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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Jörg Buttgereit, Michal Kosakowski und Andreas Marschall zeichnen in drei Geschichten ein Schreckensbild deutscher Urängste:

Ein junges Mädchen und ihr Meerschweinchen hausen scheinbar verlassen in einem Plattenbau. Doch im Schlafzimmer verbirgt sich etwas…

Ein gehörloses Pärchen wird von Neonazis attackiert und holt mit Hilfe eines mystischen Talismans zum Gegenschlag aus…

Ein Fotograf wird Mitglied eines geheimen Sexclubs, dessen Mitglieder sich mit dem Saft der Alraune zu ungeahnten ekstatischen Höhen aufschwingen – mit unkontrollierbaren, höllischen Nebenwirkungen…

Kritik

Der Horrorfilm, das bucklige Kellerkind der deutschen Filmlandschaft (was sich fast über jeden Genrefilm sagen lässt, ausgenommen Komödien und Kinderfilme). Die wenigen Versuche ihn auf der großen Leinwand zu etablieren waren nicht mehr als gut gemeint, wie „Wir sind die Nacht" (2010) von Dennis Gansel, oder gar jämmerliche Lachnummern, wie „Lost Place“ (2013) von Thorsten Klein. Sonst bleiben fast nur noch No-Budget-Filmer wie Olaf Ittenbach („Chain Reaction“), Andreas Schnaas („Unrated: The Movie“) oder Marcel Walz („Plastic“ a.k.a. „Plastic Surgery Massacre“) übrig, die zwar mit unerschütterlicher Passion, dafür kaum Talent und noch weniger Mitteln munter drauflos filmen. „German Angst“ ist jetzt endlich mal der Versuch von Genre-affinen Regisseuren, sich nicht hilflos ihrem Schattendasein zu ergeben und einen Film – begünstigt durch erfolgreiches Crowdfunding – auf die Beine zu stellen, der sicher noch eindeutig in die Low-Budget-Ecke gehört, aber mehr sein soll als die für ein durchschnittliches Monatsgehalt im eigenen Hinterhof gebastelten Amateurheuler.

Ganz unbekannt sind die drei Herrschaften ja auch nicht, zumindest Genreliebhabern dürfte mindestens Jörg Buttgereit („Nekromantik“) ein Begriff sein. Seit den frühen 80ern als Filmregisseur tätig, wobei immer im Self-Made-Man-Verfahren und von der FSK stets abgelehnt, in eine Schublade mit Ittenbach und Co gehört er deshalb noch lange nicht. Auch als Buchautor, Kolumnist und Filmkritiker hat sich der Mann einen Namen gemacht, ebenso wie durch die Inszenierung von Theaterstücken, Hörbüchern, Musikvideos und einigen Folgen der seit Jahren auf arte erfolgreich laufenden TV-Reihe „Durch die Nacht mit…“. Ein Multitalent, gerne auch als Fachmann herbeigezogen, wie bei z.B. bei der hervorragenden „The Texas Chainsaw Massacre“-Neuveröffentlichung von TURBINE vor einigen Jahren, als er seinen Teil zum informativen Bonusmaterial beisteuern durfte. Bei „German Angst“ stehen ihm Andreas Marschall - der durch seine zwei Spielfilme „Tears of Kali“ (2004) und ganz besonders seinen bemerkenswerten Neo-Giallo „Masks“ (2011, wahrscheinlich der beste deutsche Horrorfilm seit…puh, schwere Frage) auch kein unbeschriebenes Blatt mehr sein sollte – und Michal Kosakowski zur Seite, der als Regisseur bisher noch keinen Spielfilm, dafür die Dokumentation „Zero Killed“ (2012) inszenierte. Zu dritt bringen sie sie mit „German Angst“ eine Horrorfilm-Anthology auf den Markt, wie es sie in den letzten Jahren öfter gab, zuletzt bei „The ABCs of Death 2“, nur mit klaren Bezügen zu ihrer Heimat.

