritten Mal, denn Familie ist bei ihm ein gewolltes, aber nicht integriertes Anhängsel, das ihm immer wieder aus den Händen gleitet, ganz natürlich, verständlich, trotzdem kann er daran nichts ändern. Sie sind Gefangene. Absolute Profis, deren Wege sich nur kreuzen, weil sich in die eine akribische Arbeit das Minimum der Unberechenbarkeit eingeschlichen hat, das den anderen auf den Plan ruft. Schicksal, denn sie mussten in ihrem Gegenüber irgendwann sich selbst begegnen. Die Folgen sind unvermeidlich, der Weg bis dahin lang und von einem Perfektionismus geprägt, das dem seiner Figuren gerecht wird. Details – und die sind zahlreich – sind nicht banal, sie sind Bausteine zum großen Gesamtbild. Selbst wenn (sogar ausführlich) behandelte Einzelschicksale das Ganze nur marginal verändern würden, sie tragen alle einen Wert, besitzen Substanz und ihre Zugehörigkeit. Ohne sie wäre das sicher auch wahnsinnig super, mit ihnen ist das perfekt. Destruktive Charaktere prallen nicht nur aufeinander, wie es in ihren Genen liegt, verzehren sie sich ohnehin schon selbst und schleichend, nun beginnt das große Fressen auf Wettbewerbsbedingungen.

Ein irrsinnig brillantes Epos, in dem Michael Mann alles auffährt. Das Skript wurde über Jahre entwickelt und immer wieder bearbeitet, das Endergebnis ist kaum zu übertreffen. Heat ist ein urbaner Sprengsatz, dessen Detonation nicht am Stück, sondern schleichend aufgebaut und durch partielle Entladungen daherkommt, die locker für sich einen einzelnen Film stemmen könnten. Der Auftakt ist schon eine Nummer, der Bankraub im Herzen der Stadt und des Plots der pure Wahnsinn. So einen knallenden, massiven Kugelhagel – ohne völlig absurde Explosionen oder andere Just-Another-Action-Movie-Momente – hat man selten erlebt. Mann entfesselt in den ausgewählten Situationen eine Dynamik, eine Druckwelle, die ihres Gleichen sucht. Doch auch dazwischen brodelt es, konstant und jederzeit mit dem Streichholz am Pulverfass. Die große Kunst von Heat ist es, sich diese Stimmung über 2 ½ Stunden zu bewahren, nicht in reaktionären Mechanismen zu verfallen, sondern sehr bewusst auf deutliche Höhepunkte zuzuarbeiten, gleichzeitig aber „stille“ Highlights zu setzen, die die brachiale Wirkung der anderen noch locker überbieten

Einer der bedeutendsten Szenen ist natürlich das Zusammentreffen der Ikonen, auf das man gut 25 Jahre warten musste. Robert De Niro und Al Pacino begannen ihre Filmkarrieren Ende der 60er, schafften ihren Durchbruch Anfang der 70er, beide sogar sehr schnell mit prägenden Rollen in einem Film: Der Pate 2. Ihnen war aber nicht eine gemeinsame Szene gegönnt, den unterschiedlichen Zeitebenen geschuldet. Es sollte 21 Jahre (und 1 ½ Stunden) dauern, bis sie sich endlich Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen durften. Nur für wenige Minuten, aber allein wie das eingeläutet wird. Nachdem sich die Alphamännchen schon aus dem Dunkel beschnuppert haben, kommt es zur legendären Tafelrunde, die die meisten Showdowns in die Tasche steckt. Zu einem treibenden Score verfolgt Pacino sein Alter Ego durch den nächtlichen Großstadtjungel, stellt ihn relativ unspektakulär und lädt auf einen Kaffee ein. Hier werden sich alle ungeschönten Tatsachen direkt ins Gesicht gesagt und anstatt sich selbst auf erschreckende Art gespiegelt zu sehen, vertreten sie nur ihre unerschütterlichen Standpunkte, jedoch mit Respekt vor dem Schaffen des Gegenüber vorgetragen.

– „Wenn ich mich entscheiden muss zwischen Ihnen und irgend so einer armen Sau, dessen Frau Sie zur Witwe machen wollen…Bruder, dann hast du keine Chance!“

 – „…denn egal was passiert, Du stellst dich mir nicht in den Weg!“

Und so verharren sie in ihren Drohgebärden, gehen auf menschlicher Ebene durchaus aufeinander zu, aber sobald das Geschäft auf den Tisch kommt, sind sie sich einig: Du oder ich, koste es was es wolle. Das Interessante daran, das die Karten trotzdem leicht neu gemischt werden. Einer hat schon lange alles für sich als Kredo beschlossen, hadert im letzten Moment kurz damit. Der Andere konnte oder wollte sich seine destruktive, aufzehrende Passion nie direkt eingestehen, zieht sie unabhängig davon konsequent durch und am Ende entscheiden dennoch nur Fragmente. Bei der Konfrontation zweier Idealisten kommt es auf die kleinsten Abweichungen an, die werden das Urteil fällen. Erlösung und Befriedigung liegen nah beieinander, nur am Ende ist wohl keiner richtig glücklich. Denn dann ist es vorbei. Was nun? Einer hat es geschafft, der andere nicht. Aber was hat er damit gewonnen? Nur eine Etappe, nicht das Ziel, das ist eh nur noch eine weit entfernte Utopie. Realistisch waren beide schon lange angekommen, sie konnten es nur nicht genießen. Und werden es niemals können. Sie hinterlassen nur verbrannte Erde um sich herum.  Einen Dunstkreis der Zerstörung, obwohl sie beide sozial kompetent sein können, nur nicht auf sich selbst gemünzt und für die, die sie vorgeben zu lieben...und es "leider" wahrscheinlich sogar tun. Traurig für alle Seiten.


Fazit

Ein Tsunami von einem Film, der einen in seiner Komplexität, Wucht und emotionalen Dichte radikal überrollt, vernichtet und zerstört wie gleichzeitig unendlich befriedigt zurücklässt. Bis zur nächsten Sichtung…und wieder, und wieder. Ein Hamsterrad, wie für seine Figuren, denn wir werden daran nicht zerbrechen. Sie schon…

Kritik: Jacko Kunze

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