Neben dem Knetfiguren-Duo Wallace & Gromit zählt Shaun das Schaf heute wohl zu den bekanntesten Schöpfungen des Claymation-Studios Aardman. Bereits Anfang der 90er Jahre konnte das neugierige Wollknäuel in Wallace & Gromit unter Schafen sein Debüt feiern, doch wirklich rund ging es erst ab 2007, als die Spin-off Serie Shaun das Schaf erstmals ausgestrahlt wurde. Seitdem sind der kecke Shaun, der Hund Bitzer sowie der trottelige Farmer nicht mehr aus der deutschen TV-Landschaft wegzudenken, vor allem seit die kurzweiligen Abenteuer auf dem Bauernhof fester Bestandteil des Kinder-Kultklassikers Die Sendung mit der Maus wurden.
Für gewöhnlich lässt dann auch der Sprung vom Fernsehbildschirm auf die große Kinoleinwand nicht lange auf sich warten und auch, wenn es immerhin fünf Jahre dauerte, bis Shaun das Schaf - Der Film erschien, der natürlich ebenso wie die Serie im extrem zeitaufwendigen Stop-Motion Verfahren entstand, tat das dem Spaß keinen Abbruch. Im Kino besaß die wilde Wollmeute zwar nicht den gleichen, bisweilen hintersinnigen Anarchocharme von Wallace & Gromit, dennoch wusste die aufgemotzte Version der TV-Serie damit zu überzeugen, dass man deren Erfolgsformel konsequent weiterführte. Zwischen all dem butterweich animierten 3D-CGI-Einerlei der Konkurrenz von Dreamworks, Illumination oder Blue Sky, kam Shaun das Schaf -Der Film als immer noch größtenteils handanimiertes Stop-Motion Abenteuer daher. Und besonders die Tatsache, dass man die Figuren wie bereits in der Serie allenfalls mit Tier-und Grunzlauten agieren ließ, verströmte angesichts der allgemeinen Hektik im Genre einen ganz besonderen Charme, der sich zudem auch als grandiose Hommage an die Stummfilm-Ära verstehen ließ.
Sowohl künstlerisch als auch kommerziell ging die Rechnung auf und bewahrte das Traditionsstudio Aardman, die nach auf lange Sicht gescheiterten Partnerschaften mit Dreamworks und Sony Animation inzwischen als völlig unabhängiges Unternehmen agieren, damit vermutlich auch ein Stück weit vor dem Aus. Dennoch erwies sich vergangenes Frühjahr Early Man - Steinzeit bereit weltweit sowohl bei Kritik als auch Publikum als handfester Flop. Und so könnte man nun angesichts dessen, dass man mit Shaun das Schaf - Der Film: UFO-Alarm erstmals eine direkte Fortsetzung produziert, auf die Idee kommen, dass die einstigen Plastillin-Pioneere doch etwas ihr Mojo eingebüßt hätten. Doch kann spätestens an dieser Stelle Entwarnung gegeben werden, denn ob ein zweites Kinoabenteuer nun nötig war oder nicht: wenn es schon ein Sequel geben muss, dann wenigstens so eines! Denn was die Qualitäten des Vorgängers angeht, so gelingt es, an diese nicht nur nahtlos anzuknüpfen, sondern sie in mancher Hinsicht sogar glatt zu übertrumpfen.
Das macht sich bereits direkt zu Anfang bemerkbar, als das Alienmädchen LU-LA auf der Erde (natürlich im englischen Bristol!) bruchlandet. Nicht nur können Aardman-Kenner für Sekunden einen Blick auf den allerersten Wallace & Gromit Kurzfilm Alles Käse erhaschen - Erfinder Nick Park werkelte hier auch am Drehbuch mit - sondern es wird auch direkt deutlich, wie sehr sich die Animationen nochmals verbessert haben. Das Regieduo Richard Phelan und Will Becher, das bereits bei einigen Folgen der Serie mitwirkte, kreiert hier direkt eine deutlich filmischere Atmosphäre, die nicht von ungefähr an Spielberg-Klassiker wie E.T. - Der Außerirdische oder Unheimliche Begegnung der Dritten Art erinnert. Passend dazu lässt man es sich dann auch nicht nehmen, hier und da etwa Men in Black, Axte X, oder auch Sci-Fi Meilensteine wie 2001 - Odyssee im Weltraum ausgiebig zu zitieren, doch wirken diese Popkulturreferenzen nie selbstzweckhaft und sind teilweise so schreiend komisch in den Handlungsverlauf integriert, dass sie sich einfach wunderbar stimmig anfühlen.
Natürlich versetzt Shaun das Schaf - Der Film: UFO-Alarm keine Berge und auch die erfrischende Andersartigkeit des Erstlings kommt dem Film durch LU-LA sogar ein wenig abhanden, darf das kegelförmige Alien doch im Gegensatz zu allen Tieren und Menschen zumindest so etwas wie Babylaute von sich geben. Das verhindert jedoch nicht, dass man das putzige Wesen, das mitunter ein ähnlich irrwitziges Chaos anzurichten weiß wie Kollege Stitch aus Disneys Lilo und Stitch, rasch ins Herz schließt. Gab es im Vorgänger noch die riesige Stadt London zu erkunden mit einer unfassbaren Fülle an liebevollen Details, so sind die Schauplätze hier zwar kleiner gehalten, dennoch fühlt sich Shaun das Schaf - Der Film: UFO Alarm auch dank einiger Abstecher ins All insgesamt größer an. Protzig wirkt das jedoch nie und auch wenn man natürlich für die irrwitzigen UFO-Trips vermehrt auf CGI zurückgreift, so ist es nach wie vor unglaublich charmant, wenn bisweilen auf den Figuren sogar die Daumenabdrücke der Animatoren auf der großen Leinwand noch klar zu erkennen sind. Womit der ein oder andere aber wie beim ersten Kinoausflug hadern könnte, ist der Einsatz allzu gefälliger Popsongs, der zwar immer passend wirkt, aber doch etwas zu sehr Erinnerungen an Werke von Dreamworks Animation weckt.
Rein erzählerisch kommt die Fortsetzung auch etwas weniger familiär, aber nicht weniger herzerwärmend daher als der Vorgänger. Während die besonders haarsträubenden Einlagen hauptsächlich Shaun und LU-LA vorbehalten sind, hockt die übrige Schafherde dagegen etwas auf der Ersatzbank. Andererseits ermöglicht das den Nebenplot um den - im englischen Original titelgebenden - "Farmageddon" Vergnügungspark, welchen der Farmer im ausgebrochenen Alien-Fieber auf die Schnelle zusammenzimmern lässt. Gerade hier schießen die Macher in Sachen Detailfülle und schrägen Ideen gekonnt aus allen Rohren und lassen garantiert kein Auge trocken. Erst zum Ende hin übertreibt man es dann doch etwas mit technischen Spielereien, nur um dann ausgerechnet hier einen der wenigen Makel des ersten Teils innerhalb weniger Momente wettzumachen.
So bleibt Shaun das Schaf - Der Film: UFO-Alarm am Ende eine Fortsetzung, die sich zwar nicht unbedingt notwendig, aber auch keineswegs überflüssig anfühlt und selbst bis zum Ende des Abspanns unter Beweis stellt, dass Aardman auch fast 20 Jahre nach dem Kinodebüt mit Chicken Run, zu welchem ebenfalls ein Sequel angekündigt ist, nur wenig an Esprit, Charme und Kreativität eingebüßt hat.