When day is over
I climb up the stair,
Take off my dark dress,
Pull down my hair,
Open my window
And look at the stars.
Then my heart breaks through
These prison bars
Of space and darkness
And finds what is true
Up past the stars where
I'm one with you.
Lesbia Harford
Genauso wunderschön und kraftvoll wie dieses Gedicht, das die beiden jungen Protagonistinnen lesen, ist auch der ganze Film. Erfüllt mit teils melancholischen, teils unbeschwerten Bildern von erster Freundschaft und Liebe kreiert der Film eine ganz besondere Atmosphäre. Was könnte typischer für einen Coming of Age-Film sein, als Leid und Freude, die ganz nah beieinander liegen? Die ganze Palette an so unterschiedlichen Gefühlen wird nicht nur erzählt, sondern auch gezeigt. Die Regisseurin Katie Found (The Widow) fängt die Sonnenstrahlen ein, die durch die dunklen Bäume hindurchschimmern und es ist ganz sicher kein Zufall, sondern pure Absicht. Claudia (Markella Kavenagh, Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht) trauert um ihre Mutter (Edwina Wre, Macbeth) und ihre Gefühlswelt ist voller Schuldgefühle und Dunkelheit, doch inmitten dieser ganzen Dunkelheit erscheint Grace (Maiah Stewardson, Girl Asleep) wie die Sonne, die sich hinter den dunklen Bäumen hindurchschlängelt und dank ihrer Wärme Claudia zum Strahlen bringt.
Katie Fond hat einen ganz besonderen Blick auf die Schönheit der Natur: die singenden Vögel, die farbenprächtigen Blumen, die Apfelbäume und der See, einfach alles wird so inszeniert, als würde man es durch die Augen der beiden Protagonistinnen sehen. Als würde man sich die Welt mit dem unverfälschten Blick eines Kindes ansehen, das sich an der Natur erfreut und zum allerersten Mal für sich Freundschaft und Liebe entdeckt. Wer sich noch an seine eigene Kindheit erinnert, der weiß genau, dass es nichts Schöneres gibt als die erste Freundschaft. So chaotisch, neu, frei und bunt, wie die erste Freundschaft oder auch die erste Liebe wird es nie wieder sein. Deswegen ist es großartig, wie authentisch der Blick der Regisseurin auf diesen ersten Sommer ist, in dem Claudia zum allerersten Mal erfährt, was es wirklich heißt, frei zu sein und endlich all das zu fühlen, was sie zuvor nicht fühlen durfte.
"Das Entdecken der Welt durch einen Teenager" wird durch den Plot noch mehr hervorgehoben, weil Claudias Mutter sie vor ihrem Tod vor der „bösen Welt“ abgeschirmt hat, um sie zu beschützen. Im Grunde tun es alle Eltern auf die eine oder andere Art, doch mit der zugespitzten Darstellung schafft man es, die Freuden der ersten Male noch mehr hervorzuheben. Hinzu kommt noch die ausgezeichnete Chemie, die zwischen den beiden Schauspielerinnen herrscht, als wären sie in Wirklichkeit zwei Mädchen, die sich anfreunden und schließlich mehr füreinander empfinden. Beide Darstellerinnen sind unglaublich natürlich und schaffen es, die Rollen der 16-jährigen Mädchen wunderbar zu spielen, auch wenn sie beide zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits 20 und 22 Jahre alt waren. In jeder einzelnen Szene harmonieren sie fantastisch miteinander und alle Szenen, in denen sie sich näher kommen, sind erfüllt von Anmut und Authentizität. Genauso sollte man die Liebesszenen zwischen zwei Protagonistinnen drehen, ohne den pornografischen Blick, den die männlichen Regisseure häufig auf ihre Darstellerinnen haben. Mein erster Sommer ist einfach nur echt, wunderschön und poetisch.