Buttgereit eröffnet den Film mit seiner Episoden „Final Girl“, die gleichzeitig das Highlight der folgenden 111 Minuten darstellt. Mit gut 25 Minuten ist sie auch die Kürzeste, was in Anbetracht der recht minimalen Handlung kein Minuspunkt ist. Ganz im Gegenteil, denn die Stärke dieser kleinen Story liegt eher in dem, was nicht gezeigt wird. Wir sehen ein junges Mädchen, wahrscheinlich im Alter zwischen 13 und 16 Jahren, dass in einer Berliner Plattenbausiedlung erwacht, sich um ihr Meerschweinchen kümmert, sich in einer verdreckten Küche etwas zu Essen zubereitet und lauschen ihren inneren Monologen über ihr Haustier. Bis sie zu einer Geflügelschere greift und das Schlafzimmer betritt… Auch wenn Jörg Buttgereit in seiner Geschichte nicht auf explizite Gore-Einlagen (oder genauer gesagt eine, dafür sehr drastische) verzichtet, seinen verstörenden, nachhallenden Effekt bezieht „Final Girl“ (allein der Titel ist äußerst hintergründig und doppelbödig) aus dem, was zwischen den Zeilen und Bildern erzählt wird. Dem, was nicht konkret benannt und gezeigt wird. Tatsächlich steigen wir hier erst ganz zum Schluss ein, erleben quasi nur die Konsequenz aus etwas, dass womöglich über Jahre das viel größere Grauen darstellte und nun durch das „Final Girl“ lediglich seinen Schlusspunkt findet. Buttgereit greift, ganz dem Gesamtthemas des Films entsprechend, zwar kein rein deutsches „Problem“ auf, jedoch eins, dass seit Ewigkeiten unsere Medienlandschaft immer wieder beherrscht und leider wohl nie verschwinden wird. In einer beachtlichen Inszenierung, fokussiert auf seine beklemmende Wirkung, ausgefeilt in Details. Damit gräbt der Regisseur seinen Kritikern den Hahn ab, die ihn gerne in die widerwärtige Schmuddelecke drängen. Lediglich die monotone Erzählstimme von Debütantin Lola Gave nervt gehörig. Kein Meisterstück, aber ein Auftakt, der Lust auf mehr macht.

Der gebürtige Pole Michal Kosakowski wird da schon direkter und thematisiert mit „Make A Wish“ ein gesellschaftliches Krebsgeschwür, das wir Deutsche zwar auch nicht für uns allein gepachtete haben, aber immer mit unserer Vergangenheit (die ebenfalls eine Rolle spielt) leider heute noch in direktem Zusammenhang steht und aufgrund seiner Herkunft eine persönliche Note hat. Seine Folge ist die grausamste, radikalste und hat eigentlich eine verdammt niederschmetternde wie nachdenklich stimmende, für den Zuschauer selbst-reflektierende Pointe, verkauft diese leider sehr plump und ungeschickt. Fremden- und Minderheitenhass, der in bestialische Gewalt ausufert, mit der Kosakowski nicht hinter dem Berg hält. Bis zu seinen ernüchternden Schlussminuten, die erst die eigentliche Qualität zum Vorschein bringen, erscheint „Make A Wish“ wie ein grobschlächtiges Exploitation-Statement, das seine ernste Relevanz total unter Wert verhökert. Die Neonazis werden derart überzogen dargestellt, nicht nur beinah wie überzeichnete Karikaturen, da können die noch so grausam zur Sache gehen, es hat immer dieses amateurhafte Bauerntheatergehabe, was der angepeilten Wirkung unsinnig entgegen wirkt. Brutal ohne Scheuklappen, zum Teil extrem drüber, damit will Kosakowski die braune, primitive Gewalt (zurecht) als widerwertigen Akt dummer Kreaturen darstellen, bedient damit aber natürlich auch sehr schlichte Gemüter, welche nicht verstehen werden, worauf er schlussendlich hinaus will. Wenn er die Katze aus dem Sack holt, sollte man kurzzeitig schlucken und sich und seine Gefühle während der letzten Minuten kritisch überdenken (ab wann sehen wir Gewalt als gerechtfertigt an, ab wann als „richtig“, „fair“ und ist Auge um Auge nicht immer eine Frage der Position?). Dieses werden viele aber nicht tun und das liegt nicht nur an deren beschränkten Horizont, daran hat der Regisseur aufgrund seiner Inszenierung genug Teilschuld. Eine gute Idee, schlampig vorgetragen.

