MB-Kritik

Me, We 2022

Drama

Bagher Ahmadi
Verena Altenberger
Farid Atrian
Iulian Burciu
Alan Burgon
Eva Lorenzo
Mehdi Meskar
Lukas Miko
Anton Noori
Thomas Otrok
Benjamin Petrovic
Barbara Romaner
Laurin Saied
Alexandra Schmidt
Alexander Srtschin
Raphael Stojku

Inhalt

Vier Geschichten erzählen über vier Menschen, deren Haltung zu Flucht und Asyl durch die Konfrontation mit der Realität massiv auf die Probe gestellt wird: Marie, eine junge Freiwillige, fährt ans Mittelmeer, um zu helfen. Der halbstarke Marcel gründet einen Geleitschutz für Frauen vor angeblichen übergriffigen Migranten. Die Redakteurin Petra nimmt einen minderjährigen Flüchtling bei sich auf. Und der Asylheimleiter Gerald muss seine Haltung zu einem seiner Schützlinge hinterfragen.

Kritik

Ein Stück geht es David Clay Diaz wie den vier nach außen hin grundverschiedenen Figuren seiner zeitgeistigen Mischung aus Gesellschaftssatire und Drama. Der österreichisch-paraguayische Regisseur und Co-Drehbuchautor will irgendwo das Richtige tun, wenn er das Verhalten und mehr noch die Haltung seiner österreichischen Landsleute gegenüber Geflüchteten seziert und karikiert. Aber vor allem will er dabei gesehen werden und Zuspruch erfahren für einen Einsatz, der längst nicht so altruistisch ist wie er sich darstellt. 

Ähnlich den auf unterschiedliche Art privilegierten Protagonist:innen der vier Episoden, die den verkappten Egoismus hinter ostentativem Engagement aufdecken, geht er dabei weiter als angebracht wäre. Allerdings genau in die entgegengesetzte Richtung von Fernsehredakteurin Petra (Barbara Romaner, Das Glaszimmer), die in dem jungen Wirtschaftsflüchtling Manssur (Mehdi Meskar, Marianne) Kind- und Partnerersatz sucht, Marie (Verena Altenberger, Märzengrund), die auf Lesbos verzweifelt auf ein gekentertes Schlauchboot hofft, oder Dorfprolet Marcel (Alexander Srtschin), der sich als Beschützer österreichischer Frauen vor Ausländern aufspielt. 

Ausgerechnet der Jungnazi steht schlussendlich moralisch am besten da. Ganz anders der implizit schwule Asylheimleiter Gerald (Lukas Miko, Freud), dessen Übergriffigkeit in Sabotage eskaliert. Den einzigen queren Charakter am negativsten darzustellen ist nur einer der problematischen Aspekte der Inszenierung, deren satirischer Schärfe Diaz immer wieder abstumpft. Damit sich die Hobby-Aktivisten aus dem Wohlstandsbürgertum nach Szenen, die das eigene Fehlverhalten unbequem spiegeln, sagen können, dass sie ja doch nicht so schlimm wären. Sind sie aber leider.

Fazit

Obzwar das Quartett sozialsatirischer Episoden in der dramaturgischen Qualität variiert und die Inszenierung mehr zu Plakativität als Originalität tendiert, besticht David Clay Diaz’ zweiter Kinospielfilm mit bissigen Beobachtungen und Momenten pointierter Authentizität. Jedes der überzeugend gespielten Fragmente demaskiert in Ansätzen nicht nur humanitäre Heuchelei und aktivistische Absurditäten, sondern deren Motivation durch Geltungsdrang und reaktionärer Kontrollwut. Doch dramaturgisch und ethisch gleichsam unpassende Versöhnlichkeit nimmt der Farce ihre Spitze und relativiert die Destruktivität der selbstgerechten Samariter-Scharaden.

Autor: Lida Bach
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