MB-Kritik

Wandering Bird 2023

Short

Guillaume Fooy
Ilias Largo

Inhalt

Eine Leiche treibt auf dem Wasser. Ein merkwürdiger Vogel ruft, und Erinnerungen werden wieder lebendig. „Wo warst du, als ich verzweifelt war?“, fragt der Freund.

Kritik

Früher gab es mehr Wasser, erzählt einer der jugendlichen Protagonisten (Ilias Largo) Victor Dupuis subtiler Spukgeschichte dem anderen (Guillaume Fooy). Früher, als sie beide schon hier am Ufer saßen, ging das Wasser bis hinauf zu den Bäumen. Den alten Flussverlauf markieren noch Borke-Verfärbungen gleich einer weißen Linie; ein bizarres Grabmal, gesetzt von der Natur für ein Gewässer. Nicht nur das ist in dem verschlüsselten Szenario verflossen, auch ein kurzes Leben.

Auf dem Fluss treibt ein Leichnam, der den einen der zwei Charaktere sichtlich verstört. Aber dennoch verharrt er an dem idyllischen Waldschauplatz, zwischen rauschenden Blättern und Vogelstimmen. Letzte nimmt er mit einem Rekorder auf. Ein Echo der Natur, deren Vergänglichkeit das Wissen um den verwesenden Körper nahebei beklemmend deutlich macht. Die Frage nach seiner Identität und der Todesursache löst sich in der melancholischen Moritat ganz nebenbei - die existenzialistischen Rätsel bleiben. 

Fazit

Der Tod hat Victor Dupuis allegorischer Abschiedsgeschichte nichts Erschreckendes. Er ist wortwörtlich Teil der Natur, deren Entfremdung ein Grund der indoktrinierten Angst vor dem Ende ist. Diese auf die Selbstbestimmung ausgedehnte moralische Wertfreiheit erweitert die stille Inszenierung um eine sozialkritische Ebene, ohne deren leise Poesie aufzubrechen. Die zentralen Motive Schuldgefühle, Trauer und Verlustschmerz erinnern daran, was Geistererscheinungen der Toten wirklich sind: lebendig gewordene Erinnerungen, die niemanden ins Leben zurückholen können.

Autor: Lida Bach
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