Mit Ben Hur wurde Regisseur William Wyler 1959 endgültig zur Legende. Bis heute wurde dessen Trophäen-Rekord bei den Academy Awards (11 Auszeichnungen) lediglich von Titanic und Der Herr der Ringe – Die Rückkehr des Königs eingestellt, übertrumpft bis heute nicht. Zu Wyler’s ersten großen Erfolgen zählt Sackgasse, der 1938 auf vier Oscar-Nominierungen kam, u.a. als Bester Film, am Ende jedoch leer ausging.
Beruhend auf dem (im Original natürlich) gleichnamigen Bühnenstück Dead End wird das Leben an der Lower East Side von New York Mitte der 30er Jahre skizziert. Für die meisten Menschen hier ist das Leben ein einziger, trostloser Überlebenskampf. Wir befinden uns mitten in der großen Depression, der legendäre Wall Street-Crash und dessen Folgen sind immer noch spürbar. Fast pervers mutet es an, das nun die elitäre Oberschicht dieses Viertel für sich entdeckt hat. Inmitten von Armut und Perspektivlosigkeit entstehen Luxus-Appartements, mit Ausblick auf den schmutzigen East River und das Gesindel, das sich an seinen Ufern Tag für Tag höchstens am Existenzminimum irgendwie über Wasser hält. Streng getrennt durch hohen Mauern und wachsames Personal, trotzdem prallen natürlich zwei völlig aneinander vorbeilebende Welten aufeinander. Die berühmte Schere zwischen Arm und Reich ist in diesen Zeiten eher ein überdehnter Kreis, dessen Enden sich ohne Puffer treffen. Eine klassische Mittelschicht gibt es nicht, zumindest nicht hier. Entweder du hast alles oder gar nichts. Konfliktpotenzial vorprogrammiert. Besonders, wenn nun noch der heimische Gangster Baby Face Martin (Humphrey Bogart, Casablanca) als verlorener, aber nicht vermisster sondern staatlich gesuchter Sohn zurückkehrt.
Sackgasse erzählt nicht eine Geschichte aus dem buchstäblichen Dead End der Gesellschaft, er erzählt mehr oder weniger alle. Und damit dann doch die eine. Denn letztlich laufen alle Beteiligten immer wieder gegen die gleiche Wand, auch wenn sie sich für andere Wege entscheiden. Es gibt Menschen wie Baby Face, die durch das Verbrechen den Absprung geschafft haben, ihre Seele verkauften und nun zurückgekehrt sind, nur um erschrocken zu sehen wie sich andere ihrem Schicksal ergeben habe, auf den Tod warten oder ihren Körper anbieten, wie seine Mutter und die ehemalige Geliebte. Es gibt unerschütterliche Kämpferinnen wie Drina (Sylvia Sidney, Sabotage), die hart schuftet und den zurzeit den riskanten Weg des Streiks bestreitet, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Es gibt ihren kleinen Bruder Tommy (Billy Halop, Chicago), der massiv droht auf die schiefe Bahn zu kommen, welches andere Ziel kann eine Junge dieser Tage auch haben? Und es gibt Menschen wie Dave (Joel McCrea, Graf Zaroff – Genie des Bösen), der sich gegen alle Widerstände eine gute Bildung erkämpft hat und trotz abgeschlossenem Architektur-Studiums nur als Gelegenheits-Arbeiter weiterhin in einer Kakerlaken-verseuchten Bruchbude haust. Alle Wege führen nach Rom…oder in diesem Fall gar keiner.
Obwohl William Wyler bemüht ist die Mittel des modernen Kinos zu nutzen, was sich speziell im „vorgezogenen Showdown“ zwischen Gut und Böse über den Dächern der Slums prägnant äußert und spätestens hier als Vorbote des später folgenden Film noir zu definieren ist, seine Bühnenherkunft kann er unmöglich verleugnen. Die Kulissen (in spartanischer Form), die Auf-und Abgänge der Figuren sind problemlos so auch auf dem Theaterparkett ausführbar. Was nicht weiter tragisch ist, denn Sackgasse ist erstens dennoch für seinen Jahrgang technisch äußerst versiert vorgetragen und zweitens sowieso ein Werk, der von seinem Inhalt, dem aktuellen Zeitbezug lebt und das große, soziale Dilemma der ausgehende 30er treffend formuliert. Jede Figur in diesem Film ist unzufrieden mit der Situation, obwohl sie alle einen ganz eigenen Weg suchen oder vermeidlich gefunden haben um ihr zu entfliehen, schlussendlich stranden sie alle wieder im Dead End. Sehr versöhnlich gibt Wyler am Ende eine Perspektive auf, das Ehrlichkeit, Charakterstärke und Demut ein Ausweg sein kann, was natürlich etwas naiv gedacht ist, gerade da das vorher Gezeigte eben das als Träumerei desillusioniert. Aber gerade als es vielen potenzieller Zuschauer nicht unbedingt besser ging (oder manche das Leben da draußen eventuell mit anderen Augen sehen könnten), ist das nicht die schlechteste zu transportierende Botschaft.