Inhalt
Bella Baxter (Stone), eine junge Frau, die vom brillanten und unorthodoxen Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) wieder zum Leben erweckt wurde. Unter Baxters Schutz ist Bella lernbegierig. Hungrig nach der Weltlichkeit, die ihr fehlt, macht sich Bella mit Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo), einem aalglatten und ausschweifenden Anwalt, auf den Weg zu einem stürmischen Abenteuer über die Kontinente. Frei von den Vorurteilen ihrer Zeit wächst Bella standhaft in ihrem Ziel, für Gleichheit und Befreiung einzutreten.
Kritik
Sie ist tatsächlich ein armes Wesen, die von Emma Stone (Cruella) furios verkörperte Bella Baxter. Eine Urahnin im Geiste der Kreatur aus Mary Shellys Frankenstein, die drei Männer auf unterschiedliche Weise nach dem eigenen Wunschbild formen wollen - sowohl vor als auch hinter der Kamera. Diese bezeichnende Doppelung des Kernmotivs ist der faszinierendste Aspekt Yorgos Lanthimos (Nimic) geschliffener Gothic-Groteske. Die führt die männliche Besessenheit, Frauen körperlich, intellektuell, emotional und sexuell zu kontrollieren, erst vor und dann ad absurdum.
Der Regisseur und sein Drehbuchautor Tony McNamara (The Great) erwecken eine schillernde Retro-(Sur)Realität voll schwarzromantischer Steampunk-Details zum Leben, wie Willem Dafoes (AND) "God“win die mit dem Hirn ihres Embryos ausgestattete Bella, die statt Godwins ehrgeizigen Assistenten Max McCandles (Ramy Youssef, Mo) zu ehelichen lieber mit Lebemann Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo, Mickey 17) auf erotische Entdeckungsreise geht. In Holly Waddingtons oscarreife Kostümen, die Issey Miyakes bauschige Plissee-Roben mit New Dandy Looks kombinieren, brüskiert und verführt Bella die vornehme Gesellschaft.
Ihre geistige, verbale und sexuelle Freimütigkeit lassen sie kapitelweise die Welt in ihrer Widersprüchlichkeit und Widerwärtigkeit erfahren, erfühlen und erkennen. Wissen kommt in der spöttischen Sektion sittlicher Scheinheiligkeit durch straighten Sex. Während Bella in der paradoxen Persiflage autark auftritt, bleibt sie durch die laszive Präsentation und serielle Sexszenen stets ein Objekt des männlichen Blicks. Seine Aneignung der weiblichen Perspektive macht den ebenso zeitgemäßen wie zwiespältigen Löwen-Kandidaten zum pseudo-feministischen Pendant jener Hybris, die er genüsslich parodiert.
Fazit
Der viktorianische Futurismus der Settings und Kamerabilder, die zwischen der Schwarz-Weiß-Optik klassichen Hollywood-Horrors und der barocken Farbintensität des Giallo wechseln, spiegeln auf visuell berauschende Weise die inhaltliche Ambiguität Yorgos Lanthimos preisverdächtigen Publikumslieblings. So interessant dessen auf Alasdair Grays titelgebendem Roman basierende Auseinandersetzung mit der Infantilisierung und Bevormundung von Frauen seitens männlicher Autorität ist, so unangenehm sind die Kindlichkeit sexualisierenden und pseudo-feministischen Untertöne. Das satirische Skalpell ist hier so scharf, dass es ins eigene Fleisch schneidet.
Autor: Lida Bach