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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Das Leben des durchschnittlichen Familienvaters Paul Matthews wird auf den Kopf gestellt, als er beginnt, in den Tröumen Millionen fremder Menschen aufzutauchen. Als seine nächtlichen Auftritte eine alptraumhafte Wendung nehmen, ist Paul gezwungen, sich mit seinem neu entdeckten Starruhm auseinanderzusetzen.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

In Zhang Lüs weitgehend übergangenen The Shadowless Tower setzt der Film mit einem kurzen Dialog zwischen dem Protagonisten und seiner jungen Tochter ein. Unverblümt fragt ihn diese: „Bist du ein schlechter Mensch?“, woraufhin dieser ihr entgegnet: „Warum?“ Seine  Tochter, keine Zehn Jahre alt, antwortet:  „In meinem Traum, letzte Nacht, hast du mich geschlagen“. Der Vater erinnert sie: „Habe ich so etwas jemals getan?“ „Nein“, gesteht die Tochter zunächst ein, fügt dann aber hinzu: „Aber es hat dennoch wehgetan“.

Es ist ein Wortwechsel, der zunächst unscheinbar anmuten mag. Dem wir womöglich einer kindlichen Kategorienverwechslung zuschreiben, was es uns erlaubt, den Implikationen aus dem Weg zu gehen, die eine solche Extrapolation von der Traumwelt in die Realität nahelegt. Es nimmt wenig Wunder, dass Lüs Protagonist seiner Tochter nichts auf ihre Anklage zu erwidern weiß. Sein Schweigen bringt die gesamte Hilflosigkeit zum Ausdruck, die ihn in dieser Situation zwangsläufig überkommen muss.

Kristoffer Borglis nimmt sich in Dream Scenario eines ganz ähnlichen Dilemmas an und versucht es auf dessen komödiantisches Potenzial abzuklopfen. An der Grenze zwischen Witz und Schrecken positioniert Borgli folglich auch die Eingangsszene, die durchaus Ähnlichkeit zu s Shadowless Tower aufweist. Dort sehen wir eine Jugendliche am heimischen Gartenpool sitzen, als plötzlich Gegenstände mit größter Wucht auf sie niederprasseln und sie totzuschlagen drohen. Unweit von ihr steht ihr Vater – gespielt von Nicolas Cage (Adaptation, Leaving Las Vegas) – der weder Anstalten macht, seine Tochter in Sicherheit zu bringen, noch sich auch nur im geringsten vom tödlichen Abwurf aus der Ruhe bringen lässt. Der einfach nur dasteht und sie in seiner berüchtigten Cageyness anstarrt.

Am nächsten Morgen sehen sich Tochter und Vater am Frühstückstisch wieder, wo sie der Familie ihren Albtraum zum Besten gibt. Die Quintessenz verfängt schnell: „You didn’t do anything.“ Und tatsächlich – Borgli ist hier allzu deutlich – nimmt es wenig Fantasie, nachzuvollziehen, wie der Tochter dieser Traum gekommen sein mag. Ihr Vater, Paul Matthews, ist Biologie-Professor auf Tenure an einem vorstädtischen Liberal Arts College. Sein Leben ist vornehmlich durch Harmlosigkeit und Phlegma gekennzeichnet. Wenig später, als er zum Lunch eine ehemalige Forschungskollegin trifft, die ihm von ihrem Buchprojekt erzählt, brüskiert er sich lautstark darüber, sie habe seine Ideen gestohlen. Diese seine Ideen allerdings, von denen er spricht, befinden sich seit vielen Jahren auf denkbar lose Weise in seinem Kopf, ohne dass er sich jemals darum bemüht hätte, sie zu Papier zu bringen und einen Buch-Deal an Land zu ziehen.

Wie bereits in Sick of Myself, der Film, der Kristoffer Borgli durch seine Cannes-Premiere 2022 bei vielen Leuten auf den Plan brachte (u.a. bei Ari Aster (Midsommar, Beau Is Afraid), dessen Produktionsstudio Square Peg an Dream Scenario beteiligt war und gleichsam eng mit A24 verbandelt ist), erweist sich der Norweger insbesondere in diesen Eingangsszenen seines dritten Spielfilmes als präziser Beobachter unseres Alltagsschauspiels, dessen wir uns oft nicht gewahr werden. Cages Matthews ist ein Akademiker, der es sich in seiner unkündbaren Anstellung gemütlich gemacht hat, insgeheim aber davon überzeugt ist, zu Größerem befähigt zu sein. Wäre da nur nicht das System, das sein Genie all die Jahre verkannt habe.

