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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

In einem abgelegenen, idyllischen Haus am Waldrand genießen die Zwillingsbrüder Lukas und Elias die Sommerferien. Die beiden streunen zwischen Waldsee und Maisfeld umher und können die Ankunft ihrer Mutter kaum erwarten. Als sie jedoch nach einem Unfall aus dem Krankenhaus mit einbandagiertem Gesicht zurückkehrt, sind alle früheren Gewissheiten verschwunden. In der strengen Frau, die nun vor ihnen steht, können sie ihre Mutter kaum wiedererkennen. Schon bald werden sie den Zweifel nicht mehr los, dass eine Fremde die Kontrolle übernimmt. Während die Mutter versucht, den sich regenden Widerstand zu ersticken, machen sich die Kinder mit der ihnen gebotenen Gründlichkeit daran, die Wahrheit herauszufinden. Ein existentieller Kampf um Identität und Urvertrauen entspinnt sich.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Der zeitgenössische kleinere Gruselfilm, der oft abseits des Mainstreams und großen Produktionsfirmen zu finden ist, beschäftigt sich oft mit der Verwandlung eines Kindes oder Jugendlichen. In das Gewand des Horrorfilms wird so eine Coming of Age-Geschichte gewickelt. Das ist verständlich, da das Unbekannte und die Entwicklung zum selbigen oft mit Furcht erwartet wird, und hat schon so einige feine Schätze hervorbringen können. In „Maggie“, „When Animals Dream“ oder auch (im weiteren Sinne) „So Finster die Nacht“ bzw. „Let Me In“ trifft man auf junge Charaktere, die mit derartigen Veränderungen umgehen müssen. „Ich Seh Ich Seh“ hingegen geht einen etwas anderen Weg. Anstatt der Kinder, verändert sich ihre Umwelt drastisch und in einem Maße, das den Jungs unverständlich und nicht realisierbar erscheint. Sie reagieren mit Skepsis, Missmut und Misstrauen.

Noch bevor die ersten Credits auftauchen, hört und sieht der Zuschauer einem Kinderchor und einer Frau zu, die ein Schlaflied singen. Die Frau wünscht dem Publikum eine gute Nacht. Es ist das erste von vielen Andeutungen und Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Und tatsächlich fühlt man sich über den gesamten Zeitraum des Filmes nicht ein einziges Mal wohl in seiner Haut. Im undurchdringbaren Dickicht des nahegelegnen Maisfeldes folgen wir einem der beiden Zwillinge, wir schweben hinter ihm her. Nicht zufällig erinnert die Bewegung der Kamera an die Pionier-Arbeit der Steadycam in Stanley Kubricks Horrorklassiker „The Shining“. Denn ähnlich wie in dem Meisterwerk von 1980 findet die Szenerie auch hier in einem abgeschotteten Wohnort statt. Rings um das Haus sind nichts als Wälder, Felder und Seen. Es scheint ein mystifizierter Ort zu sein. Einer, an dem die gängigen Gesetze des Lebens außer Kraft gesetzt wurden; die physikalischen wie die moralischen gleichermaßen.

Die Art, wie Elias und Lukas (Brüder-Paar Elias und Lukas Schwarz) erst nicht nur allein im Maisfeld sondern auch allein auf der ganzen Welt erscheinen und später in den Pflanzen verschwinden wird später noch einige Male aufgegriffen. Die Jungs verschwinden im See unter der so undurchdringlichen Oberfläche oder im weiten und dunklen Geäst des Waldes. Der Wald als Ort der Geheimnisse, der tiefsten Gefühle und niedersten Instinkte. Die Figuren scheinen komplett zu sein, wenn sie sich draußen bewegen können. Sie scheinen sich mehr zuzutrauen und freier atmen zu können. Ein Unterschied, wie wenn man versucht, ein paar Minuten unter der eigenen Bettdecke zu atmen und dann wieder hervorkommt und seine Lungen mit einem Mal mit der frischen Luft füllt. In ihrem Haus dagegen sind sie gewissermaßen gefangen. Gefangen mit dem Feind und vor allem gefangen mit den eigenen Gedanken und Ängsten. Einen Notausgang gibt es nicht, es gibt nur die direkte Konfrontation.

Das Haus zeugt von Modernität und Wohlstand, nicht aber von Persönlichkeit, emotionalem Wert und Fürsorge. Familienfotos oder persönliche Gegenstände sucht man erst einmal vergebens, stattdessen gibt es überall Puppen, Aufsteller und Portraits von verwaschenen Silhouetten. Die Jalousien in dem Haus sind stets geschlossen, sodass im besten Falle die zerschnittene Außenwelt zu sehen ist. Fast schon wie in der legendären Titelsequenz zu HitchcocksPsycho“ von Saul Bass. Einfluss auf das Regisseur-Duo gab es aber auch von der Seite des Produzenten Ulrich Seidl. Close-Ups sucht man hier nahezu vergebens, stattdessen wahrt die Kamera stets eine unpersönliche Distanz zu den Figuren. In dieser nüchternen Unaufgeregtheit findet sich letztendlich auch die größte Stärke des Films. Als Hollywoodverwöhnter Zuschauer mag man hier und da anfangs noch denken, gedanklich schneller als der Film zu sein - und wird umgehend eines Besseren belehrt. Veronika Franz ("Paradies"-Trilogie) und Severin Fiala umgehen Altbekanntes, Klischees und Erwartungen und setzen stets auf ihren eigenen Stil. Und all das bekommt das Duo hin, ohne an emotionaler Wirkung einbüßen zu müssen - im Gegenteil! Die Zielgenauigkeit des Buches und der Inszenierung, die zum Beispiel in einer großartigen „Promiraten“-Szene in all ihrer Pracht deutlich wird, sorgt dafür, dass einem die zahlreichen Momente des Filmes unter die Haut fahren, wie wenig anderes.

Fazit

Ich Seh Ich Seh“ hat nicht nur einen Filmtitel wie ein leeres Echo, sondern funktioniert wohl auch am besten, wenn man nicht allzu viel darüber weiß. Franzund Fialaschaffen einen Gruselfilm der besonderen Art. Die Atmosphäre ist stets greifbar. Jump Scares waren nie leiser. Die Stille war nie lauter. Und die Dunkelheit war nie gehaltvoller. Von Kubrick über Polanskihin zu Langzeitkollaborateur Ulrich Seidl und Hitchcock geht die Reise der Einflüsse, die sich alle in 95 kompakten und sauspannenden Minuten verbinden. Man wird lange suchen müssen, um einen Gruselfilm zu finden, der in diesem Maße unter die Haut geht, der einem die Füße so verkrampfen lässt, der einem Minute für Minute und Sekunde für Sekunde so ein ungemütliches Gefühl in den Rücken und irgendwann eine rostige Klinge in den Bauch jagt und einem schließlich die Kehle zuschnürt und die Tränen in die Augen schießen lässt. Pflichtprogramm.

Kritik: Levin Günther

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