Die pure, unfreiwillige Ironie: Mit „Alraune“ liefert Andreas Marschall praktisch das Gegenstück dazu. Seine Folge, die längste des Films, hebt sich handwerklich deutlich von seinen minimalen (Buttgereit) und groben (Kosakowski) Vorgängern ab, wirkt wie ein Bewerbungsvideo des Regisseurs, demnächst doch bitte einige Taler in sein nächstes Projekt zu investieren. Formal liefert er dafür sichtliche Argumente, „Alraune“ sieht super aus, mit Blick auf die begrenzten Mittel. Mit Milton Welsh („The Grand Budapest Hotel“) hat er sogar einen guten, international erfahrenen Mann in der Hauptrolle, der allein darstellerisch alles vorher Gezeigte locker überflügelt. Während seine Kollegen sich inhaltlich mit der „German Angst“ befassten, ist Marschalls Finale eher eine Hommage an den deutschen Genrefilm vergangener Tage, schon am Titel ersichtlich. „Alraune“ bezieht sich nicht nur auf den Namen der Pflanze, sondern indirekt auf den Roman „Alraune. Die Geschichte eines lebenden Wesens“ von Hanns Heinz Ewers bzw. die darauf basierenden Verfilmungen von 1919 bis 1952, als aus Deutschland noch einige große, bis heute relevante Genrefilme kamen. Eine nette Verbeugung und mit erstaunlich großartigen Effekten geschmückt, hat der Kurzfilm leider nicht viel zu erzählen, wirkt konfus und auf seine handwerklichen Skills wie seine Reminiszenzen gestützt (nicht zuletzt an den Body-Horror des „alten“ David Cronenberg, „Die Fliege“), wirkt dabei irgendwie am Grundthema der Sammlung vorbeigemogelt. Abgesehen von seinen inhaltlichen Mängeln, die einfach nicht durch die tolle Umsetzung kaschiert werden können. Verblüffend, das ausgerechnet der augenscheinlich professionellste Beitrag, bezogen auf den Aufwand, am Wenigsten zu erzählen hat und Nährwert beinhaltet.

Fazit

Das ewig gleiche Problem: Wie bewertet man möglichst gerecht eine Sammlung individueller Werke unter dem Dach eines Films? Bei „German Angst“ ist das noch relativ übersichtlich im Vergleich zu z.B. „The ABCs of Death“, dabei nicht minder schwierig und im Einzelfall nicht immer gerecht. In sich stimmig und individuell sehenswert ist klar „Final Girl“ von Jörg Buttgereit, wenn auch nicht brillant, aber nennenswert. Michal Kosakowski und Andreas Marschall liefern Licht und sehr viel Schatten, kurioserweise in völlig konträrer Ausrichtung. Marschall hat wenig zu erzählen und kann das chic verpacken, Kosakowski verschleudert seine Message bald in seinem pampigen Auftreten. „German Angst“ wirkt immer noch wie nicht mehr als ein Versuch, aber dafür einer mit Potenzial, was im Hinblick auf den deutschen Output in der Richtung schon viel wert ist. Keine deutliche Empfehlung, dennoch ruhig versuchen und die separaten Einzelleistung gönnerhaft würdigen. Mal am Rande: Die FSK verspottet sich mal wieder selbst. Zunächst durch die Prüfung gefallen, bekommt „German Angst“ im zweiten Anlauf doch die Freigabe, was grundsätzlich super ist, aber wo ist das denn konsequent oder nur ansatzweise nachvollziehbar? Es scheint so, als würden deutschsprachige Produktionen generell etwas bevorzugt, ähnlich merkwürdig ist die 12er-Freigabe für „Das finstere Tal“ im letzten Jahr. Auch wenn hier noch teilweise das Argument gelten gemacht werden könnte, das reale, direkt kritisierte Gewalt ruhig als abschreckend gezeigt werden darf, speziell bei „Alraune“ greift das nicht mehr und auch vorher ist da schon eine Art von Splatter-Fan-Service drin. Wie gesagt, indiziert und verteufelt sollte so was nie werden, nur verglichen mit den FSK-Entscheidungen sonst (besonders, da der Film ja schon weg vom Fenster war) ist das mal wieder totaler Blödsinn. Never ending Story…

Kritik: Jacko Kunze

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