Inhalt
Während des zweiten Weltkrieges treffen auf der Insel Iwo Jima japanische und amerikanische Truppen aufeinander. Es beginnt eine brutale wie sinnlose Schlacht auf dem öden Eiland. Jahrzehnte später werden Briefe gefunden, die japanische Soldaten ihren Familien und Freunden in der Heimat geschrieben haben. Sie erzählen von Tod, Angst, Schmerzen, Hoffnung und Unsinn eines brutalen Krieges.
Kritik
Keine Frage: Clint Eastwood weiß, welche Hebel er bedienen muss, damit ihm der Zuschauer auch gerne mal über zweieinhalb Stunden auf Schritt und Tritt folgt. Dabei sind die Filme inhaltlich nicht immer von bestechender Artung, ja, manchmal sogar mehr als klapperig, wenngleich Eastwoods Inszenierung in seiner über Jahrzehnte angesammelten Erfahrung doch keine wirklichen Defizite aufweisen, ganz objektiv betrachtet. Seit der Jahrhundertwende hat sich jedoch in das Schaffen von Eastwood eine unheimlich persönliche wie existenzielle Note eingeschlichen, die natürlich auch nicht immer überzeugend veranschaulicht wird, doch man merkt, dass der Kalifornier relevanteren, menschlicheren Themen mehr Gewicht anvertraut und ihm die subjektive Lebenserfahrung – distanziert von politischen Gesinnungen – nun auch beruflich in die Karten spielt.
„Letters from Iwo Jima“ ist da ein Paradebeispiel für Eastwoods Status der Reife als Regisseur und dazu ein Film, welcher in seiner Umsetzung von wahrhafter Größe zeugt. Nach seinem durchaus gelungenen, aber dennoch enttäuschenden „Flags of Our Fathers“, macht Eastwood mit seinem Nachfolgewerk all die Ernüchterung wett, die sich für kurze Zeit anstauen musste. Dank einem hervorragend ausarbeiteten Drehbuchs von Iris Yamashita, gelingt dem Altmeister hier ein Kriegsbeitrag, der sich problemlos in den höheren Garden des Genres einquartieren darf. Vor allem weiß „Letters from Iwo Jima“ die Geschichte der Japaner nicht als stumpfe, dämonische Gegenseite zu manifestieren und den Angriff der Amerikaner, die nahezu die gesamte japanische Streitkraft von 21.000 Männern dezimierte, dabei als glorreichen Kampf einzufangen. Im Gefecht um Iwo Jima gab es keine Helden, alles, was die Vulkaninsel in dieser Form verlassen hat, sind bloße Mythen, Sieger waren nur theoretisch.
Eastwood dekonstruierte in „Flags of Our Fathers“schon die vom Volk und Politik aufgezwungene Vorbildfunktion junger Soldaten, in dem er offenbarte, dass hinter all dem Heroismus nur ein stumpfer Instrumentalisierungsmechanismus steckt, erschaffen von Menschen, die das Grauen des Krieges, den physischen und psychischen Zerfall, nie erahnen können. In „Letter from Iwo Jima“ wird dem Zuschauer vorgeführt, in welchem ethischen wie traditionellen Konflikt die beiden Mächten standen, und doch sind sie in der Stunde des Todes alle gleich. Wagemutiger Heldentum würde deplatziert wirken, Eastwood weiß das, es ist jedoch nicht verwerflich, die Japaner als ehrenhafte Patrioten zu zeigen, die despektierliche Bemerkungen gegenüber dem Vaterland und dem vergötterten Kaiser mit dem Tod bestrafen. Warum diese Darstellung nicht verwerflich ist? Weil sie der Wahrheit entspricht, weil der tief in der Seele verankerte Nationalstolz den Japanern tatsächlich den letzten Halt gegeben hat und der Seppuku – so erschreckend und fremd er uns doch erscheinen mag – ein ehrenvolles Ableben im ritualisierten Brauchtum bedeutete.
Zuweilen wird dem Zuschauer das Gefühl suggeriert, als hätten einzig eine Handvoll Männer als Widerstand fungiert, letztlich ist das aber nur ein dramaturgischer Kniff, der eine emotionale Intimität bereithält und genau die reflektierte Menschlichkeit entfaltet, die nicht nur Eastwoods früheren Werken oftmals abhanden gekommen ist, sondern auch sämtlich Kriegsfilmen, die wirklich Anspruch auf Authentizität hegten. „Letters from Iwo Jima“ ist ein respektvolles Psychogramm, ein Einblick in die seelischen Qualen von Soldaten, von Menschen, die ihrem Ende ins Auge blicken müssen, die wissen, dass sie maßlos unterlegen sind und aus gehorsamem Pflichtgefühl doch nicht aufgeben dürfen. Von stupiden Kampfmaschinen und lethargischen Selbstläufern findet man in Eastwoods Duktus keine Spur. „Letters from Iwo Jima“ ist intensives, atmosphärisches und ohne Zweifel achtbares Kino, dem kleinere Schönheitsfehler durchaus verziehen werden können, denn die Botschaft beider Filme ist einfach zu signifikant, auch wenn man deutlich merkt, dass Eastwoods wahres, ehrfürchtiges Interesse nicht in der nationalen Geschichte liegt, sondern dem eigentlichen „Feind“ gebührt.
Fazit
Das brillant geratene Komplementärstück zu „Flags of Our Fathers“. Clint Eastwood perspektiviert die japanische Situation auf der Vulkaninsel Iwo Jima und inszeniert einen bedrückend-humanistischen Anti-Kriegsfilm, der vor allem veranschaulicht, dass Sieger allein im Theoretischen existierten. In der Stunde ihres Todes sind alle Menschen gleich.
Autor: Pascal Reis