There is a storm coming...
Der menschliche Verstand ist ein Mysterium ohne Gleichen, welches wiederum auch gerne von Hollywood aufgegriffen wird. Doch wie entzaubert man die Psyche eines Menschen, die gar so komplex ist, dass selbst Wissenschaftler dieses kaum gelingt? Filmisch gibt es da so manch einen Kniff, wie zuletzt Inception bewies, und so erweist sich selbst der Weg ins Gehirn, den Drehbuchautoren als keineswegs verschlossen. Regisseur Jeff Nichols hingegen, nutzt für sein neuestes Drama Take Shelter – Ein Sturm zieht auf eine viel subtilere wie stillere (aber keineswegs unbequemere) Art, um die Psychologie eines Menschen auf die Leinwand zu bringen. Der Wandel eines scheinbar Schizophrenen, der langsam den Verstand verliert, wird so regelrecht behutsam wie eindringlich inszeniert, ohne das dieses jemals auch nur ansatzweise uninteressant erscheint. Im Gegenteil, denn gerade die gemächliche Inszenierung sorgt dafür, dass der Zuschauer regelrecht in das Leben von Curtis LaForche hineingezogen wird. Jeder Schritt, jeder Dialog, jede Tat des Familienvaters, wird so spürbar, fühlbar und letztlich auch regelrecht unbequem für den Beobachter. Kein Wunder also, dass das Indie-Werk (Budget gerade 1 Million US-Dollar) auf dem Sundance-Festival sowie bei den Filmfestspielen in Cannes mit Auszeichnungen nach Hause gehen konnte. Regisseur Jeff Nichols offenbart so ein intelligentes wie mysteriöses Werk über den menschlichen Verstand, welches nicht verstörender wie faszinierender hätte sein können.
Dies liegt vornehmlich daran, dass sich Regisseur Jeff Nichols viel Zeit für seine Hauptfigur nimmt, was wiederum der schauspielerischen Glanzleistung von Michael Shannon zu Gute kommt, und präsentiert so behutsam bis ins kleinste Detail die Wandlung eines Mannes, der eigentlich nur in Frieden sowie Harmonie mit seiner Familie leben will. Doch das Leben ist nie einfach, so wie es Curtis im Film selbst ausdrückt. So ist die Welt von Ohio vom Grund her schon nicht einfach. Das raue Leben der Arbeiterklasse, verstärkt durch die amerikanische Immobilienkrise, macht sich mehr als bemerkbar. So bleibt Take Shelter zu jederzeit recht farblos, offenbart gar ein Grau, welches sich wie ein Schleier auf das Leben von Curtis setzt. Hier folgen dann die verschiedenen Probleme: Alpträume, kurzzeitig gar in bester Horror-Manier mit düsteren Gestalten die ihn verfolgen, Visionen, Halluzinationen und ein stetiges Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber dem was kommen kann. Und gerade hier zeigt Jeff Nichols sein erzählerisches Geschick. Denn ob Curtis nun wirklich Wahnhaft ist oder gar in die Zukunft blicken kann, dies bleibt lange Zeit unklar. Realität oder Traum? Die Grenzen scheinen zu verschwimmen und auch der Zuschauer bleibt so oft fragend zurück. Die unheilvollen schwarzen Wolken am Himmel (der Himmel bleibt indes ein wichtiges stetiges Element) scheinen wie ein Damoklesschwert zu sein, das Curtis regelrecht zum Handeln zwingt. Seine einzige Chance ist der Bau eines Bunkers, der zum einen wie ein Ventil wirk, wie die letzte Hoffnung, doch eben auch wie eine Arche, die seine Familie beschützen soll.
Der Blick in die Psyche wirkt so komplett, sodass die verschiedenen Handlungen durchaus auch als Metapher (auf den Kontrollverlust, die Paranoia etc.) gesehen werden können. Verstärkend kommt hinzu, dass sich Regisseur Jeff Nichols viel Zeit für seine Dialoge nimmt, die sogar mit vielen Pausen unterlegt werden. Was folgt ist gar eine Ohnmacht des Zuschauers, der vollkommen hilflos den Wandel zu sehen muss. Erst in der Familie, dann im Job und schließlich sogar in der Gesellschaft, verliert Curtis die Kontrolle. Stets in kraftvollen Bildern sowie einer fabelhaften ruhigen Musik mit klangvollen Geräuschen untermalt, entsteht so eine drastische Sogwirkung, die nicht nur tragisch erscheint, sondern regelrecht unbequem. Aus den mysteriösen Elementen indes, entsteht dagegen eine immense Spannung, die auf das Ende hinfiebert. Doch gerade hier, enttäuscht leider Take Shelter ein wenig. Denn obgleich der Schlussakt zum philosophieren sowie interpretieren einlädt, erscheint er letztlich doch unnötig und erzählerisch gesehen ungeschickt. Was hoffnungsvoll aufgebaut wurde, wird so torpediert, wodurch das Gesamtbild ein wenig getrübt wird. Was bleibt ist dennoch ein Film der zerrt, der zum Nachdenken anregt, der unbequem ist und so ein Drama präsentiert, welches auch durch das fantastische Schauspiel von Michael Shannon die Aufmerksamkeit mehr als verdient hat.