Stanley Kubrick. Bei dem Klang des Namens leuchten die Augen vieler (hoffentlich aller) Filmfans auf, für viele ist er groß, für einige einer der Besten und für manche ist er heute noch unerreicht in seinem Können, das Film-Medium zu bereichern und die Beteiligten an seinen Filmen zu Höchstleistungen zu treiben. Hier bei „Wege zum Ruhm“ aus dem Jahr 1957 steht Kubrick unmittelbar am Anfang seiner Karriere, die ab diesem Film bis zu seinem Tod 1999 ein einziger Höhenflug war. Nichts und niemand konnte ihm was anhaben, mit Warner schloss der Mann einen einzigartigen Deal ab, der ihm sogar Anteile an den DVD-Verkäufen zusprach - er war und ist ein wichtiger Mann. Für die Kunst und die Studios. Den Anfang der beispiellosen Arbeitsphase des gebürtigen New Yorkers machte er mit diesem Antikriegsfilm im Alter von nur 29 Jahren.
Irgendeine geheime Zutat macht die Filme von Kubrick stets zu etwas Besonderem. Losgelöst von der technischen Perfektion und der bedeutungsvollen und memorablen Symbolik, die man in der Analyse seiner Werke ja recht schnell erkennt und behandeln kann, gibt es noch eine Komponente, die seine Werke herausstechen lassen. Selbst wenn man nichts über den Film weiß; man erkennt und spürt, dass es sich um ein Werk von Kubrick handeln muss. Da ist einfach stets eine gewisse Energie vorhanden. So auch schon durchaus in „Wege zum Ruhm“, der gewissermaßen dank des beherzten Einsatzes von Kirk Douglas entstanden ist. Bevor er zugesagt hat und den Film von seiner Firma produzieren ließ, war nämlich niemand bereit diesen Antikriegsfilm zu produzieren. Das könnte daran liegen, dass der Film eine deutliche Kritik an der Todesstrafe darstellt - und das knapp 20 Jahre bevor diese in Amerika erst kontrovers diskutiert wurde.
Kubrick beweist hier also einmal mehr eine enorme Weitsicht, ein starkes Gefühl für die richtige Umgangsform und diesen gewissen bitteren Witz, den er ein paar Jahre später mit „Dr. Seltsam, oder: Wie ich lernt die Bombe zu lieben“ perfektionieren sollte. Doch schon in diesem Film sieht man die Kraft und den Einfluss, den Kubricks Bilder haben konnten. Der General, der durch den Schützengraben läuft und von den um ihn herum einschlagenden Bomben nur insofern Notiz nimmt, dass er sich die versprengte Erde routiniert von dem Mantel wischt, erinnert doch schon sehr an den von Robert Duvall gespielten Lt. General Bill Kilgore aus „Apocalypse Now“. Nur auf eine seichtere Art. Und dennoch wäre ein Vergleich der beiden Filme unangebracht, auch wenn sie oft als herausragende Beispiele des Antikriegs-Filmes herangezogen werden. „Wege zum Ruhm“ aber liegt nicht viel daran, Kampfhandlungen zu zeigen und das Grauen auf dem Schlachtfeld zu bebildern - schließlich, das darf man nicht vergessen, ging der Vietnam-Grusel erst Anfang/ Mitte der 60er los. Nein, Kubrick ging es in diesem Film primär um die eingerosteten und teils absurden hierarchischen Bedingungen im Militär (speziell im Krieg) und um die Todesstrafe als politisches Instrument.
Die französischen Truppen sind an der mehrere Hundert Kilometer langen Frontgrenze in ihren Schützengräben und sollen, angeführt von Colonel Dax (Kirk Douglas), ohne Verstärkung einen schnellen Angriff auf die Schützengräben der Deutschen durchführen - de facto ein Selbstmordkommando. In der Nacht zuvor werden drei französische Soldaten zur Exkursion vorgeschickt und beobachten das Feld, das ihren Posten von dem der Deutschen trennt. Später wird dieser Platz noch als „Niemandsland“ tituliert. Ein Soldat rennt vor um bessere Sicht zu haben und wird im Licht der deutschen Leuchtraketen entdeckt. Die Raketen erhellen für ein paar Sekunden das Niemandsland und bringen all die Leichen und das Elend hervor, die zuvor noch im Schutz der Dunkelheit nicht zu sehen waren. Der Leuchtpunkt sinkt langsam zurück gen Erde und versinkt schließlich hinter einer Anhöhe, während Maschinengewehrsalven die Stille durchbrechen. Das Licht des Verstandes und der Menschlichkeit hat versagt, ist verschwunden und vergessen. Im Niemandsland gibt es keine Dimensionen. Der Raum spielt keine Rolle und die Zeit, die ohnehin schon relativ ist, verliert hier jeglichen Wert. Es ist der Vorhof des Nichts.
Mit Gebrüll rennen bzw. stolpern die Soldaten über das Niemandsland in das Verderben der Menschheit. Brüllen sie aus Hass, aus Adrenalin, als Einschüchterung oder aus Furcht und Schüchternheit? Man kann es nicht mit Bestimmtheit sagen, die Soldaten wissen es wahrscheinlich selbst nicht. In diesem Ort ohne Sinn oder Grund fordern die Vorgesetzten nicht weniger als das Ablegen jeglicher Menschlichkeit, was von den meisten auch noch akzeptiert wird. Später werden drei Soldaten aus Dax’ Regiment wegen „Feigheit vor dem Feinde“ verklagt und („im Namen des Volkes“) zum Tode durch Exekution verurteilt. Das Niemandsland ist vor der eigenen Haustür angekommen. Einer der Angeklagten ist bei der Vollstreckung der Anklage derart krank, dass er bewusstlos an einer Liege festgeschnallt und mit dieser Liege an den Pfahl gebunden wird. Es sind groteske Bilder wie diese, die Kubrick hier ungemein nüchtern einfängt und für sich stehen lässt. Ihm geht es nicht um Pathos und eine patriotische Ansage für mehr Menschlichkeit. Es geht ihm um eine zutiefst ernste Auseinandersetzung mit menschlichen Werten und dem nicht erkennbaren Grund, weshalb diese im Militär nicht existieren sollten.