MB-Kritik

Republic 2023

Music

Li Bai
Li Eryang

Inhalt

Einen privaten Mikro-Klub mit Hochbett für die Liebe und feiner Musik hat Eryang aus seiner Beijinger Gruft gemacht. Null Platz – viel Zeit, leidenschaftlich und psychodelisch totgeschlagen. Man trinkt und sinniert: über Geld, Kosmos und Kommunismus.

Kritik

Du hast ein interessant eingerichtetes Apartment“, sinniert ein älterer Mann und mustert die buchstäblich bis unter die Decke vollgestopfte Behausung, für die „Apartment“ eine sehr euphemistische Bezeichnung ist. Der lapidare Kommentar wäre auch eine passende Zusammenfassung Jiang Jins (One Day) drittem Dokumentarfilm in Spielfilm-Länge. Jene ist spürbar zu viel für ein Werk, dessen Fokus, Inhalt und Aussagekraft so eingeschränkt sind wie die Wohnzustände des jungen Protagonisten. 

Er könnte sogar auf einer Stecknadel zufrieden sein, sagt Eryang einmal. Weit davon entfernt ist er nicht mit seinen sechs Quadratmetern, ergänzt durch eine Hochebene zum Schlafen. Ob er die mit Büchern, Gebrauchsutensilien, Musikinstrumenten, einem PC und fast permanent anderen jungen Menschen angefüllte Wohnung je verlässt, verrät das ohne ergänzenden Kommentar, persönlichen Kontext und rahmende Struktur präsentierte Porträt nicht. Die Kamera jedenfalls tut es nicht. 

Der in dem klaustrophobischen Kommunen-Raum unsichtbare Regisseur scheint ein Gast wie die anderen Mitglieder dieses zellenartigen Freiraums namens Republic. Mit einer kuriosen Mischung aus Ironie und Ikonographie benannt nach der chinesischen Heimat des philosophierenden, parlierenden und phantasierenden Hauptcharakters, der nie seine Tür verschließt (was zum Besuch des alten Herren führt), Mao für dessen Furchtlosigkeit bewundert und gern Boby Dylan hört. Aber hey, interessant eingerichtetes Apartment. 

Fazit

Womöglich war Jiang Jin selbst einer der Passanten, die durch Zufall in den Schauplatz seines dokumentarischen Porträts hineinspazieren, sich ein paar mal umschauen und wieder gehen. Denn wirklich Sehenswertes passiert hier nicht. Es wird geredet, geraucht, gegessen, gestritten, Gitarre gespielt und gesungen. Wenn eine Jugendliche sorgenvoll von wachsenden Kreditschulden berichtet, ist das der einzige tiefere Einblick in eine noch beengtere Lebensrealität jenseits der buntbemalten Wände. 

Autor: Lida Bach
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