Maria Schraders dritter Spielfilm nach ihrem radikalen Debüt Love Life und dem Stefan-Zweig-Biopic Vor der Morgenröte stellt in faszinierender Weise unter Beweis, dass es für gelungene Science Fiction made in Germany weder überbordende Budgets noch die vermeintlich obligatorischen Spezialeffekte braucht. Sich grob an der Erzählung Emma Braslavskys orientierend, erhält die Protagonistin Alma (Maren Eggert, Die Unsichtbaren - Wir wollen leben, Das Experiment) den Auftrag ihres Arbeitgebers, einen humanoiden Roboter namens Tom (Dan Stevens, The Guest, Die Schöne und das Biest) für drei Wochen zu sich nach Hause zu nehmen und ihn in seiner weit fortgeschrittenen Version zu testen. Tom kommt dabei in Gestalt eines äußerst charmanten und attraktiven Mannes mit britischem Akzent daher, was Alma mehr zusagt, als sie es sich zunächst eingestehen will.
Kalibrierung ist alles (?)
Kommunikation ist unwahrscheinlich, heißt es in den geflügelten Worten Niklas Luhmanns. Kommunikation könne ja „nur unter der Voraussetzung wechselseitiger Intransparenz“ entstehen. Es wäre spannend, den Systemtheoretiker zu Maria Schraders drittem Spielfilm zu befragen. Was wohl seine Reaktion darauf gewesen wäre, wenn Tom, kurz nachdem er von Alma „adoptiert“ wird, dieser mitteilt, dass der gescheiterte Versuch in der Kommunikation das wichtigste Instrument sei, um seinen Algorithmus auf sie zu kalibrieren? Wenn das Scheitern in der Kommunikation nicht länger als conditio humana verstanden werden muss, sondern ihr mit jedem weiteren Überwinden etwaiger Fehler entgegengetreten werden kann? Allein, Luhmann lässt sich nicht mehr dazu befragen, das Leben ist dazwischen gekommen und somit auch der Tod. Denn, so lässt es Alma ihre künstlichen Intelligenz wissen: Nur wer lebt, kann auch sterben. Und so müssen wir stattdessen selbst versuchen, die Antworten auf die Fragen zu finden, die Schrader hier aufwirft.
Indes ist es nicht nur Tom, der sich auf Alma kalibrieren muss, es scheint fast, als müssten wir als Zuschauer diesen Prozess ebenso durchlaufen. Von der Eröffnungsszene an, als die großartige Sandra Hüller als Mitarbeiterin des Tech-Unternehmens Alma von den Vorzügen ihrer künstlichen Intelligenzen zu überzeugen versucht, hin zu den zarten Annäherungen Almas zu ihrem „Mann“ auf Zeit. Über einen Zeitraum von drei Wochen solle sie Tom an sich gewöhnen, im Gegenzug springe dann für die Forscherin Alma eine Reise zu den sumerischen Keilschriftruinen heraus. Recht schnell muss Tom allerdings lernen, dass er der Statistik nicht zwingend vertrauen kann, wenn er sein Verhalten auf Alma abzustimmen versucht. Nein, Alma gehört eben nicht zu den 93 Prozent deutscher Frauen, die sich an einem heißen Rosenblütenbad bei Kerzenschein erfreuen. Mit der Zeit gelingt es ihm jedoch, ihre Eigenheiten immer besser zu berechnen und ihre Mienen treffsicher zu deuten. Gar entwickelt sich eine Komplizenschaft zwischen den beiden, als es Tom problemlos gelingt, Almas Kollegen abzuwürgen und dabei eine glaubhafte Kennenlerngeschichte herbeizuflunkern. Als die beiden in einer späteren Szene nebeneinander im Gras liegen und sich scherzhaft den Gedanken zu ihrer vermeintlichen Kennenlerngeschichte erneut aufgreifen und weiterspinnen, deutet sich zugleich an, wie fragil unsere Erinnerungen doch bisweilen sind, ganz wie ein überschriebenes Dokument.
Der Mensch und die Menschheit
Obgleich sich Schraders Erzählstruktur auf recht erwartbare Weise entfaltet, wie man es ähnlich schon in der Black Mirror-Episode Be Right Back aus der Feder Charlie Brookers gesehen hat, und auch wenn ähnliche Fragen der Beschaffenheit der Menschlichkeit und ihrer (Un-)Unterscheidbarkeit zur fortgeschrittenen künstlichen Intelligenz schon in Alex Garlands „Ex Machina“ auf fulminante Weise verhandelt wurden, so ist Schraders Ich bin dein Mensch doch alles andere als generisch. Die Fragen mögen nicht genuin neu sein, allerdings finden Schrader und Co-Writer Jan Schomburg immer wieder kleine erhellende Momente, die die besondere Dynamik zwischen Alma und Tom zu nutzen wissen. Wenn der vom herausragenden Dan Stevens gespielte Tom allmählich die Ironie für sich entdeckt und allmählich eine gewisse Schlitzohrigkeit gewinnt, gewinnt er damit nicht nur Alma, sondern auch die Zuschauer*innen.
Der Wert, dem man einen Ding beimisst, der sei ja immer relativ, heißt es da später dann an einer Stelle. Relativ wie auch der Schmerz, den Alma empfindet, als sich dank Toms Echtzeitrecherche ihr Forschungsprojekt als obsolet herausstellt. Die Menschheit stünde solchen persönlichen Schicksalsschlägen einzelner oft genug indifferent gegenüber. Egoistisch, albern und armselig, da sind sich beide einig, sei dieses Leiden am eigenen Scheitern, dieses Selbstmitleid. Umgekehrt jedoch, so legt es Schrader uns nahe, ist das Beste für die Menschheit vielleicht nicht immer das Beste für den Menschen.