Inhalt
Die Geschäfte von Privatdetektiv Philip Marlowe (Liam Neeson) laufen schlecht, als die wunderschöne Clare Cavendish (Diane Kruger) mit ihrem Antlitz sein heruntergekommenes Büro erhellt. Sie hat einen Auftrag für Marlowe. Ihr Liebhaber Nico Peterson (François Arnaud) ist spurlos verschwunden und der Privatdetektiv soll ihn wieder finden. Wie sich herausstellt, wurde Nico angeblich tot vor den Toren eines exklusiven Clubs gefunden. Der nahezu unkenntliche Leichnam wurde rasch verbrannt; die Polizei scheint die Sache als Unfall mit Fahrerflucht ad acta legen zu wollen. Aber Clare ist überzeugt, dass ihr Freund noch lebt. So recherchiert Marlowe wie besessen weiter und kommt einer mächtigen und sehr reichen Familie auf die Spur, die vor nichts zurückschreckt ...
Kritik
Lang ist es her, dass Philip Marlowe zuletzt in filmischer Form ermitteln durfte. Vor über 25 Jahren schlüpfte James Caan (Der Pate) in dem lediglich fürs TV produzierten Poodle Springs in die Rolle des legendären Hardboiled-Schnüfflers, der ursprünglich aus der Feder von Raymond Chandler stammte. Dieser hatte zuvor aber schon wesentlich bekanntere Auftritte und Gesichter. Unvergessen natürlich die Interpretation von Humphrey Bogart in Tote schlafen fest (1946, Regie: Howard Hawks), aber auch Elliott Gould in Der Tod kennt keine Wiederkehr (1973, Robert Altman) oder Robert Mitchum in Fahr zur Hölle, Liebling (1975, Dick Richards) hinterließen bleibenden Eindruck. Ganz zu schweigen von Werken wie The Big Lebowski (1998) der Coen-Brüder oder Inherent Vice – Natürliche Mängel (2014) von Paul Thomas Anderson, die unverkennbar als humoristische Hommage angelegt sind. Große Fußstapfen also für Marlowe, die aber zumindest auf dem Papier halbwegs anständig gefüllt scheinen.
Nachdem er sich die letzten 15 Jahre als rüstiger Actionrentner deutlich in eine Sackgasse geprügelt hatte, lässt es Liam Neeson (Retribution) endlich mal wieder altersgemäß etwas gediegener angehen. Im Gegensatz zu den vorherigen Adaptionen ist und soll der ansonsten quasi alterslose Philip Marlow (das James Bond-Phänomen) diesmal wirklich in die Jahre gekommen sein, aber natürlich noch nicht zu alt, um von einer kühlen Femme Fatale in einen undurchsichtigen Fall von Mord, Intrigen und allerhand anderer krummer Geschäfte hineingezogen zu werden. Diesmal basiert das Ganze jedoch nicht auf einer Originalgeschichte von Raymond Chandler, sondern dem 2014 veröffentlichten, autorisierten Philip Marlowe Roman The Black-Eyed Blonde von Benjamin Black. Inhaltlich fühlt sich das trotzdem alles sehr vertraut an und könnte unter der Regie von Veteran Neil Jordan (Interview mit einem Vampir) eine runde Sache werden – aber vermutlich nicht mehr im Jahr 2022. In den letzten Jahren hat besagter Regisseur leider nicht wirklich viel gemacht und sein letzter Film Greta (2018) entpuppte sich bereits lediglich als Hochglanz-Stalker(innen)-Trash. Und auch mit Marlowe gelingt es weder ihm noch Liam Neeson, ihre festgefahrenen Karrieren ernsthaft wieder in die Spur zu verhelfen.
