7.5

MB-Kritik

The Young Mother’s Home 2025

Drama

7.5

Fabrizio Rongione
Selma Alaoui
Elsa Houben
Lucie Laruelle
Janaina Halloy
Babette Verbeek
Samia Hilmi
Hélène Cattelain

Inhalt

Fünf junge Mütter, die in einem Heim leben, streben trotz schwieriger Kindheitsjahre nach einer besseren Zukunft für sich und ihre Kinder.

Kritik

Nicht nur ihr Status als Stammgäste im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes macht Jean-Pierre und zu exemplarischen Vertretern eines privilegierten weißen cis männlichen Kinos, sondern mehr noch ihre Gewohnheit, authentische marginalisierte Perspektiven mit ihrer eigenen bourgeoisen Sichtweise zu verdrängen. Bedrückend offensichtlich macht das ihr jüngster Ausflug in die gesellschaftlichen Randregionen, in denen sie die Inspiration für ihr manipulatives Mitleidskino finden. Schauplatz ist das den internationalen Titel gebende Heim für junge Mütter im Liege.

Das verklären die belgischen Regiebrüder zum idealen Schutzraum für die vier Protagonistinnen. Zwar richtet der französischsprachige Originaltitel den Fokus auf die minderjährigen Bewohnerinnen, doch ist ein entscheidender Aspekt der Inszenierung die Idealisierung des sozialfürsorglichen Sicherheitsnetzes. Das System funktioniert, ist die klare Message. Jene suggeriert, strukturelle Benachteiligung, Rassismus und Klassismus hätten nichts zu tun mit der prekären Situation der jungen Charaktere. Deren individuelle Dilemma illustrieren exemplarisch stereotype Problem-Konstellationen, unterschiedliche Umgangsweisen damit und verschiedene Lösungswege. 

Die cholerische Perla (Lucie Laruelle) ist emotional komplett abhängig vom gleichgültigen und ähnlich jungen Kindesvater Robin (Gunter Duret). Adoptivkind Jessica (Babette Verbeek) ist entschlossen, ihr Baby zu behalten und sucht verzweifelt Kontakt zu ihrer unwilligen leiblichen Mutter (India Hair, Three Friends). Julia (Elsa Houben, Due West) kämpft gegen die Drogenabhängigkeit und für ein kleinbürgerliches Familienglück mit ihrem liebevollen Freund. Ariane (Janaïna Halloy Fokan, Frohes Fest – Weihnachten retten wir die Welt) wiederum gibt ihr Kind an Adoptiveltern, um es dem Zugriff ihrer emotional manipulativen Mutter Nathalie (Christelle Cornil, Meinen Hass bekommt ihr nicht) zu entziehen. 

Die biografischen Hintergründe der Figuren, die Umstände ihrer Schwangerschaft und die Frage, warum sie diese nicht terminiert haben, bleiben nahezu gänzlich im Dunkeln. Die wenigen Informationen liefern peinlich verkrampft vorgetragene Expositions-Dialoge. Gefühle, Motive und innere Konflikte der Mädchen werden nur bruchstückhaft in plakativen Statements vermittelt. Der behauptete Realismus steht in bizarren Widerspruch zum unglaubhaften Schauspiel, der gestelzten Sprache und den konstruierten Szenarien. Eine dramaturgische oder psychologische Entwicklung findet nicht statt. Der Zweck ist Betroffenheitskino als pseudo-engagiertes Prestige-Projekt. 

Fazit

In einer neo-reaktionären Ära, in der Familienplanung verstärkt von Kriminalisierung bedroht ist, erhält die Thematik Luc und Jean-Pierres scheinrealistischen Sozialdramas neue Aktualität. Umso frustrierender ist der paternalistische Blick der Regie-Brüder auf ihre fast kindlichen Charaktere. Deren überwiegend aus Newcomern und Laien bestehende Besetzung ist sichtlich überfordert mit der überzeugenden Darstellung der klischeehaften Konfliktsituationen. Jene entbehren jedem Einblick und Gespür für die Lebensrealität der Arbeiter- und Unterschicht. Letzte werden einmal mehr verzerrt für die privilegierte Perspektive eines mitleidigen Mittelstandspublikums.

Autor: Lida Bach
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