Inhalt
Johnny ist ein talentierter Boxer, sein selbstzerstörerischer Lebenswandel hat ihn jedoch von der großen Karriere abgehalten. Er hält sich mit Provinzkämpfen über Wasser. Durch seine Freundschaft mit dem Ganoven Wesley droht er nun auch noch ins kriminelle Milieu abzurutschen, bis er die Karussellbetreiberin Ruby kennenlernt. Um sie vor dem finanziellen Ruin zu bewahren, steigt er für seinen vermeidlichen letzten Kampf in den Ring, der aufgrund seines dramatischen Gesundheitszustandes auch tödlich für ihn ausgehen könnte.
Kritik
Er war quasi der James Dean der 80er. Männer wollten sein wie er, Frauen ihn an ihrer Seite. Mickey Rourke (Im Jahr des Drachen) brachte alles mit, was den Unterschied zwischen Schauspieler und Hollywoodstar ausmachte, stand sich aber viel zu oft selbst im Weg. Sein Sturzflug begann ausgerechnet mit Homeboy. Einem persönlichen Herzensprojekt, für das er unter dem Pseudonym Eddie Cook auch erstmals selbst das Drehbuch verfasste. Als Regisseur wurde der gelernte Kameramann Michael Seresin engagiert, der in dieser Funktion mit Rourke unmittelbar zuvor bei Angel Heart sehr erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Es sollte seine einzige Regiearbeit bleiben – und vermutlich ist das auch besser so.
Rourke schreibt sich die Rolle eines gefallenen Boxers praktisch auf den Leib. Er war selbst ein halbwegs erfolgreicher Amateur-Boxer und verdiente damit sogar zeitweise seinen Lebensunterhalt, als die Filmkarriere Mitte der 90er nur noch sehr schleppend verlief. Johnny Walker heißt nicht nur wie eine berühmte Bourbon-Marke, er gönnt sich selbst zu oft einen über den Durst. So hat er es trotz großen Talents nie sonderlich weit gebracht. Der Cowboy aus Arkansas wirkt wie ein Alien in der Großstadt, wo er sich ein paar Dollar mit Kämpfen in schäbigen Hallen hinzuverdient. Dort wird der halbseidene Möchtegern-Promoter und in erster Linie schillernde Rotlicht-Gauner Wesley (Christopher Walken, Die durch die Hölle gehen) auf ihn aufmerksam. Er nimmt Johnny unter seine Fittiche. Was mehr oder weniger bedeutet, dass er auf seinem Rücken versucht etwas Profit herauszuschlagen und ihn sogar als Komplizen für einen Juwelenraub einspannen will. Doch Johnny lernt nebenbei auch Ruby (Debra Feuer, Leben und Sterben in L.A., zum damaligen Zeitpunkt mit Mickey Rourke verheiratet) kennen. Die betreibt ein Karussell und steht kurz vor der Pleite. Schlussendlich muss sich Johnny entscheiden: Mit Wesley dessen Coup durchziehen oder trotz seines kritischen Gesundheitszustandes noch einmal in den Ring steigen, um mit der Börse Ruby retten.
Mickey Rourke gefällt sich naturgemäß in der Rolle des verwegenen Außenseiters mit der rauen Schale und dem sensiblen Kern und trotz all der hier betriebenen, narzisstischen Selbstbeweihräucherung muss man attestieren: Sie steht ihm auch verdammt gut. Homeboy ist unverkennbar ein leidenschaftlicher, nichtdestotrotz maximal mittelmäßiger Film, der gerne das wäre, was Darren Aronofsky exakt 20 Jahre später mit The Wrestler für Mickey Rourke erschuf. Die Parallelen sind unverkennbar, dies Diskrepanzen umso mehr. Das einfältige Skript aus der Feder von Rourke scheitert an seiner massiven Selbstüberschätzung und fädelt nur unzählige Klischees an der Grenze zur Parodie aufeinander. Passend dazu spielen auch die Stars völlig aneinander vorbei. Rourke glaubt, er würde mit seinem käsigen Drehbuch ernsthaft um einen Oscar buhlen, während Christopher Walken eine lässige Rummel-Performance aus dem Ärmel juckelt, die man für keine 5 Cent ernst nehmen kann. So ist der ganze Film gefangen in einer Bubble aus trashiger Seifenoper & ambitioniertem Pseudo-Arthouse, was weder in die eine, noch die andere Richtung funktionieren kann.
Das macht Homeboy zu einem krachend gescheiterten Film, der dennoch nicht gänzlich uninteressant ist. Vieles schreit danach, wahrgenommen und geliebt zu werden und hinter der verkorksten Umsetzung lässt sich immer wieder der Anflug echter Qualität zu erkennen. Passioniert ist der Film ohne Frage, der melancholische Score von Eric Clapton ist großartig, manche Impressionen wunderbar stimmig eingefangen und generell ist immer zu erkennen, was einem da vorschwebte und wie es hätte sein sollen. Homeboy ist wie ein viel zu langer Teaser für The Wrestler, an dem verdammt viel verbessert werden musste.
Fazit
Mickey Rourke überhebt sich mit „seinem Baby“ namens „Homeboy“ in der Doppelfunktion als Hauptdarsteller und Drehbuchautor gewaltig und läutete damit praktisch seinen Karriereknick ein. Der Film spiegelt bezeichnend das wider, was Mickey Rourke auf dem Höhepunkt seines Schaffens zu Fall brachte: Maßlose Selbstüberschätzung gepaart mit Beratungsresistenz. Andere lernen aus ihren Fehlern, Rourke wurden immer wieder Chance vor die Füße geworfen, die er aus purer Ignoranz selbst vergeigte. So gesehen wäre „Homeboy“ schon wieder fast selbstreflektiert. Der Witz dabei: Das war damals nicht die Intention.
Autor: Jacko Kunze