Inhalt
Als 2009 das Videospiel-Entwicklungsstudio BioWare mit „Dragon Age: Origins“ eine neue Rollenspiel-Serie erschuf, horchte die gesamte Welt der Zocker auf. Zwar passiert das immer wenn ein neues BioWare-Qualitätsprodukt erscheint, aber diesmal war es besonders „besonders“. Mit „Dragon Age“ packten die Autoren hinter dem Fantasy-RPG nicht nur die Handlung rund um die Dunkle Brut, die Grauen Wächter und den Erzdämon in ganze 56.000 Dialogzeilen, sondern entwarfen dazu eine eigene Geographie, Mythologie und Historie. Ein neues Universum war geboren. Eine fiktionale Realität, die bisher in zwei Spielen (mit eigenem Lexikon), vielen Zusatzinhalten, einer eigenen Romanreihe und in einer Webserie („Dragon Age: Redemption“ mit Felicia Day) weiter ausgebaut worden ist. Wie auch bei anderen fiktiven Welten (Das Lied von Eis und Feuer, Mittelerde, Scheibenwelt, Star Wars, etc) birgt auch die Welt Thedas aus „Dragon Age“ enormes Potenzial. Die Übertragung auf andere Medien, wie Film und Literatur ist da nur naheliegend, da man somit den großen Vorteil eines fiktiven Universums nutzen kann: Die Unendlichkeit. Wie in der realen Welt können zu jeder Zeit an jedem Ort, Dinge passieren, die erzählt, gezeigt oder gespielt werden können und machen die fiktive Realität somit zu einer fast unerschöpfbaren Quelle erzählenswerter Geschichten. Im Gegensatz zur realen Welt, sind diese Ereignisse in einer fiktiven Welt natürlich dem Hirn des Autors entsprungen und somit nicht zwingend „belanglos“, wie ein Großteil der Ereignisse in der realen Welt.
Kritik
Vom japanischen Anime-Studio T.O. Entertainment stammt eine weitere Geschichte aus dem Dragon-Age-Universum. „Dragon Age: Dawn of the Seeker“ erzählt dabei die Geschichte von Cassandra Pentaghast (im japanischen Original gesprochen von Chiaki Kuriyama), die später auch in Dragon Age 2″ auftritt, den Zwergen Varric verhöhrt und somit die eigentliche Rahmenhandlung und Gegenwart des Spiels bildet, da man nur Varrics Erzählungen und Flashbacks wirklich spielt. Cassandra Pentaghast ist eine Sucherin der Kirche und ist somit direkt der Göttlichen, dem absoluten Oberhaupt der Kirche (eine Dragon-Age-Päpstin), unterstellt. In Dragon Age bildet der Geist eines Magiers, deren magische Fähigkeiten angeboren sind, eine Pforte ins Reich der Schatten. In die Welt der Dämonen. In die Hölle – das sogenannte Nichts. Daher werden die Magier in Dragon Age immer mit einer gewissen Argwohn und als Gefahr betrachtet, obgleich sie von der Kirche durch die Templer kontrolliert werden. Die Templer sind indes ein Ritterorden, die sich der Vernichtung aller Dämonen, Schatten und Blutmagiern verschrieben haben. Dementsprechend oft haben sie es mit den Magiern zu tun. Zur Zeit der Geschehenisse in „Dawn of the Seeker“ (oder auch „Dragon Age 2“) erreicht die Kontrolle der Templer über die Magier Grade der Unterdrückung und der Gewaltherrschaft, was in Dragon Age 2″ in einer großen Rebellion gipfelt.
In „Dawn of the Seeker“ ist Cassandra Pentaghast mit ihrer Einheit auf der Suche nach einer Gruppe Blutmagiern, die ein besonderes magie-begabtes Kind aus dem Zirkel der Magi, der Magier-Akademie, entführt haben. Nachdem sie von der Jägerin zur Gejagten wird stellt sich ihr eigener Orden gegen sie, wodurch sie einer Verschwörung gegen die Kirche auf die Spur kommt.
