“This story is neither an accusation nor a confession, and least of all an adventure, for death is not an adventure to those who stand face to face with it.” Unmissverständlich macht Regisseur Lewis Milestone (Meuterei auf der Bounty) mit dieser Titelkarte zu Beginn von Im Westen nichts Neues klar, welche Haltung der vielleicht erste Klassiker seines Genres zum Ausdruck bringt. Eine Position zwischen den Fronten, eine Position, die keine Nation zum Feind hat, sondern nur den Krieg selbst. Dieses eigensinnige Ungetüm, das sich in unstillbarer Gier nach Blut und Zerstörung sehnt und dabei ebenjene bestraft, die am wenigsten dafürkönnen. Nur gute zehn Jahre nach Ende des ersten Weltkriegs erschien Erich Maria Remarque (Der letzte Akt) erschütternder Roman Im Westen nichts Neues, der in niederschmetternder Sachlichkeit nicht nur die thematisierten Ereignisse ad absurdum führt, sondern gleichsam die noch schmerzlichere Wiederholung der selbigen vorwegnimmt.
Seine Wirkung war dermaßen weitreichend, dass bereits 1930 eine filmische Adaption umgesetzt wurde. An der Grenze zwischen Stumm- und Tonfilm verschafft sich Milestones stilprägendes Werk seinen Platz in der Filmgeschichte - ein Umstand, der sich auf den fertigen Film niederschlagen sollte. Mit Preisen, darunter auch zwei Oscars, überhäuft, avancierte er schnell zu einem Phänomen, das nicht überall willkommen war. Es fällt nicht schwer Gründe dafür zu finden, warum sich vor allem die NSDAP vehement gegen den Film ausgesprochen hat - seine Wirkung und seinen Standpunkt unterstreicht dieses Vorgehen nur zusätzlich. Erzählt wird die Geschichte des Gymnasiasten Paul (Lew Ayres) und seiner Mitschüler, die angespornt von ihrem Lehrer direkt vom Klassenzimmer an die Front wechseln und alsbald von den Wirrungen des Krieges überrascht werden.
Seinen Rhythmus passt Im Westen nichts Neues daher auch direkt seinen Hauptfiguren an. Im Eiltempo wird die Uniform an den Leib geschnallt, in freudiger Erwartung ausgerückt. Weder dem Film, noch seinen Protagonisten kann es schnell genug gehen und auch die Grundausbildung begreifen beide als notwendiges Übel. An der Front angekommen verlangsamt der Film sein Tempo zusehends, verfällt in eine angespannte Ruhe, die sich so auch direkt auf den Betrachter überträgt. Vorbei sind die naiven Vorstellungen der jungen Soldaten, was nun auf sie wartet ist einzig und allein der Tod. Gerade das Verweilen, die stetige Anspannung und das Verharren im Schützengraben wird zur unerträglichen Tortur und schnell muss auch der begeistertste Soldat einsehen, dass nichts Heldenhaftes daran ist, hungrig im Dreck zu liegen und angsterfüllt für sein Vaterland zu sterben.
Dadurch fungiert Im Westen nichts Neues auch als Blaupause für zahlreiche Werke, die noch folgen sollten. Nur wenigen davon ist es so eindringlich gelungen wie Milestone, die Torturen an der Front spürbar und die Sinnlosigkeit des Krieges erfahrbar zu machen. Zu keinem Zeitpunkt findet er etwas Erbauliches daran, mit seinem Leben für etwas einzutreten, was für den Einzelnen belanglos scheint. Mehr als einmal wird deutlich, dass es sich bei den Opfern des Krieges nie um die Auslöser selbst handelt. An der Front gibt es kein Richtig oder Falsch, kein Gut und Böse – nicht einmal ein Vorn und Hinten. Im Angesicht des Todes gibt es weder Heldentat noch Taktik, überstehen kann nur derjenige, der sich einen Funken Menschlichkeit erhält.
Gleichsam inhaltlich wie formal arbeitet Milestone diesen Punkt heraus. Im Krieg sind alle Menschen gleich und so erlauben es die atmosphärisch dichten schwarz-weiß Bilder oftmals gar nicht, Freund und Feind voneinander zu unterscheiden. Desillusioniert werden die Bande zur Heimat gekappt und durch Freundschaften an der Front ersetzt. Nach dem Krieg verläuft die Grenze nicht länger zwischen den verschiedenen Ländern, sondern nur noch zwischen denen, die an der Front waren und dem Rest der Gesellschaft. Ein Heimaturlaub nimmt vorweg, wie unmöglich ein normales Leben scheint. Der Krieg hinterlässt seine Spuren, sowohl äußerlich als auch innerlich, und scheint zur einzigen (Lebens)-Realität geworden zu sein. Ob tot oder lebendig, verloren sind sie alle. Gewinnen kann nur, wer den Krieg erst gar nicht zulässt.