„Dogman“ nennt sich der Hundesalon des opportunistischen Protagonisten Marcello (Marcello Fonte) , ein Name, der nicht nur Titel gebend ist, sondern in vielerlei Hinsicht auf den Hauptcharakter zutrifft, der wohl einen deutlich besseren Draht zu Hunden als zu Menschen hat. Das ist vor allem interessant, wenn wir versuchen, uns zu vergegenwärtigen, wofür der Hund als Tier steht. Hunde stehen für Treue, für bedingungslose Loyalität. Auf der anderen Seite wird das Tier oftmals für Beleidigungen und negativen Assoziationen missbraucht. Ausdrücke wie „dumm wie ein Hund“, „wie ein Hund hinter hertrotten“ und „hundselend“ sollten uns allen ein Begriff sein. Marcello, dessen Art sich zu bewegen, zu beobachten und fassungslos die Umgebung mit Blicken abzutasten, schon etwas Hunde ähnliches hat, wird oftmals in Nahaufnahmen untersucht.
Und tatsächlich haben er und seine Art viele Ähnlichkeiten zu einem Hund: Auch er ist einfühlsam seinen kleinen „Gästen“ gegenüber, ist treu, riskiert sogar eine Gefängnisstrafe im Laufe des Filmes und auch er wirkt oftmals hilflos, hinterher trottend und ahnungslos. An vielen Stellen des Filmes, besonders in der zweiten Hälfte, vernimmt man seine Einsamkeit, sein Gefühl, nicht in diese Welt zu gehören, in der er lebt. Marcello wohnt in einer heruntergekommenen Küstenstadt Italiens, die wohl mal eine Touristenhochburg gewesen sein muss, heute jedoch nicht einmal für die Anwohner noch attraktiv erscheint. In wirkungsvollen Panoramaaufnahmen wird uns die Stadt als verwüsteter Ort vorgestellt, der vor Elend nur so schreit, aus dem sich niemand befreien kann. So spielen auch nur wenige Szenen außerhalb der Stadt, die im Endeffekt auch dazu dienen, die italienische Gesellschaft zu untersuchen und damit wieder auf ein Miteinander in der Stadt zurückzuführen.
Bei Dogman handelt es sich um eine filmische Parabel auf die aktuelle politische Situation Italiens, in der die Wirtschaftskrise zunehmend zur Bedrohung mittelständiger Familien wird, junge Menschen in die Armut treibt und ein Aufkommen des Populismus begünstigt. So konnten Mitte dieses Jahres die rechtsextreme Lega und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung eine Regierungskoalition bilden. Vor allem treibt Verzweiflung auch in die Gewalt, die hier durch den strohdummen, aber starken Simoncino (Edoardo Pesce, Fortunata) verkörpert wird. Es gelingt Marcello nicht, sich von diesem Mann abzuwenden, stattdessen umgibt ihn ein Sog, der ihn trotz aller Ungerechtigkeiten immer wieder zur Gewalt zurückzuführt. Marcellos Transformation zum Gewalttätigen findet ihren Höhepunkt in einer Ungerechtigkeit, die ihm jegliche (Re-)Sozialisierung entgültig verwehrt und ihn in vollkommene Einsamkeit und Armseligkeit führt.
In einem Moment des Filmes, in dem Marcello eigentlich eine Art Rache oder Genugtuung erfahren und der Zuschauer ein Gefühl der Auflösung und Befreiung empfinden sollte, bleibt jedoch gerade diese aus. Durch die durchbrechende Menschlichkeit, das Reflexionsvermögen, über das Marcello verfügt, wird erst deutlich, wie betäubend diese Situation sein muss, dass ein einigermaßen tugendhafter und einfacher Mann auf solche Wege geriet. Es offenbart sich, wo Regisseur Matteo Garrone (Das Märchen aller Märchen)mit seinem Film eigentlich hin möchte. Er möchte eine Entwicklung hin zu einem politisch verursachten Werteverlust, zu einer absoluten Verrohung des Menschen, beispielhaft an Marcello skizzieren. Das gelingt ihm auf raue, einnehmende und intensive Art und Weise.