Inhalt
Pepe ist Holzfäller in einer idyllischen Kleinstadt im Norden Finnlands. Bis eine geheimnisvollen Verkettung tragischer Ereignisse sein bis dahin ruhiges und glückliches Leben erschüttert. Während sich Chaos, Streit und surreale Abenteuern um ihn herum ausbreiten, begegnet er allen Herausforderungen mit seltsamer Gleichmut, fest entschlossen, die positive Seite des Lebens zu sehen. Stets lächelnd, stets optimistisch. Als wüsste er von einem Geheimnis, das niemand sonst kennt...
Kritik
Eingebettet in ein winterliches Panorama rückt ein fröhliches Dörfchen seinem Ende nahe. Transport- und Produktionsmaschinen werden stillgelegt und der Verkauf von Bauholz eingestellt. Gefällt werden nunmehr keine Bäume, sondern Lebensvorstellungen und andere Pläne, die den Mikrokosmos der kleinen finnischen Ortschaft aus seiner friedlichen Ordnung reißen. Denn so gelassen über die Veränderungen hinwegsehen wie Pepe, dessen Geschichte sich Mikko Myllylahti (Drehbuch zu Der Glücklichste Tag im Leben des Olli Mäki) in seinem schwarzhumorigen Spielfilmdebüt vorrangig annimmt, kann in dem verschneiten, nur scheinbaren Idyll nicht jeder.
Dass die unter schneebedeckter Oberfläche brodelnden Konflikte so manches Eskalationspotential bergen, liegt früh in der eisigen Winterluft. Bis sie die Lethargie des Dorfes endgültig durchbrechen, vergeht etwa ein Drittel des Drama und Groteske vermengenden Spielfilms, der die Gelassenheit seiner Hauptfigur und die der Erzählung mit jeder weiteren Spielminute herausfordert. Gewissenhaft reihen sich skurrile Alltagsepisoden aneinander, in denen sich die kauzigen und oft zurückhaltend gespielten Bewohner*innen unterhalten, verärgern, Karten spielen und sich manchmal bis an den Rand existentialistischer Abgründe philosophieren.
Wohin die Entwicklungen gehen, kann selbst der verheißungsvolle Chorgesang zu Beginn nicht vermuten lassen. Ist die Winterruhe einmal aufgebrochen, häufen sich surreale Züge, die Regiepräferenzen des Regisseurs, Tarkovsky, Lynch oder auch Buñuel zaghaft streifen. Deren Schaffen steht jedoch nur oberflächlich Pate für das eigenwillige Erstlingswerk, auch weil Die Geschichte vom Holzfäller trotz komprimierter Laufzeit in seiner Erzählung zerfasert. Stets durchsetzt von lakonischem Witz löst sich der Film in seiner zweiten Hälfte zusehends von der bodenständigen und stringenten Ausgangserzählung, bis er in (alp-)traumhafte Richtungen abdriftet, die ebenfalls Erinnerungen an die Werke des schwedischen Regiekollegen Roy Andersson (Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach) wach werden lassen.
Wie die Menschen mit ihren Schneeanzügen als Farbtupfer in der verschneiten Landschaft sitzen, stechen einzelne Emotionen aus den überwiegend verschlossenen und distanziert eingefangenen Ereignissen heraus. Inmitten regungsarmer Körperhaltungen und einfach gestrickter Dialoge setzen allen voran Gefühlsausbrüche Akzente in die finnische Genremixtur. So gesetzt wie deren häufig ruhevolle Bildkompositionen das verschlafene Dörfchen porträtieren, so rissig ist die Stringenz der Erzählung, die durch die Themen- und Stimmungsvielfalt Fokusse umspielt und Szenerien allenfalls motivisch verknüpft: vom Perspektivverlust eines Sägewerkes bishin zur persönlichen, übersinnlichen Erfahrung.
Fazit
Eisgekühltes finnisches Skurrilitätenkabinett. Grenzen diverser Genre abtastend, schweift „Die Geschichte vom Holzfäller“ nicht nur in der Geschichte eines Holzarbeiters, sondern auch in surrealen Schlenkern. Nicht nur die Straßen und Landschaften des Örtchens, auch der Biss und Witz des schwarzhumorigen Debütfilms scheinen dabei gelegentlich im tiefen Schnee zu versinken.
Autor: Paul Seidel