Inhalt
Harry Haft (Ben Foster) hält sich nach dem Zweiten Weltkrieg in New York mühsam mit Box-Kämpfen über Wasser und hat zugleich einen Herzenswunsch: Er sucht seine Jugendliebe Leah (Dar Zuzovsky). Ohne zu wissen, wie Leah durch den Holocaust gekommen ist, ist er sich instinktiv sicher, dass sie noch lebt und – wie er – den Weg in die USA gefunden hat. Unterstützung bei seiner Suche erhält er von Miriam Wofsoniker (Vicky Krieps). Um Leah auf sich aufmerksam zu machen, strebt Harry Haft einen Box-Kampf an, der in der Presse ein großes Thema sein würde: Er will gegen den großen Rocky Marciano (Anthony Molinari) kämpfen. Tatsächlich bringt ihm der angekündigte Kampf ein Interview ein und Harry Haft erzählt dem Journalisten (Peter Sarsgaard) die unfassbare Geschichte, wie er Auschwitz überlebte…
Kritik
Die wahre Geschichte von Harry Haft ist wahrlich beispiellos: Als Jude nach Auschwitz deportiert, gelang es ihm hier durch Zufall dank eines SS-Aufseher – der ihn kurzerhand zu seinem eigenen Boxer ausbildete um mit ihm brachiale wie blutige Schaukämpfe gegen andere Insassen austragen ließ – zu überleben. Nach dem Krieg ging er schließlich in die USA und startete dort eine professionelle Box-Karriere mit 22 Kämpfen, von denen er 14 gewann. Viel spannender als diese Historie, ist aber viel mehr der Mensch selbst. Seine Dämonen, seine Vergangenheit, sein Trauma, die Schuld und Sühne, die all das spätere Leid ausgelöst hat. Und zudem seine Suche nach seiner Jugendliebe, die ihn zum Überleben angetrieben hat. Mit der Hilfe von Regisseur Barry Levinson (Rain Man, Good Morning, Vietnam) und einem atemberaubenden Ben Foster, entstand mit The Survivor schließlich ein Drama, welches all dies versucht einzufangen. Herausgekommen ist kein Box-Film, sondern eine tragische Reise mit sich und gegen sich selbst, die Jahrzehnte überdauerte.
Doch starten wir erst einmal mit dem Elefanten im Raum: Ben Foster. Wo zuvor Foster schon mehrere Male mit einer eindringlichen und beeindruckenden Performance überzeugen konnte (zum Beispiel in Todeszug nach Yuma oder Leave No Trace), geht Foster hier noch einmal viele Schritte weiter. Während er für die Szenen in Ausschwitz kurzerhand über 30 Kilo abgenommen hat, hat er noch beim Dreh mit nur einer kleinen Pause wieder 25 Kilo (Muskelmasse) zugenommen, um schließlich die Kampfszenen zu drehen. Doch auch abseits dieser beeindruckenden (und gefährlichen) Körperveränderung, hat Foster mit Harry Haft (eigentlich Hertzko Haft) eine Figur gefunden, die er vollends ausfüllen kann. Egal ob seine diversen Traumata, seine Verzweiflung während Auschwitz, seine Wut, seine Hoffnungslosigkeit gegenüber Gott, seine Nuancen von Liebe, Zuneigung oder gar Lebenskraft. All dies zusammen ergibt einen roten Faden, der den Film über weite Strecken hinweg allein trägt. Dies ist indes leider auch nötig, da The Survivor manchmal der Fokus fehlt.
Wo die erste Hälfte des Films (der immerhin eine Laufzeit von 129 Minuten hat) in sich stimmig ist und gerade die vielen Wechsel aus schwarz-weiß Szenen in der Vergangenheit (visuell klar Klischeehaft, aber die Wirkung ist atemberaubend) und Harry Hafts Kampf gegen Rocky Marciano hervorragend miteinander zu verbinden weiß, gerät der Film nach dem Kampf etwas aus den Fugen. Zu träge wird danach weitererzählt, was für eine Selbstbestrafung und was für ein Leid er weiterhin in sich trägt, bis er schließlich eines Tages frieden finden kann. Und ja, gerade die ruhigeren Momente sind die kraftvollsten von The Survivor: Wenn aus einem schönen Feuerwerk eine traumatische Erinnerung an Bomben und Flucht wird, wenn Harry darüber philosophiert, was überleben im Konzentrationslager überhaupt bedeutet hat und wie Schattierungen ausfallen. Wie können wir (oder andere) hier überhaupt über diesen Part seines Lebens urteilen? Schwer wiegen daher diese Szenen, die jedoch zum Ende hin weniger werden. Die Laufzeit stellt sich schließlich aber dennoch selbst ein Bein und erzählt zum Ende hin – bis auf das Finale – wenig neues.
Was bleibt ist aber ein eindringliches Drama, welches nicht nur mit seinem Hauptdarsteller brillieren kann, sondern im Gesamten mit seinem Cast. Egal ob ein Kurzauftritt von Danny DeVito, Peter Sarsgaard als Journalist oder Vicky Krieps als menschlicher Anker für Harry. Und auch hier überzeugt The Survivor: Bei seinen Kämpfen. Wo die schwarz-weißen Sequenzen vor allem brachial, schmerzhaft und grausam sind, ist der Kampf gegen Marciano von einer Fiebrigkeit erfasst, die zu gefallen weiß. Visuell und auch vom Score her, ist so The Survivor – auch wenn man dem Film an sieht, dass er nicht das größte Budget hatte – sehr gelungen und fügt sich gekonnt in das Genre ein. Fans von Ben Foster, von menschlichen Dramen und einer Reise zum Frieden für sich selbst, sei der Film daher wärmstens empfohlen.
Fazit
"The Survivor" ist in vielerlei Hinsicht beeindruckend: Sei es durch seine (wahre) Geschichte voller Leid, Hoffnung, Suche, Liebe, Schuld und Sühne, durch die beeindruckende Performance von Ben Foster oder seine fiebrigen wie brachialen Bilder, die schwarz-weiß durchtrunken sind, wenn es um die Zeit des Holocaust geht. Doch auch dies ist der Film von Barry Levinson: Ein wenig zu lang und er schafft es zum Ende hin nicht seiner Figur und seinem Film einen gekonnten Abschluss zu geben. Zwar ist das Finale berührend, doch der Weg ab der 2. Hälfte des Films dort hin ist zu weit. Fans kommen dennoch nicht um dieses Drama herum.
Autor: Thomas Repenning