Inhalt
Der Ermittler Ischabod Crane aus New York ist auf mehrere mysteriöse Todesfälle angesetzt worden, die sich in dem unscheinbaren Städtchen Sleepy Hollow zugetragen haben. Crane ist ein Mann des Verstandes und der Vernunft und gibt sich an die Aufklärung der Verbrechen mit neuartigen kriminalistischen Methoden. Doch schon bald muss er feststellen, dass in Sleepy Hollow der Wissenschaft schnell Grenzen gesetzt sind; spätestens dann, wenn sich Ischabod Crane dem leibhaftigen Hessen ohne Kopf persönlich gegenüber stehen sieht.
Kritik
»Niederträchtigkeit trägt viele Masken,
doch keine ist so gefährlich wie die Maske der Tugend.«
Es ist der Blickwinkel des Außenseiters, der das Schaffen von Tim Burton (Edward mit den Scherenhänden) seit jeher antreibt, natürlich nicht zuletzt aus dem Grund, weil Burton sich Zeit seines Lebens auch selbst immer wieder in dieser Rolle wiederfinden musste. In Sleepy Hollow, einem seiner besten Filme, der als freie Interpretation auf Washington Irvings Erzählung Die Sage von der schläfrigen Schlucht aus dem Jahre 1820 zurückgeht, erhält diese Randläufer-Perspektive nun auch eine historische Konnotation: Protagonist Constable Ichabod Crane (Johnny Depp, Gegen die Zeit) wird ein Einzelgänger-Dasein deshalb zugewiesen, weil er seiner Epoche einfach um ein gutes Stück weit voraus ist. Er vertraut auf die Gesetze der Wissenschaft, während der Rest der Welt sich auf Metaphysik, Talismänner und das Wort der Bibel beruft.
Kurz vor der Jahrhundertwende wird dieser Constable in die entlegene Provinzgemeinde Sleepy Hollow entsandt, um dort eine bestialische Mordserie aufzuklären: Bereits vier Menschen wurden dort tot aufgefunden, allesamt enthauptet. Die dunklen Wolken des Aberglaubens verdichten sich über den Köpfen der Bewohnern zusehends, soll es sich bei dem Täter doch um den ruhelosen Geist eines ehemaligen Schlächters handeln, der dem modrigen Grab entstiegen ist, um seinen eigenen Kopf aufzuspüren – jenen, der auch ihm einst abgetrennt wurde. Tim Burton erzählt Sleepy Hollow wie einen mit Feder und Tinte verfassten und mit Wachs und Stempel versiegelten Schauerroman; eine ganz und gar klassische Gruselmär, die Burtons ausgeprägte Leidenschaft für das frühe Horrorkino der 1940er, 1950er und 1960er Jahre verdeutlicht, ganz besonders die legendäre Werke des britischen HAMMER-Studios.
Ichabod Crane, der in Sleepy Hollow natürlich mit gemischten Gefühlen empfangen wird, ist sich in einer Sache jedoch vollkommen sicher: Der Fall wird sich fraglos mit den Mitteln der modernen Wissenschaft auflösen lassen. Wie Johnny Depp diesen auf Vernunft und Gerechtigkeit pochenden Constable verkörpert, erweist sich als wahres Ereignis. Wo Tim Burtons ausgereifte Inszenierung bereits niemals um einen ironischen Bruch verlegen ist, bestimmt vor allem Depps Performance die Tonalität des Filmes und erschafft einen Ichabod Crane, der über allem ein Idealist im Dienste der Aufklärung ist, sich neben seiner Tapferkeit aber auch jede Menge Schwächen eingesteht. Mit Blut beispielsweise hat er es nicht so, auch Spinnen lassen ihn ganz schnell mal auf den nächstbesten Stuhl springen – und wenn er sich Geschichten um den kopflosen Reiter anhören muss, schlottern ihm gnadenlos die Knie.
Die wahre Brillanz von Sleepy Hollow liegt allerdings in seiner pointierten gestalterischen Meisterklasse begraben, die jede Einstellung zu einem Siegeszug ästhetischer Erhabenheit erklärt. In bisweilen traumwandlerischen Landschaftskulissen zelebriert Tim Burton die sagenumwobenen, nebelverhangenen Wälder, die dunklen, vom Quaken der Kröten belebten Gewässer und die schweren Wolkendecken, die den Vollmond umschmiegen und sein blasses Licht auf das angsterfüllte Dorf in den Hudson Highlands werfen, welches seine Besucher erst einmal mit dem hiesigen Friedhof begrüßt. Der Film beschreibt dieses Zeitalter, in dem Gespenster ihr Unwesen getrieben haben und tote Bäume zu Pforten in eine neue Welt wurden, (im wahrsten Sinne) unheimlich organisch, er zieht den Zuschauer von Beginn an in seinen Bann. Sleepy Hollow ist formvollendeter, schwarzromantischer Eskapismus, der das Geheimnisvolle und das Verborgene fernab unserer herkömmlichen Wahrnehmung auf- und hochleben lässt.
Fazit
Exzellentes Ausstattungs-, Kostüm- und Genre-Kino, mit dem Tim Burton nicht nur ein weiteres Mal seine gestalterische Meisterklasse unter Beweis gestellt hat, sondern auch seinen Lieblingsschauspieler Johnny Depp in der Hauptrolle erneut zur Höchstform auflaufen lässt. "Sleepy Hollow" beschreibt vor historischer Kulisse zum einen den Konflikt zwischen Aberglaube und Wissenschaft, lässt in seinem schwarzromantischen Eskapismus aber gleichermaßen das Geheimnisvolle und Verborgene fernab unserer herkömmlichen Wahrnehmung auf- und hochleben. Ein voller Erfolg.