T.O. Entertainment verwendet bei „Dragon Age: Dawn of the Seeker“ den sehr ungewöhnlichen Artstyle eines CG-Animes. Den Merkmalen eines Animes, wie etwa den überproportional-großen Augen, der einfarbigen Haut, etc bleibt der Film treu, sodass die Texturen beinahe schon detailarm wirken. Die Hintergründe hingegen strotzen nur so von hochauflösenden Texturen, wodurch sie oft wie unbewegliche Ölgemälde wirken, in die die Figuren „hineinanimiert“ wurden. Dragon-Age-typisch ist auch hier der Blutverbrauch absurd hoch, was aber sehr schön mit der extrem reinen Figurendarstellung kontrastiert. Die Animationen sind angenehm geschmeidig, obwohl sie im Vergleich zu anderen Animationsfilmen (z.B. von Pixar) etwas hakelig wirken, was wiederum eine Brücke zum Anime schlägt.
Leider versagt „Dawn of the Seeker“ aber schon bei seiner eigentlichen Existenzberechtigung – dem Status der Videospielverfilmung. Zwar ist die Geschichte rund um Cassandra Pentaghast in der Welt von Dragon Age angesiedelt, man besucht aber weder Orte, die man von den Spielen kennt, noch trifft man auf bekannte Charaktere. Daher fällt es dem Kenner der Vorlage schwer, eine Verknüpfung zwischen dem Film und dem Videospiel herzustellen. Noch nicht einmal große Signalwörter, wie GRAUER WÄCHTER; DUNKLE BRUT; FERELDEN werden benutzt, um einen Brückenschlag herzustellen. Ebenso sehen viele Rüstungen, Waffen und Kleidungen nicht so aus, wie man es aus der Vorlage gewohnt ist. Wieso tauchen plötzlich Pferde auf, die es in Dragon Age noch nie gegeben hatte? Wie konnte man gleich einen ganzen Haufen Drachen fangen, während Drachen in der Vorlage noch eine extreme Rarität waren? Durch all diese Änderungen fühlt sich „Dawn of the Seeker“ nicht wirklich wie ein Dragon Age an, sondern eher wie ein Animationsfilm, das diesen Markennamen trägt.
Ganz objektiv betrachtet, offenbart auch die Handlung zwar nicht viele Schwachstellen, ist aber auch nun wirklich kein Meisterwerk, sondern wandelt auf den langweiligen Pfaden der Konvention. Hier ein Twist, da ein Betrüger, dort ein Flashback, das den Charakter näher bringt, samt romantischer Szene in einer Höhle und einen Tropfen Klischee. Ebenso sind die Charaktere und die Figurenzeichnung nicht wirklich auf typischem BioWare-Niveau, die normalerweise die Crème de la Crème unter den Videospielen ist. Und auch die Dialoge sind nichts Weiteres als purer Durchschnitt und bieten weder Sarkasmus, Witz, Zynismus noch sonst irgendwelche Höhepunkte. Es ist deutlich zu erkennen, dass hier nicht die Autoren des Hauptspiels an der Arbeit waren.
Fazit
"Dawn of the Seeker" bleibt gegenüber dem kongenialen "Dragon Age: Origins" von der Story, den Charakteren und den Dialogen mächtig auf der Strecke und schafft es auch sonst nie, eine Verbindung zum äußerst detailreichen "Dragon-Age"-Universum herzustellen. Aber ich bin eben als großer Fanboy ein wenig im Nachteil. Da den ganzen Film über ich die Marke "Dragon Age" im Hinterkopf hatte, ist es für mich schwierig so einen Film rein objektiv zu bewerten. Aber selbst wenn man die Vergleiche mit dem Franchise nicht betrachtet, ist "Dawn of the Seeker" ein sehr durchschnittlicher Animationsfilm. Die Handlung ist zu keinem Zeitpunkt wirklich packend, geschweige denn spannend, aber auch nicht so richtig langweilig. So ein Mittelding. Nur der visuelle Stil weiß durch sein fast schon exositisches Aussehen teilweise zu beeindrucken. Da T.O. Entertainment auch den kommenden "Mass-Effect"-Anime macht, kann man nur hoffen, dass dieser wenigstens etwas Besonderes wird.
Autor: Kadir Güngör