Die Performanz, die Matthews‘ Gehabe innewohnt, wird von Borgli auf durchaus clevere Weise dadurch unterstrichen, dass wir Teile des Mittagessens mit der ehemaligen Forschungskollegin erst in der Retrospektive zu sehen bekommen und realisieren, dass Matthews den scheinbar freundschaftlichen Austausch beim Mittagessen insgeheim mit dem Handymikrofon aufnimmt, um die ehemalige Kollegin des geistigen Diebstahls zu überführen. Während wir also visuell zum Restauranttisch zurückspringen, hören wir Matthews anklagende Stimme durch die rauschenden Handylautsprecher, ehe wir ins Auto wechseln, wo er seine Aufnahme in der Folge abspielt und mit dem Scheitern seines Planes konfrontiert wird.

Nachdem Matthews auf diese Weise als Mann mit dem Kopf in den Wolken etabliert ist, widmet sich Borgli nun der grundlegenden Prämisse seines Filmes: Nicolas Cage, der in den Träumen anderer Menschen auftaucht  zuerst in dem seiner Tochter, dann in jenem einer früheren Freundin, bald schon in den nächtlichen Visionen nahezu des gesamten College-Campus‘. Vom Albtraum der Tochter bahnt sich Matthews auf unverhoffte Weise seinen Weg ins gesellschaftliche Unbewusste der Vereinigten Staaten und löst somit ungewollt eine Traum-Epidemie aus. Allzu bereitwillig die positiven Begleiterscheinungen seiner plötzlichen Prominenz annehmend, sehen wir ihn bald unbeholfen ein Fernsehinterview geben und seine sonst leeren Vorlesungen zum Bersten gefüllt — voller Studierender, die den Mann sehen wollen, der ihnen Nacht um Nacht als schweigendes Enigma erscheint.

Es ist zweifellos erfrischend, dass Borgli im Folgenden seinem Protagonisten nicht die Intelligenz abspricht und ihm trotz seines ausgeprägten Begehrens nach Aufmerksamkeit genügend Handlungsfähigkeit und Integrität zugesteht, sich der, obgleich lukrativen, Angebote aus der Werbebranche zu erwehren. So offeriert ihm bald schon ein glänzend aufgelegter Michael Cera (Superbad, The Adults) als abgeklärter Marketing-Manager einen Werbedeal mit Sprite. Denn wenn die Leute Matthews als den Mann mit der Sprite identifizierten, wäre es nur eine Frage der Zeit, bis die wohl bekannteste Limonadenmarke der Welt in die Träume von Millionen von Menschen vordringen würde. Statt diesen dystopischen Verlockungen des kapitalistischen Realismus‘ zu erliegen, insistiert Matthews, dass er seine unverhoffte Prominenz allem voran dazu nutzen wolle, einen Buch-Deal zu erhaschen.

Zweifellos handelt es sich bei diesen Geschäftsverhandlungen um eine Schlüsselszene von Dream Scenario, deren inspirative Höhen Borgli in der Folge nur selten erreicht. Denn während Borglis Konzept besonders dann auf fruchtbaren Boden stößt, wenn wir mit dem invasiven Gewaltpotenzial konfrontiert werden, das Matthews‘ unwissentlichen Besuchen in den Köpfen anderer innewohnt, so verliert sein dramaturgischer Ark — eine komödiantische Ausgangslage, die bald schon in ein Albtraumszenario umschlägt – zunehmend an Raffinement; verirrt sich gar in abstruser und denkfauler Cancel-Culture-Kritik, deren allegorischer Wert sich in müden Pointen erschöpft. Wie bereits in Sick of Myself zeigt sich Borgli letztlich nicht an der inneren Welt seines Protagonisten interessiert, sondern findet ungezügelten Gefallen an einer zahnlosen Satire, die das kontraintuitive Denken scheut und es uns in ihrer entschiedenen Positionierung verunmöglicht, einen eigenen Standpunkt zu entwickeln.

Fazit

Offenkundig mit beträchtlichem Talent ausgestattet, gelingt es Kristoffer Borgli nur in Ansätzen, die Prämisse seines Traumszenarios in Spielfilmlänge zu überführen. Schickt sich Dream Szenario zunächst auf durchaus radikale Weise an, zu untersuchen, wie unsere Träume Realität konstruieren, so richtet es sich Borgli mit zunehmender Laufzeit allzu gemütlich in seiner satirischen Liberalismus-Kritik ein, die die eingangs in Aussicht gestellte Komplexität der reißerischen Pointe opfert.

Kritik: Patrick Fey

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