Inhalt
Beim Säubern von Atomreaktoren sind französische Arbeiter*innen starker Strahlung ausgesetzt. In beeindruckenden Bildern porträtiert der Film die in Wohnwagen von AKW zu AKW reisenden „Atomnomaden“, die im Namen der Zukunft ihre Gesundheit aufs Spiel setzen.
Kritik
Richtig hell wird es niemals. Selbst wenn die Sonne scheint, liegt ein grauer Schleier über der windgepeitschten Landschaft, die meist grau und abweisend am Autofenster vorbei rauscht. Die Witterung wird zum beiläufigen Gleichnis des rauen ökonomischen Klimas, das Florian, Marie-Lou, Florian, Jérôme und Vincent nicht zur Ruhe kommen lässt. Als Leiharbeitenden sind die Vier immer unterwegs, pendeln von einem Job zum nächsten. Wohin sie auch blicken, die Aussichten sind trübe.
Vor ihnen auf der Landstraße, wo sie nachts mit dem Wohnmobil Strecke machen, ist nur Dunkelheit. Und wenn sich darin etwas abzeichnet, sind es die Reaktoren. Zwillinge der gleichen Energiekraftwerke, die hinter ihnen liegen, nur an einem anderen Ort, Hunderte Kilometer weit weg. Aber wer viel zwischen den Atomkraftwerken hin- und herreist, kriegt einen Reiseaufschlag. Also leben Menschen wie die Titelprotagonisten auf Parkplätzen oder Camping-Anlagen, die für sie errichtet wurden.
Wer sonst will am Fuße eines Reaktors campen? Nomaden des 21. Jahrhunderts wie die, denen Kilian Armando Friedrich und Tizian Stromp Zargari in ihrer düsteren Doku folgen, führen mittlerweile 80 Prozent der Wartungsarbeiten für Frankreichs neoliberalisierten Nuklearsektors aus. Manche hoffen vergeblich auf eine Festanstellung, andere sparen auf eine bessere Zukunft. Doch die machen nicht nur ökonomische Faktoren fraglich. Die Reaktor-Reisenden wissen um Grenzwerte und Strahlendosis - und um die eigene Austauschbarkeit.
Fazit
Immer wieder schwenken Kilian Armando Friedrich und Tizian Stromp Zargari die Kamera zu den bedrohlich qualmenden Reaktoren, in denen die Gesundheit und Gegenwart der Lohnarbeiter:innen verglüht. Albtraumhafte Allegorik und rauer Realismus verschmelzen zu einer deprimierenden Detour entlang der Abwege des Energiesektors. Hier hausen die einen getrennt von ihren Familien in Campern, damit andere es warm haben. Die Regisseure bleiben distanzierte Beobachter. Doch ihr finsteres Fazit bezeugt den wachen Blick.
Autor: Lida Bach