Neeson ist für die Rolle des Philip Marlowe sogar noch eine ganz gute Wahl, spielt das aber relativ gleichgültig herunter. Aber alles noch deutlich besser als das, was insbesondere die weiblichen Stars hier abziehen. In der Theorie mag auch Diane Kruger (The 355) als klassische Femme Fatale ideal besetzt sein, liefert aber eine erschreckend schlechte Vorstellung ab. Sie könnte glatt aus der Film Noir-Parodie wie Tote tragen keine Karos (1982) mit Steve Martin entsprungen sein, aber das ist noch nicht einmal das diesbezügliche „Highlight“ des Films. Ganz traurig und wirklich nur noch mit einer unerklärlichen Form von Galgenhumor zu erklären ist die Performance der zweifachen Oscar-Preisträgerin Jessica Lange (Feud), bei der es einem nur kalt den Rücken runterlaufen kann. Gut, da ihre Rolle auch wirklich jedes Genre-Klischee bedient zieht sie vielleicht auch aus Trotz alle Register des wüsten Overactings, welche ihr in der Kürze ihrer Screentime zur Verfügung stehen. Darstellerisch trotz der guten Voraussetzungen somit schon mal eine herbe Enttäuschung (Danny Huston, Angel Has Fallen und Alan Cumming, X-Men 2 können als gewohnt zwielichtige Schurken zumindest überzeugen) ist es aber besonders die blasse und uninspirierte Inszenierung, die diesen neuen Auftritt des zynischen Ermittlers völlig vergessenswert macht.
Die verworrene, überkonstruierte und von Klischees wie Logikfehlern nur so strotzende Handlung steht dabei gar nicht mal am Pranger, denn diese gehört nicht nur irgendwie dazu, es ist mehr oder weniger ein Markenzeichen der Philip Marlowe-Geschichte. Die im Idealfall sich sogar selbst aufs Korn nimmt und aus diesem Durcheinander eine ganz eigene Form von Qualität generiert. Dass bei Tote schlafen fest am Ende mehr oder weniger die Figuren selber sagen, dass sie hier überhaupt nicht mehr durchsteigen und es im Detail letztlich sogar völlig egal bleibt, wer hier genau warum was mit wem veranstaltet hat, ist beinah der kongeniale Clou des Films. Was ihn eben auch als so dankbar macht für angesprochene Filme wie The Big Lebowski und Inherent Vice – Natürliche Mängel, die dieses Konzept einfach noch auf die Spitze treiben. Genau genommen ist der Plot von Marlowe gar nicht chaotisch genug, um dieser irrwitzigen Qualität einen angemessenen Tribut zu zollen, aber als durchschnittliche Krimikost mag das grundsätzlich schon in Ordnung sein. Gute Philip Marlowe.-Adaptionen überzeugten dementsprechend aber immer primär durch das Wie und nicht durch das Was, und genau da bleiben Neil Jordan und Drehbuchautor William Monahan (Departed: Unter Feinden) viel schuldig. Das Ganze hat wenig bis gar keinen Hardboiled- und erst recht nicht Film Noir-Flair. Liam Neeson’s Figur besitzt nicht ansatzweise soviel Charisma, Ecken und Kanten wie seine prominenten Vorgänger und der Film erinnert in seinem Look wie Atmosphäre mehr an einen Hochglanz-Werbespot als einen verruchten Krimi der schwarzen Serie. Das wirkt, als hätte jemand seine Hausaufgaben nur schlecht abgeschrieben als sich selbst mit der Materie ernsthaft auseinandergesetzt.
Fazit
Als gelackter 08/15-Krimi von der Stange sicherlich konsumierbar, als legitimer „Nachfolger“ von (teilweise) großen Filmklassikern aber eine herbe Enttäuschung. Personell sogar gar nicht mal schlecht ausgestattet, aber ihre guten Zeiten haben die alle (wenn sie die denn jemals hatten) scheinbar schon lange hinter sich. Kein Wunder, dass dies hierzulande als Prime-Exklusiv Titel ausgewertet wird, zu mehr als das taugt es beim besten Willen nicht. Content für die holen Zahn, wenn mal gerade gar nichts läuft.
Autor: Jacko Kunze