Der Horrorfilm im Wandel der Zeit… Anfang des neuen Jahrtausends haben Filme wie „Saw“ oder „Hostel“ den Weg geebnet, den Horror möglichst brutal und ideenreich in Szene zu setzen. Dieser „Torture Porn“ wurde bis zum Ende ausgereizt und verlor sich schnell in Belanglosigkeit. Die Fans des gepflegten Horrors blieben auf der Strecke. Doch es gab immer wieder Lichtblicke. Ob „Insidious“, die „Paranormal Activity“ Reihe oder diverse Found Footage Filme … hier lag der Fokus auf dem altmodischem Grusel. Zuletzt bewies „The Conjuring“ eindrucksvoll die Effektivität auf der Kinoleinwand und wurde mit Einnahmen von über 100 Millionen Dollar belohnt. Die Horrorfans begrüßten diesen Trend. „Sinister“ ist nach demselben Muster gemacht worden. Mit einem Budget von 3 Millionen Dollar wurde versucht, aus den gegebenen Mitteln alles herauszuholen. Keine trashigen oder blutige Effekte. Der Gruselfaktor liegt im Vordergrund. Doch hat Scott Derrickson bei Sinister alles richtig gemacht oder verliert sich der Film in den Tiefen des Genres?
Die Geschichte von „Sinister“ bietet auf dem ersten Blick nichts Neues. Ein erfolgloser Schriftsteller zieht in ein Mordhaus um dort Ideen für sein neues Buch zu finden. Selbstverständlich ist die Familie nicht eingeweiht. Nach und nach geschehen mysteriöse Dinge, für welche es scheinbar keine plausible Erklärung gibt. Alles schon gesehen und nichts Neues. Doch „Sinister“ entpuppt sich als kleine Genreperle, welche man nicht so schnell vergisst. Doch was macht „Sinister“ anders als der 08/15 Horrorfilm? Schon zu Beginn wird dem Zuschauer ganz anders. Wir sehen einen alten Super 8-Film, in dem eine Familie mit 2 Kindern an einem Baum erhängt wird. Den Täter sieht man zu dieser Zeit nicht. Die Bilder sind faszinierend und verstörend zugleich. Generell sind die diversen Super 8-Filme der Schlüssel zum Erfolg von „Sinister“. Perfekt inszeniert aber dennoch so amateurhaft gedreht, dass man jedem dieser Filme die Authentizität abnimmt. Es sind nicht die Fontainen aus Blut oder der hohe Gewaltgrad welcher hier den Zuschauer in seinen Bann zieht. Eher ist es die Angst vor der Dunkelheit sowie die Angst vor dem Absurden, was in den Filmen gezeigt wird, welche schockiert. Des Weiteren werden diese Super 8-Filme mit langen Sequenzen gedreht, was heutzutage schon fast aus der Mode gekommen ist.
Hier bekommen wir kein Schnittmassaker geliefert sondern lange Aufnahmen welche dem Zuschauer eine Gänsehaut verabreichen. Keine irreführende Schnittführung, keine allzu verwackelten Aufnahmen sondern einen ständigen Fokus auf dem Geschehen haben schon fast voyeurartige Züge. Auch die Namensgebung der morbiden Filme tut ihr Übriges. Ob „Familie beim rumhängen“, „Grillparty“ oder „Gartenarbeiten“… keiner dieser Titel bereitet den Zuschauer auf das vor, was als nächstes geschehen wird. Daher entwickelt sich zusätzlich eine gewisse Neugierde, womit Derrickson uns als nächstes schocken wird. Untermalt wird das ganze durch eigenwillige dennoch intensive Elektrosounds. Von einigen als nervig bezeichnet, tuen diese Sounds ihr übriges und passen in die Grundatmosphäre des Filmes.
