Mit dem Tag ihres Einzugs in eine neue Kleinstadt versucht die Familie Feral so gewöhnlich wie möglich auszusehen. Doch der älteste Sohn Philémon, der immer im Schatten bleibt und den niemand essen sieht, kann seine wahre Natur immer schwerer zurückhalten.
Kritik
Von den vier Vampiren verschiedenster Filmform, die dieses Jahr in Venedig umgehen, ist Céline Rouzets nostalgischer Nachtwandler der wohl traurigste. Der angeborene Blutdurst des 16-jährigen Protagonisten (talentiert: Mathias Legout Hammond) erscheint in der düsteren Melange aus Coming-of-Age-Story, Horrorfilm und psychologischer Parabel als monströse Malaise, die Philémon sozial isoliert, ein normales Leben verwehrt und seiner Familie alles abverlangt. Nach dem Umzug in eine neue Umgebung weckt der Kontakt mit Gleichaltrigen in dem verschlossenen Jugendlichen unstillbaren Durst.
Die metaphorische Ebene der atmosphärischen Inszenierung, deren grobkörnige Kamera, Handlungsära und gespenstischer Soundtrack die Jugenddramen und Horrorklassiker der späten 80er heraufbeschwören, rührt indes an tiefergehende, vielschichtigere Aspekte als das bekannte Gleichnis der Pubertät als gruseliger Verwandlung. Wenn Philémon sich von Transfusionen seitens seiner liebevollen Mutter (Élodie Bouchez, All eure Gesichter) stärkt, blutet er seine Eltern buchstäblich aus. Seine depressive Stimmung und Autoaggression entspringt Schuldgefühlen, dass er ihnen und seiner kleinen Schwester Lucy (Laly Mercier) ein normales Leben verunmöglicht.
Die Ablehnung der örtlichen Jugend-Clique, die sein ungewöhnliches Verhalten verhöhnt, zieht eine unterschwellige Parallele zu ableistischer Diskriminierung. Das romantische Interesse der Nachbartochter Camila (Céleste Brunnquell) verstärkt sein Bewusstsein für seine Abhängigkeit und Ausgrenzung in einer Gemeinde, die Arme und Menschen mit Handicap wie Aussätzige behandelt. Mit der überzeugenden Ausarbeitung der originellen Aspekte kämpft die Regisseurin und Co-Drehbuchautorin allerdings ähnlich wie ihr stiller Hauptcharakter. Dessen so vielversprechend begonnene Geschichte endet abrupt in einem irritierend konträren Moralismus.
Fazit
Oszillierend zwischen Jugenddrama und Horror-Romanze visualisiert Céline Rouzets vielversprechendes Kinodebüt das Konzept chronischer Krankheit als sozialer Metapher. Der Horror lauert hinter der heuchlerischen Harmonie einer von Ekel, Ignoranz und Paranoia gelenkten Gemeinschaft. Ein unheilvoller Score und ominöse Kamerabilder verleihen den Kleinstadtkulissen eine Aura latenter Bedrohung im Stil der referenzierten Genreklassiker. Dass die kreativen und kritischen Ambitionen des stimmigen Coming-of-Age-Grusels in eine Konzession traditioneller Wertschemata ausblutet, ist gerade aufgrund des reichen Potenzials der schwermütigen Story frustrierend.
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