Im Jahre 2029 bestehen viele Menschen aus Cyborgteilen, um sich selbst zu verbessern. Selbst Gehirne werden ausgetauscht, und die Seele des einstigen Menschen, der Ghost, wird durch restliche Zellen im Körper erhalten. Doch dieser Rausch an technischer Selbstverbesserung wird eines Tages durch den Puppetmaster bedroht, der sich in diese Gehirne hackt und sie zu willenlosen Geschöpfen mutieren lässt. Sektion 9, eine Spezialtruppe der Regierung, kümmert sich um diese Leute, fängt sie ein und konfrontiert sie mit ihren Hirngespinsten. Für Major Kusanagi, die Frontfrau des Eingreifteams, wird diese Arbeit bald zu einer persönlichen Sache, denn sie besteht fast nur noch aus Cyborgteilen und ist somit ein potentielles Ziel für den Puppetmuster. Daher mutmaßt sie oft über ihre eigene Identität, ob sie doch noch Mensch ist oder nur eine Maschine mit einem künstlichen Bewusstsein. Bald wird der Puppetmaster jedoch in Gestalt eines zerstörten Menschenkörpers aufgegriffen, und während der Analyse offenbart er seine wahre Herkunft und Absichten…
In ganze 79 Minuten presste Regisseur Mamoru Oshii den Plot, verpackt in einer der besten Animationen der jüngeren Vergangenheit. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Bildgewalt entsteht hier nicht aus der Fähigkeit, Zeichentrick als Bildergewitter zu verpacken, die Bildgewalt ist der Detailreichtum und die Melancholie, welche den Film bestimmen. Selten einmal kommt es zu dynamischen Szenen, wenn das Team der Sektion 9 sich einen vermeindlichen Gangsterboss schnappt, dazwischen herrscht immer eine gespannte Ruhe, was der Spannung selbst keinen Abbruch tut – im Gegenteil. Der Streifen bezieht seine Energie nicht durch Taten, sondern den Situationen, in denen er spielt. Vielerlei dringt die Liebe zu Blade Runner hindurch, wenn Kusanagi in ihrer Freizeit durch das postmoderne Tokio läuft. Dabei wirkt es nicht wie ein Abgesang auf die Menschheit, sondern zeigt mehrere Facetten, ist also an sich um einiges positiver dargestellt als in Ridley Scotts Meisterwerk, wo beispielsweise die Sonne nie richtig zu sehen ist. In Ghost in the shellist es mal hell, mal dunkel, dreckige Slumecken reihen sich scheinbar nahtlos neben prunkvollen Einkaufspassagen ein. Was sich wie ein kleiner Fingerzeig in Richtung Hollywood antut, sollte lediglich der Story dienen, denn das Thema Zweideutigkeit/Unsicherheit zieht sich konsequent hindurch, beschreibt also den inneren Konflikt von Kusanagi ziemlich eindeutig.
Auch wenn sich die Filmdauer nach recht wenig anhört, reicht sie aus, um das Thema genügend auszudiskutieren. Der philosophische Aspekt des Films wird so nicht unnötig in die Länge gezogen, auch wenn die Dialoge in der Übersetzung besonders abgehoben ausgefallen sind. In der ersten deutschen Synchrofassung fallen dann Worte wie inhärent (innewohnen/inne haben), was für Ottonormalverbraucher sicherlich nicht von Vorteil ist. Im ganzen Kontext wirkt das dann eher wie die Ansammlung kluger Sätze, welche man nur fremdwörterstarken Studenten und Gelehrten vorlegen würde. Das wurde dann in einer neuen Fassung mit teils bekannten Hollywoodsprechern etwas angepasst, aber man sollte wissen, dass das Werk sowieso nichts für das Light-Entertainment-Publikum der Marke Big Brother ist. Der Stoff ist schwer, und von daher fällt es eher in die Sparte Kult.
Bevor die computeranimierten Pixar-Streifen die Kinos eroberten, war Disney in Sachen Detailreichtum und tollen gezeichneten Bildabläufen das Maß aller Dinge. Das änderte sich schnell, nachdem die Animes immer mehr in den Mittelpunkt gerückt waren, und Ghost in the shellmarkierte einen ernstzunehmenden Konkurrenten in Sachen Animation. Während die amerikanische Schmiede ausschließlich leicht verdauliche Abenteuerkost mit Sympathiefaktor und leichtem Humor lieferte, bildete das japanische Gegenstück düsterere Aussichten, also schwamm durchaus gegen den Strom und bediente nur ein bestimmtes Publikum. Inhaltlich passte die dunkle Version höchster Animationskunst in die 90er und beeinflusste somit sogar so manchen Filmemacher aus Hollywood. Die Wacholsky-Brüder (Matrix) sind offenkundige Fans des Films, und gar Dreamworks, Spielbergs höchsteigene Produktionsfirma, spielt mit dem Gedanken einer Realverfilmung. Eine größere Verneigung konnte es also nicht geben.
Auch wenn Disney immer wieder sich selbst mit weiterentwickelten Methoden zur Gestaltung ihrer Filme übertraf, verblüffte Ghost in the shelldurch seine eigene technische Machart. Die Details und realitätsnahen Hintergründe bzw. Bewegungsabläufe stellten den amerikanischen Konkurrenten trotz des hohen Anspruchs leicht in den Schatten. Dies zeigt sich besonders in gewissen Zwischenszenen, wenn sich der Film zum Beispiel eine dramaturgische Auszeit nimmt und Tokio in all seinen Facetten darstellt. Da plätschert Regen in der Draufsicht in Wasserpfützen, eine Halbtotale zeigt eine vielbefahrene Straße, wenn ein Doppeldeckerbus durch das Bild fährt und sich die Schaufenster in dessen Fenstern spiegelt, ganz zu schweigen von den Beleuchtungen. Das sieht fast schon fotorealistisch aus – wow!
Hier wurde jedoch nicht nur der Blei- bzw. Buntstift angesetzt, auch CGI-Effekte hat man hier und da platziert. Dies sind zwar nicht viele, aber die wenigen wurden nahtlos in die Bilder eingefügt. Meist Computergrafiken und Bildschirme durften dafür herhalten, was das Gesamtbild aber nicht schmälert. In anderen Produktionen wäre das sicherlich auffällig gewesen, aber hier reihen sich die Aufnahmen ohne große Auffälligkeiten in die Szenerie – kein Wunder bei der Detailverliebtheit der Szenenkünstler. Auch wenn die Computereffekte dazu beigetragen hätten, die Kälte der Atmosphäre zu unterstützen, hat man sich meist auf die zeichnerischen Fähigkeiten verlassen, was bei anderen Produktionen sicherlich ein falscher Schritt gewesen wäre – hier jedoch passte die Entscheidung buchstäblich wie die Faust aufs Auge.