Zwar sind die atmosphärischen Höhepunkte definitiv die Super 8-Aufnahmen der Verbrechen, die einem durchaus die Nackenhaare stellen, doch auch außerhalb dieser Aufnahmen weiß „Sinister“ zu punkten. Dem Zuschauer werden einige unerwartete, dennoch heftige Erschrecker geboten. Dabei zeigt der Film größere Gewalttaten eher im Off der Kamera, was aber in diesem Fall absolut passend wirkt und somit positiv zu werten ist. Doch nicht alles ist neu und unerwartet. Einige Szenen sind vorhersehbar oder durchschaubar. Diese Szenen fügen sich aber gut in das Gesamtbild ein und sind daher weniger störend. Immer wieder diese Geräusche im Haus. Hawkes wacklige Kontrollgänge inszeniert Derrickson geradezu aufreibend konventionell: Lange dunkle Korridore stehen wie eine Passage ins Verderben vor dem Schriftsteller. Unheilvolle Klänge wabern bedrohlich. Ecken, Türen, Büsche engen das Blickfeld ein. Und wenn Derrickson nicht sicher ist, ob all das etwas auslöst beim Zuschauer, dann lässt er es auch mal plötzlich und unerwartet laut auf dem Speicher krachen. So etwas sitzt immer.
Glücklicherweise wurde davon abgesehen, den ganzen Film mit „Jump-Scares“ zu schmücken. Zwar wird man immer wieder diese finden, Hauptaugenmerk liegt allerdings auf der dichten und gruseligen Atmosphäre. Man braucht hier kein billiges und biederes Standartwerk allà „Possession“ oder „The Unborn“ erwarten. Die Laufzeit von fast 2 Stunden ist für einen Genrefilm eher unüblich. Man könnte das Gefühl entwickeln, dass es sich hierbei um einen sehr zähen Beitrag handelt. Weit gefehlt. Da „Sinister“ von Beginn an zur Sache geht und nur äußerst selten Längen auftauchen wird man über die vollen 2 Stunden unterhalten. Denkt man zu Beginn noch übliche Genre-Klischees zu erleben, wie es leider allzu oft der Fall ist, rückt „Sinister“ in der zweiten Stunde immer weiter davon ab und geht eigene Wege bis hin zu einem Finale, zu dem sich nur wenige Filme getraut hätten.
Ethan Hawke erweist sich hier als Idealbesetzung. Obwohl in letzter Zeit die großen Rollen ausblieben und er immer wieder in B-Movies gesichtet worden ist, spielt er den innerlich zerrissenen Autor durchaus überzeugend. Die Motive für seine Taten werden deutlich in Szene gesetzt und wirken nie wahllos oder dumm. Neben den Super 8-Filmen liefert Hawkes „One-Man-Show“ eine gute Erweiterung und fördert die schreckliche Szenerie häufig noch. Aufgrund der puren Angst in Hawkes Gesicht kann der Zuschauer sich ausmalen, was im Off passiert. Fast könnte man meinen, dass Entsetzen Hawkes sei echt. Die anderen Darsteller liefern eine akzeptable Leistung ab, können aber neben Hawke nicht punkten und wirken eher wie Statisten. Da der Fokus aber generell auf Hawkes Person gelegt wird ist dies kein großes Manko.
Doch ganz ohne Fehler kommt „Sinister“ nicht davon. Frei nach dem Motto „Wer suchet, der findet“, lassen sich auch hier einige Logikfehler finden. Auch das Auftauchen des Dämons „Bughuul“ will nicht so ganz in das Gesamtbild passen. Dies liegt nicht an der Story sondern eher an der Darstellung von „Bughuul“. Die Maske wirkt zu billig und lässt den Film dadurch eher wie ein B-Movie wirken. Auch der unfreiwillig komische Auftritt des Deputy „So und So“ nimmt dem Film die Atmosphäre. Es ist ein Leichtes, diesen eigentlich effektiven Horrorfilm als vorhersehbares aber auch unspektakuläres Szenario abzutun. Aber hinter „Sinister“ verbirgt ein weit wirkungsvollerer Horror-Thriller, als man annehmen möchte. Er ist bösartig, und brutal wobei die Gewalt eher im Kopf des Zuschauers stattfindet. Er schockiert und überzeugt mit ungewöhnlicher Inszenierung. „Sinister“ erfindet zu keinem Zeitpunkt das Genre neu, aber er geht ungewöhnliche Wege die mehr oder weniger erfolgreichen Strukturen des aktuellen Horror-Kinos aufzubrechen und neu zu beleben. Es sind eben nicht die neuen Wege, die „Sinister“ vorgibt zu gehen und dabei ihren Reiz definieren, sondern die oftmals ignorierten Mechanismen des ursprünglichen Horror-Kinos.