MB-Kritik

Interior 2025

Thriller

Inhalt

Kasimir benutzt eine ausgehöhlte Couch, um in Häuser einzudringen. Drinnen filmt er heimlich das Leben der Bewohner. Wenige Tage später wird die Couch wieder abgeholt, mit Kasimir darin: „Zustellungsfehler“. Er übergibt die Bänder dem Neurochirurgen Dr. Liebermann, der versucht, menschliche Gefühle zu empfinden. Gebrochen von unerwiderter Liebe, beginnt Kasimir, von Liebermanns Dogma abzuweichen: niemals in das einzugreifen, was vor der Kamera geschieht.

Kritik

„Creepy crawling“ beschreibt eine Taktik, bei der Fremde heimlich in eine Wohnung eindringen und dort kleine Dinge verändern - gerade genug, um den Bewohnenden ein Gefühl tiefer Verunsicherung zu geben die Ahnung, dass die Sicherheit ihres Heims nur eine Illusion ist. Ausgedacht hat sich das Manöver Charles Manson, der seine Family zum Creepy losschickte. Nicht unähnlich des mysteriösen Dr. Liebermann (Knut Berger) seinen jungen Adepten (Daniil Kremkin) in Pascal Schuhs makaberer Melange aus Psychothriller und Gesellschaftssatire. 

Deren parabolisches Szenario balanciert auf dem gleichen schmalen Grat zwischen Schaulust, Sadismus und Studie, auf dem sich das bizarre Experiment der Hauptfiguren entwickelt. Liebermann ist sowohl Soziopath als auch Soziologe, der die Gefühle und Reaktionen fremder Menschen in deren Alltag untersucht, um sie zu begreifen und einzuüben. Der stumme Kasimir dient ihm als invasives Instrument, das ohne Wissen der Betroffenen in deren Wohnung gelangt. Versteckt in einer Couch wird Kasimir geliefert, installiert Überwachungskameras, die heimlich filmen.

Die Couch wird samt ihm als „Fehlzustellung“ wieder abgeholt. Der Trick ist eines der aberwitzig unglaubwürdigen Details einer Handlung, die kaum über ihre interessante Grundidee hinauskommt. Liebermann sammelt die klandestinen Videos in einer nach Emotionen sortierten Videothek. Als sein Gehilfe und Geliebter durch eigenständiges Eingreifen die Neutralität des Studienmaterials kompromittiert, stört er die kühlen Berechnungen seines unerbittlichen Meisters. Ob dessen reglementierte Routine auf Zwangsstörung oder Apathie basiert, bleibt ebenso unklar wie Sinn und Ziel seiner Untersuchung. 

Fazit

In bedrohlich düsteren Einbstellungen schleicht die durch geschlossene Innenräume, die zum Sinnbild des abgeriegelten Seelenlebens der Charaktere werden. Pascal Schuh beobachtete den moralischen Zwiespalt seines zwischen Loyalität, Liebe und Mitgefühl zerrissenen Protagonisten mit der unterkühlten Ruhe dessen Auftraggebers. Seine Person bleibt letztlich genauso ein leerer Marker wie das zentrale Experiment. Die Fragen nach der Authentizität menschlicher Gefühle, der durch Film geschaffenen menschlichen Nähe und Distanz sowie der Grauzone zwischen Ethik und Amoral ziehen sich schemenhaft durch das unausgegorene Theorem bis zur lakonischen Pointe. 

Autor: Lida Bach
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