Inhalt
Der erfolgreiche Filmregisseur Peter von Kant lebt mit seinem Assistenten Karl zusammen, den er jedoch fortwährend misshandelt und demütigt. Über Sidonie, eine hoch angesehene Schauspielerin, die viele Jahre lang seine Muse war, lernt Peter Amir kennen und verliebt sich auf der Stelle in den jungen Mann aus bescheidenen Verhältnissen. Er bietet Amir an, die Wohnung mit ihm zu teilen, und will ihm zum Durchbruch beim Film verhelfen.
Kritik
Es wäre leicht, François Ozons (Sommer 85) Kostüm-Kammerspiel als typischen Eröffnungsfilm einer nicht ganz typischen Berlinale zu betrachten und in gewisser Weise ist die Neuverfilmung frei nach Rainer Werner FassbindersDie Bitteren Tränen der Petra von Kant das auch. Ein stylisches Schaustück, inszeniert von einem Dauergast des Wettbewerbs mit ikonischen Darstellerinnen, gerade soviel seichter Erotik, wie es US-Gäste von europäischen Arthouse-Anwärtern erwarten, und schwulen Klischees, die unanfechtbar dastehen, weil ein schwuler Regisseur sie bestätigt.
Zusammengefasst, cineastischer Konservativismus, zurechtgemacht und eingerahmt, um den Sehgewohnheiten des Bildungsbürgertums zu schmeicheln. Zugleich verkörpert die von queeren film- und kunstgeschichtlichen Referenzen geradezu überquellende Stilisierung einer sadomasochistischen Ménage-à-trois geradezu quintessenziell, wie das Festival toxische Aspekte des kanonischen Kinos konserviert und verklärt. So ist der Haupt- und Titelcharakter (Denis Ménochet, Der Mauretanier) egomanischer Wiedergänger Fassbinders, einem der zahllosen männlichen Filmschaffenden, dessen Missbrauch und Manipulation als Genie idealisiert und als notweniger Teil ihres künstlerischen Schaffensprozesses legitimiert werden.
Der exzentrische Regisseur, dessen Apartment nahezu einziger Schauplatz bleibt, ist Opfer des jungen Amir (Khalil Ben Gharbia), den Dank von Kant zu Ruhm gelangt. Von Kants an El Hedi ben Salem angelehnten Geliebten macht die Kamera zum Objekt eines kolonialistischen Blicks, bestimmt von Sexualisierung, Dämonisierung und Feminisierung. Letzte ist deutlich negativ besetzt in einer Handlung, die Frauen nur als schrilles Stereotyp der Mutter (Fassbinder-Stammdarstellerin Hanna Schygulla, Alles ist gut gegangen), Muse (Isabelle Adjani, Die Welt gehört dir) und Tochter (Aminthe Audiard, Balthazar) kennt.
Fazit
Unter der zentimeterdicken Maske überspitzter Melodramatik, selbstreferenziellen Sentiments und homoerotischer Hommage ist François Ozons Nachverfilmung Fassbinders dekadenten Klassikers eine dekorativ arrangierte Ansammlung müder Klischees, chauvinistischen Künstlerkults und diskriminierender Vorurteile. Das um den pathetisch agierenden Hauptdarsteller aufgebaute Ensemble überzeugender Schauspielgrößen und talentierter Jungdarsteller*innen verleiht dem theatralischen Exposé etwas Klasse. Handwerkliche Qualitäten sowie opulente Kulissen und Garderobe bringen ambivalenten Glanz in den problematischen Eröffnungsfilm. Der zeig exemplarisch die kreativen Auswirkungen der Fortschrittsresistenz eins innerlich faulenden Festivals.
Autor: Lida Bach