3.5

MB-Kritik

Shahada 2010

Drama – Germany

3.5

Carlo Ljubek
Jerry Hoffmann
Maryam Zaree
Marija Škaričić
Sergej Moya
Vedat Erincin
Anne Ratte-Polle
Nora Rim Abdel-Maksoud
Burak Yigit
Yolette Thomas
Alexandros Gehrckens
Nizam Namidar
Gerdy Zint
Ivan Anderson
Javeh Asefdjah
Cathy Mpudi

Inhalt

Die lebenslustige und sehr westlich orientierte Maryam ist Vedats Tochter, deren Leben zwischen Partys und Männerbekanntschaften aus den Fugen gerät, als sie ungewollt schwanger wird.Der Nigerianer Samir erkennt, dass er seinem Arbeitskollegen Daniel mehr als nur einen guten Freund sieht. Für Samir, dem streng gläubigen Muslim, steht plötzlich sehr viel auf dem Spiel.Ismail, ein türkischstämmiger Polizist und Familienvater aus der Mitte der deutschen Gesellschaft, begegnet bei einem Einsatz der Bosnierin Leyla - der Frau, die vor drei Jahren von einem Querschläger aus seiner Waffe lebensgefährlich verletzt wurde. Ismails heile Welt gerät durch dieses Wiedersehen völlig aus den Fugen.

Kritik

Burhan Qurbani will viel in seinem Spielfilmdebüt, das es 2010 prompt in den Wettbewerb der Berlinale schaffte. In einer der Nebensektionen wäre der überfrachtete Episodenfilm allerdings besser aufgehoben gewesen. Den Regisseur überfordert nicht nur die Menge an Erzählsträngen, sondern deren erdrückende Gewichtigkeit. Die Handlung zentriert sich um die Schicksale von drei in Deutschland geborenen Moslems, deren persönliche Konflikte in unterschiedlicher Weise mit ihrem Glauben in Verbindung stehen. Die Einbettung in einen religiösen Kontext wirkt oft wie ein Instrument, um den Film mittels thematische Brisanz zu geben und ihn auf die Kinoleinwand zu hieven. Einen Gefallen getan hat sich der Regisseur damit nicht. Alles an der Inszenierung sieht nach der Abschlussarbeit von der Filmhochschule aus, die das Drama ist. Zwar versucht sich die Handlung ansatzweise von gängigen Klischees über in Deutschland lebende Moslems zu distanzieren, stolpert aber dann doch wieder in solche hinein. 

Los geht es mit einer Razzia nach illegalen Einwanderern. Ismail (Carlo Ljubek), türkischstämmiger Deutscher bei der Polizei, ermöglicht der Immigrantin Leyla (Marija Skaricic) widerrechtlich den Aufenthalt. Einst verschuldete er bei einem Einsatz den Tod ihrs ungeborenen Kindes. Nun will er sich ein reines Gewissen kaufen, indem er ihr hilft. Dafür riskiert er sogar die Beziehung zu seiner Frau Sarah (Anne Ratte-Polle). Die ältere Generation verteufelt sexuelle Freiheit, wie es die Mutter des jungen Sammi (Jeremias Acheampong) tut. Sammis arabische Kollegen sind homophobe Schläger, er selbst jedoch heimlich verliebt in seinen Freund Daniel (Sergej Moya). Die junge Muslima Maryam (Maryam Zaree) tanzt erst in der Disco zu den Songtextzeilen „Ich muss gar nichts außer schlafen, trinken, atmen und ficken“. Ein Freund der feinen Nuancen ist Qurbani nicht, der Zurückhaltung noch weniger. Nach einer Fehlgeburt auf der Toilette infolge eines illegalen Abtreibungsversuchs macht sie eine Kehrtwende zum Fundamentalismus. Die für die Abtreibung notwendigen Medikamente hat sie von einer türkischen Freundin, die im Krankenhaus arbeitet. 

Gebündelt werfen die einzelnen Lebenswege, die sich in reichlich konstruierter Weise in einer schicksalhaften Nacht kreuzen, ein ziemlich nachteiliges Licht auf muslimische Deutsche. Das macht die hölzern abgefilmten Bilder doppelt unangenehm, denn die Absicht des Regisseurs scheint eher das Gegenteil gewesen zu sein. Doch die Protagonisten klüngeln, lügen, betrügen und schlagen zu, was das Zeug hält. Dazu berufen sie sich meist dann auf den Glauben, wenn sie eine nachteilige Entscheidung treffen. Eine offene Haltung zur eigenen Religion scheint zumindest für die junge Generation keine Option. Die fähigen Darsteller können die unübersehbaren Schwächen nicht aufwiegen. Dazu kommen Dialoge, die wie schlechte deutsche Popsongs klingen: „Und dann kamst du, mein dunkler, dunkler Engel und hast mir meinen schlimmen Wunsch erfüllt“. Mit Zwischentitel wie „Die Hingabe“, „Das Opfer“ oder „Die Selbstaufgabe“ kippt die kollektive Tragödie endgültig ins Alberne.

Fazit

Sein Figurendrama sei kein Film über Religion, sagt Regisseur Qurbani, es sei ein Film über Menschen. Die lose verknüpften Fäden der Handlung lassen den Figuren viel Raum, sich zu entwickeln. Das ist leider die einzige erkennbare Stärke des unentschiedenen Plots, der bestenfalls handwerklich solide gemacht, aber ohne einen Funken Innovation ist.

Autor: Lida Bach
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