Inhalt
Yuki wurde von Ihrer Mutter Sayo nur aus einem Grund geboren: Rache. Während politischer Unruhen zuvor wurde Sayos Familie brutal von fünf Gewaltverbrechern ermordet. Die Verzweiflung trieb sie zum Mord an einem ihrer Schänder, doch musste sie dafür ins Zuchthaus. Bestärkt von Hass und von Rache getrieben, hurte sie mit Gefangenen und Wärtern um ein Kind, ein Werkzeug ihrer Rache, zu gebären. Sayo stirbt noch bei Yukis Geburt, nicht jedoch ohne Maßnahmen veranlasst zu haben. Gedrillt von einem Kriegermönch wird Yuki 20 lange Jahre in der Kunst des Tötens unterrichtet: "You have a destiny; forget joy, forget sorrow, forget love and hate, forget everything except vengeance!" Aus Yuki wird Lady Snowblood und die Welt färbt sich rot. Die Titelmelodie zu LADY SNOWBLOOD, welche von Hauptdarstellerin Meiko KAJI gesungen wurde, und sich auf dem Soundtrack von KILL BILL wieder findet, ist bei weitem nicht die einzige Inspiration die Tarantino aus LADY SNOWBLOOD für KILL BILL schöpfte.
Kritik
Wer „Lady Snowblood“ sagt, der muss heutzutage auch reflexartig „Kill Bill Vol. 1“ und „Kill Bill Vol. 2“ hinterherwerfen. Natürlich hat sich Quentin Tarantino bisweilen von Toshiya Fujitas Nippon-Klassiker maßgeblich inspirieren lassen, dass wird nicht nur am feministischen Rache-Topos ersichtlich, sondern bereits an dem Aspekt, dass Tarantino für seinen buntscheckigen Soundtrack auf „Shura No Hana“ zurückgriff – dem Titellied von „Lady Snowblood“. Es mutet indes allerdings ein wenig krampfhaft an, in einer Besprechung von „Lady Snowblood“ unbedingt Brücken zum „Kill Bill“-Doppel zu schlagen und den Referenzreichtum, den Quentin Tarantino bekanntermaßen seit jeher pflegt, in den Mittelpunkt zu rücken (schließlich leben „Kill Bill Vol. 1“ und „Kill Bill Vol.“ ebenso von Tarantinos Affinität zum Italo-Western). Vielmehr hat sich „Lady Snowblood“ doch den Respekt dahingehend verdient, als eigenständiges, singuläres Stück Filmgeschichte honoriert zu werden, welches seine enormen Qualitäten nicht aus dem nerdigen Rekurrieren eines Quentin Tarantinos destilliert.
Toshiya Fujitas („Lady Snowblood 2: Love Song of Vengeance“) und sein Drehbuchgespann Kazuo Kamimura und Kazuo Koike, die sich bereits für die gleichnamige Mangavorlage verantwortlich zeigten, haben „Lady Snowblood“ keinesfalls als niedere Exploitationskost angelegt, wie er von einigen besonders erleuchteten Zeitgenossen immer mal wieder verschrien wird. Unter der kompetenten Ägide eines Fujita wächst „Lady Snowblood zu einem Erlebnis für die Sinne heran: Es sind nicht nur die ikonographische Illustrationen vom leise rieselnden Schnee, der sich auf dem Boden langsam blutrot färbt, die „Lady Snowblood“ eine stilistische Meisterklasse attestieren. Kameramann Tamura Masaki kreiert darüber hinaus beinahe feingliedrige Bilder, deren immense Kraft aus der farbdramaturgischen respektive synästhetischen Komponente emporsteigt. Wo das Geschehen um Hauptdarstellerin Yuki Kashima (Meiko Kaji) wiederholt in angeschlagenen, abgehetzten Farbakzenten zu verfließen droht, kontrastiert „Lady Snowblood“ diesen Eindruck durch die aus den Körpern hervorbrechenden Blutkaskaden: Zückt Yuki das Samuraischwert, streuen Blutfontänen prachtvoll wie aus einem Zierbrunnen durch die Lüfte.
Es steht außer Frage, dass es sich bei „Lady Snowblood“ um einen echtes Genrewerk handelt: Dafür verbürgt sich die findige Inszenierung zu deutlich an seinem grellen Vergeltungsplot – obgleich es sich „Lady Snowblood ebenso nicht nehmen lässt, einen gezielten historischen Kontext herzustellen. Was „Lady Snowblood“ beschreibt, ist der Teufelskreis der Vergeltung, in den die augenscheinlich grazile Yuki unweigerlich abrutschen wird. Yuki jedoch ist ein Charakter, der gewisse Ambivalenzen zulässt, eben weil sie nicht die selbstbestimmte Killermachine darstellt, die es inbrünstig nach Rache durstet. Stattdessen wird Yuki in einen Strudel des Schicksals geworfen, in dem ihre bei der Geburt verstorbene Mutter ihr die Bürde des Hasses schon vor ihrer Niederkunft auferlegte: Yuki soll nach ihrer strengen Ausbildung, beinahe fremdgesteuert, die Bande bestrafen, die sie über drei Tage vergewaltigte und anschließend ihren Sohn und Ehemann ermordeten. Der so gedrungene wie poetische „Lady Snowblood“ glorifiziert seine zentrale Akteurin niemals, die schiere Ausweglosigkeit dirigiert den Takt der Blutsymphonie.
Fazit
„Lady Snowblood“ hat sich seinen Ruf als Klassiker des japanischen Kinos redlich verdient: Mit welch famos komponierten Bildern Toshiya Fujitas Film auf den Zuschauer einprasselt, gleicht einem einnehmenden Erlebnis für die Sinne. Darüber hinaus ist „Lady Snowblood“ ein poetischer Todestanz, der den fremdgesteuerten Racheakt seiner Hauptakteurin nicht feiert, sondern die logische Konsequenz ihres brutalen Handels immer zum Diskurs stellt.
Autor: Pascal Reis