Ob ein Remake sinnvoll ist, muss immer aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Da im seltensten Fall eher unbedeutende oder misslungene Filme eine Neuauflage bekommen besteht immer der Diskussionsbedarf, warum man sich denn an diesem (meistens) Klassiker „vergreift“, es sei denn es hat wirklich rein pragmatisch-kommerzielle Gründe. Wenn z.B. für den US-Markt die einheimische Version eines fremdsprachigen Films gedreht wird, hat das nun mal eher den Hintergrund, dass dort nichtenglischsprachige Werke naturgemäß kaum ihr Publikum finden. Also eine irgendwie verständliche und aus deren Perspektive durchaus sinnvolle Maßnahme, für den Rest der Welt meist nur bedingt. Beim klassischen Fall einer „zeitgemäßen“ Version eines in die Jahre gekommenen Films kann das durchaus auch sinnvoll sein. Selbst Alfred Hitchcock drehte 22 Jahre nach Der Mann, der zuviel wusste ein eigenes US-Remake, da er seine alte Fassung als weniger gelungen betrachtet und nun einfach die Mittel und das Knowhow besaß, alles nach seinen Vorstellungen zu realisieren. Grenzwertig wird es immer dann, wenn sich die Frage nach dem „Warum“ nur mit dem Alter des Films beantwortet lässt – oder der Hoffnung, dessen effektive Prämisse einfach noch mal melken zu können, ohne wirklich etwas Sinnstiftendens oder gar Verbesserndes hinzufügen zu können.
Diese negativen KO-Kriterien für ein Remake treffen leider im vollen Umfang für diesen Lohn der Angst zu, der wohlwollend betrachtet auch als sehr frei Romanadaption interpretiert werden könnte. Zugrunde liegt theoretisch das gleichnamige Buch von Georges Arnaud aus dem Jahr 1950, auf das sich diese filmische Version aber praktisch gar nicht stützt. Inspiration war natürlich mehr dessen brillante Erstverfilmung gleichen Namens von Henri-Georges Clouzot aus dem Jahr 1953, die sich mühelos in die Kategorie „Must see before die“ einordnen lässt. Die Besonderheit in diesem Fall: dieser Film erhielt bereits 1977 schon ein US-Remake, dem das seltene Kunststück gelang, in den undankbaren Fußstapfen eines unsterblichen Geniestreichs selbst Großes zu erschaffen. Atemlos vor Angst (OT: Sorcerer) wurde zwar ein kommerzieller Misserfolg und markierte den negativer Wendepunkt im kometenhaften Aufstieg seines Regisseurs William Friedkin (French Connection – Brennpunkt Brooklyn, Der Exorzist), gilt heute aber zurecht als tragisch verkanntes Meisterwerk. Das sowohl an die Intensität seines Vorbildes heranreichen konnte und sich zudem durch seine audio-visuelle Brillanz ein in dem Kontext immens wichtiges Alleinstellungsmerkmal schuf und somit eine eigene Identität kreieren konnte. Also exakt das, was diesem Netflix-Content (und nichts anderes ist das leider mal wieder) von Regisseur & Co-Autor Julien Leclercq (The Bouncer) gnadenlos abgeht.
Immerhin versucht man keine identische Kopie zu schaffen, sondern transferiert die Prämisse in ein anderes, zeitgemäßes Setting, was noch als Pluspunkt angerechnet werden kann. Vom Dschungel Südamerikas geht es in die Wüste eines nicht näher genannten Landes im Nahen Osten, das nach einem Staatsstreich zu brandgefährlichem Terrain geworden ist. Mittendrin ist der Franzose Fred (Franck Gastambide, Taxi 5, eine Art französischer Vin Diesel), der sich nur noch dort aufhält, da er Verantwortung für die Familie seines Bruders Alex (Alban Lenoir, Antigang) übernimmt. Dieser sitzt dank ihm im Knast, doch eine drohende Katastrophe könnte die Familie wieder vereinen. Innerhalb kurzer Zeit (und da sind wir dann wieder bei der Prämisse des Originals) muss jede Menge hochexplosives Nitroglycerin auf klapprigen LKWs durch unsicheres Gelände transportiert werden. Dieses Himmelfahrtskommando befördert Alex aus dem Knast direkt auf den Fahrersitz. An seiner Seite neben Fred auch eine engagierte Ärztin und ein wenig vertrauenswürdiger Schutztrupp von Söldnern.
Selbst losgelöst von den großartigen Vorlagen kann Lohn der Angst maximal als unterdurchschnittlicher Actionthriller betrachtet werden, der mit der dankbaren Grundidee herzlich wenig anzufangen weiß. Das aus heutiger Sicht die Erklärung für diesen viel zu riskanten Transport natürlich noch wesentlich unlogischer ist als in den 50ern und 70ern sei mal dahingestellt, das eigentliche Problem ist der fahrlässige Umgang mit den sich bietenden Möglichkeiten. Die Stärke der Vorgänger war der unbändige Überlebenskampf, der neben äußeren Faktoren besonders durch die Psychologie der Figuren greifbar gemacht wurde. Das Publikum wurde zwangsläufig zum Mitfiebern gezwungen, sei es durch eine ausführliche Figuren- und Umgebungszeichnung (wie bei Clouzot, bei dem es rund 90 Minuten dauerte bevor überhaupt die LKWs bestiegen wurden) oder eine mitreißende Inszenierung wie bei Friedkin, der so sogar die Laufzeit mit nur geringem Qualitätsverlust erheblich stauchen konnte. Leclercq‘s Versuche, Figuren und Konflikte interessant zu gestalten, wirken leidenschaftslos, erzwungen und zweckdienlich. Die Charaktere sind eindimensional, die Darsteller offenbar zu nicht mehr fähig und selbst die Action- und Spannungssequenzen erschreckend banal.
An CGi-Explosionen hat man sich inzwischen leider gewöhnen müssen und aus einer rationalen Warte ist es ja verständlich. Es ist billiger, sicherer und umweltfreundlicher, macht schon Sinn. Trotzdem sieht es einfach nicht gut aus, wie man es dreht und wendet. Außer, man bewegt sich diesbezüglich auf höchstem Niveau, aber selbst dort geht nichts über plastische Effekte (wenn in der Größenordnung denn machbar). Über so eine Preisklasse reden wir hier aber ohnehin nicht. Um es auf den Punkt zu bringen: Lohn der Angst ist nicht mal handwerklich auf zeitgemäß anständiger Augenhöhe. Mit ein paar krachenden Actionsequenzen hätte man vielleicht den Mangel an narrativer Qualität irgendwie übertünchen können, so hinterlässt aber selbst das einen sehr minderwertigen Eindruck. Gekrönt von einem in allen Belangen sogar miserablen Showdown, der die Schwachpunkte dieses Films sehr komprimiert auf den Punkt bringt. Bei den vorherigen Versionen saß man danach nassgeschwitzt und emotional ausgelaugt vor dem Bildschirm, hier nahezu fassungslos aufgrund der puren Belanglosigkeit.