Im Jahre 1955 war Tony Curtis noch ein junger aufstrebender Schauspieler, der nicht nur mit seinem Charisma, sondern auch mit seinem schauspielerischen Talent überzeugte. Seine größte Bekanntheit erlangte er vermutlich mit dem Werk Manche mögen's heiß, als er an der Seite von Marilyn Monroe gleich drei Rollen zum Besten gab. Er spielte den Saxophonspieler Joe, die Saxophonspielerin Josephine und den Millionär Shell Öl Junior. In dem Film Noir Seine letzte Chance muss er nur mit einer Rolle fertig werden und das ist die Rolle des italienischen Gauners Jerry Florea, der als Spitzel für einen befreundeten Polizisten arbeitet. In dieser Rolle fühlt er sich unheimlich wohl. Er spielt mal wieder einen Windhund, einen Taugenichts, der stets vor dem Gesetz auf der Flucht ist, doch trotzdem noch so viel Anstand besitzt, seine Kameraden nicht zu verpfeifen, komme, was wolle. Er hat immer einen flotten Spruch auf den Lippen und gerät immer wieder in brenzliche Situationen, die eine Verhaftung erforderlich machen. Und genau hier kommt sein Freund Edward Gallagher (George Nader, Nowhere to go) ins Spiel, der als Polizist oft keine andere Wahl hat als seinen Freund zu verhaften.
Seine letzte Chance wirft eine gerade im Justizbereich wichtige Frage auf: Wie viele Chancen hat ein einzelner Mensch eigentlich verdient und fruchtet die Resozialisierung wirklich bei allen oder ist es irgendwann mal an der Zeit einen Menschen aufzugeben? Vor allem, wenn dieser Mensch hartnäckig gegen die Gesetze verstößt und keinerlei Besserung zeigt, zumindest keine Besserung, die von Dauer ist. Die Figur von Ed Gallagher wird immer wieder vor diese Frage gestellt und immer wieder entscheidet er sich dafür seinem Freund zu helfen und sich für ihn zu verbürgen, obwohl er immer wieder enttäuscht wird. Die beiden ungleichen Freunde spielen ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel miteinander und dabei kommen sie sich mal näher, mal entfernen sie sich voneinander, weil das Vertrauen, das Ed in Jerry setzt, immer wieder erschüttert wird. Es ist erstaunlich, wie zwei Menschen, die auf unterschiedlichen Seiten des Gesetzes stehen, sich so sehr zueinander hingezogen fühlen können.
Daran erkennt man, dass die Grenzen zwischen gut und böse oft fließend sind und, dass nicht alles schwarz und weiß ist, wie dieser Film, sondern, dass zwischen Wahrheit und Lüge viele graue Töne liegen und, dass man freundschaftliche Gefühle für Menschen hegen kann, die es aus objektiver Sicht nicht verdient haben geliebt zu werden und trotzdem liebt man sie und will sie unbedingt retten. Besonders, wenn man das Gefühl hat, dass das Leben zu diesen Menschen nicht besonders fair war. Jerry Florea wurde von seinen Eltern nicht geliebt und von seinem eigentlichen Heimatland Amerika, wie ein Ausländer behandelt, obwohl er fast sein ganzes Leben in Amerika verbracht hat. Er spricht nicht einmal Italienisch und dennoch droht man ihm damit, ihn nach Italien abzuschieben. Außerdem ist er seit seiner frühsten Kindheit daran gewöhnt, sich das zu nehmen, was er möchte, um zu überleben. Einer der ersten Diebstähle, die er als Kind begeht, ist der Diebstahl einer Milchpackung.
Wenn man so darüber nachdenkt, dann ist die Geschichte seines Lebens doch ziemlich tragisch, weil er offenbar schon damals keine andere Wahl hatte als zu stehlen. Diese Tragik passt sicherlich perfekt zum Film noir und zu der ganzen Stimmung des Films. Auch wenn Jerry etwas Gutes passiert, ist es nur noch eine Frage der Zeit bis er etwas tut, was die vorübergehende Idylle wieder zerstört. Wo Schatten ist, ist bekanntlich auch Licht, doch es gibt Menschen, die sich in der Dunkelheit wohler fühlen, weil die Dunkelheit genau das ist, was ihr ganzes Leben ausmacht. Seine letzte Chance wirft viele moralische Fragen auf und eine von ihnen ist: Ist man verpflichtet seinen Freund zu verraten nur, weil man ein Gesetzeshüter ist? Tony Curtis und George Nader gehen dieser Frage als ein unschlagbares Duo auf den Grund und insgesamt plädiert Seine letzte Chance deutlich dafür, Menschen nicht aufzugeben und bis zuletzt an das Gute in ihnen zu glauben.