MB-Kritik

Tori and Lokita 2022

Drama

Claire Bodson
Charlotte De Bruyne
Tijmen Govaerts
Mbundu Joely
Nadège Ouedraogo
Pablo Schils
Batiste Sornin
Alban Ukaj
Marc Zinga

Inhalt

Der junge Tori und die fast erwachsene Lokita sind zwar keine leiblichen Geschwister, aber sich als solche auszugeben, ist für die aus Benin illegal eingereiste Lokita die einzige Chance auf eine Aufenthaltsgenehmigung in Belgien. Als ihr Antrag abgelehnt wird, werden die Geldsorgen der beiden erdrückend, doch ihre Freundschaft gibt ihnen Kraft.

Kritik

Der Hoffnungsschimmer, mit dem Jean-Pierre und Luc Dardenne (Young Ahmed) die harsche Welt ihrer sozialkritischen Werke aufhellen, erlischt bereits in der Eröffnungsszene ihrer lakonischen Tragödie. Deren Verlauf, der durch die charakteristische Knappheit der besten Dardenne-Filme noch unaufhaltsamer scheint, überzeugt weniger als menschliches Drama denn als cineastische Kapitulation vor einem System, das die jungen Hauptfiguren im Stich lässt. Umso riskanter die Lage für die Wahlgeschwister wird, umso lauter die Warnung vor den fatalen Auswirkungen gesellschaftlicher Gleichgültigkeit.

Eine Sachbearbeiterin, die der jugendlichen Lokita sagt, dass sie ihr gerne die dringend benötigten Papiere ausstellen würde, aber nicht kann. Eine Fallbearbeiterin, die nie sichtbar wird. Autos, die achtlos weiterfahren. Alle hätten etwas ändern können, sogar noch an der verzweifelten Lage, in der Lokita (Mbundu Joely) und der ebenfalls aus Benin geflohene Tori (Pablo Schils) zu Beginn stecken. Lokita braucht Geld für die Schmuggler und ihre Mutter, und ohne Aufenthaltsgenehmigung außerdem Essen und eine Bleibe. 

All das verspricht ein dreimonatiger Job auf einer abgelegenen Cannabis-Farm, bei dem sie wie eine Gefangene ohne Sonnenlicht und frische Luft in einer umgebauten Fabrikhalle eingesperrt lebt. Entschlossen seiner wichtigsten und einzigen Bezugsperson zu helfen, bringt Tori beide in immer größere Gefahr. Die Regie-Brüder riskieren selbst die Glaubwürdigkeit ihrer Story, wenn sie sich vom vertrauten Terrain der figurenfokussierten Sozialskizze bewegen. Doch dank der überzeugenden Laiendarstellenden bleibt eine emotionale Authentizität, deren Message länger nachhallt.

Fazit

Für eine dritte Goldene Palme, wie sie Jean-Pierre und Luc Dardenne zweimal aus Cannes mitnahmen, ist ihre Momentaufnahme eines frei geknüpften Geschwisterbandes dramaturgisch zu unsicher. Die Balance zwischen kühlem Realismus und subtiler Sentimentalität verschiebt sich zugunsten zweiter, was dem appellativen Grundton geschuldet ist. Dabei ist die von den jungen Darstellenden mit naturalistischer Ungezwungenheit gespielte Zuneigung der Hauptfiguren weit bewegender als die Eskapaden mit Drogendealern und Schmugglern. Bei allem Gutwillen regiert mehr Klischee als Kunst.

Autor: Lida Bach
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