Die große Preisfrage, die sich jeder schon im Vorfeld stellen sollte, lautet: Was erwarte ich nun vom The Crow Reboot? Kann man sich ernsthaft hinstellen und The Crow aus dem Jahre 2024 mit The Crow aus dem Jahre 1994 vergleichen? Das kann man schon, aber es wäre alles andere als fair, weil The Crow mit Brandon Lee (Rapid Fire - Unbewaffnet und extrem gefährlich) allein schon wegen der tragischen Entstehungsgeschichte des Films einen Kultstatus erreicht hat und kein Film und kein Schauspieler werden es je schaffen, auch nur ansatzweise den Erwartungen der Fans an den potenziellen Nachfolgerfilm gerecht zu werden. Für diejenigen, die diese Geschichte nicht kennen: Im Jahre 1994 spielte ein junger talentierter Schauspieler namens Brandon Lee (der Sohn von Bruce Lee, Der Mann mit der Todeskralle) die Rolle des Eric Draven. Leider starb er bei den Dreharbeiten, weil er von einem Schauspielkollegen während des Drehs erschossen wurde.
Da man mit der Produktion im Verzug war, verwendete man bei vielen Szenen echte Patronen und obwohl bei der Szene mit Brandon Lee eigentlich Platzpatronen eingesetzt wurden, steckte noch eine echte Kugel im Lauf. Brandon Lee wurde in den Bauch getroffen und erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Er wurde nur achtundzwanzig. Was die Geschichte noch tragischer macht ist die Tatsache, dass Brandon Lee verlobt war und eine Woche nach der Fertigstellung von The Crow heiraten wollte. Als der Film fertiggestellt wurde, war Brandon Lee schon lange nicht mehr am Leben und bekam es gar nicht mehr mit, was für ein riesengroßer Erfolg der Film war und zynischerweise muss man sagen, dass der Tod von Brandon Lee dazu vieles beigetragen hatte. Aber es war bei weitem nicht nur das, es war auch noch seine gefühlvolle Darstellung der Figur des Eric Draven, eines Menschen, der alles verloren hatte, was er geliebt hat. Brandon Lees Vorstellung des einsamen Rächers war phänomenal und fast schon übermenschlich gut.
Mit dieser Leistung wird es nie jemand aufnehmen können. Doch sollte man Bill Skarsgård (Es) deswegen bestrafen, weil er nicht Brandon Lee ist? Auf keinen Fall. Bill Skarsgård hat seine Stärken und diese liegen ganz klar in den Actionsequenzen. Man kann es sagen, wie es ist: Er ist kein Charakterdarsteller, dafür hat er aber eine starke körperliche Präsenz, die sehr hilfreich für eine Hauptrolle ist und er stürzt sich mit viel Elan in die Kampfsequenzen. Schon bei Boy Kills World hat er seine Kampffertigkeiten unter Beweis gestellt und diese kommen genauso gut bei The Crow zum Einsatz und ob die Kritiker es wahrhaben wollen oder nicht: Bill Skarsgård ist ein aufgehender Stern am Actionfilmhimmel. Findet euch damit ab! Vielleicht ist sein Schauspiel bei The Crow nicht immer auf den Punkt, zumindest hat er, auch wenn er wütend sein soll, aus irgendeinem Grund immer noch seinen Hundewelpen-Charme, doch wenn er jemandem den Kopf abschlägt oder die Arme abhackt, kann man durchaus glauben, dass er einen „Racheengel“ darstellt.
Nur leider ist die Rahmenhandlung für seinen Racheakt recht dünn und nicht unbedingt befriedigend. Dabei fängt der Film so vielversprechend an: Zwei kaputte Seelen finden zueinander und werden schon bald von ihrer Vergangenheit eingeholt. Der Anfang ist schön und auch die Interaktionen zwischen den beiden Darstellern sind gut und zu Beginn zeigt The Crow noch viel Potenzial, doch dann zieht sich die Handlung derart in die Länge und hat seltsamerweise sogar teilweise Anleihen von Happy Deathday und die satanistischen Rituale, oder was auch immer das sein sollte wirken so bizarr, dass man den Film an diesen Stellen unmöglich ernst nehmen kann. The Crow lässt die Krähe auch recht spät los, wenn es dann aber endlich passiert, wird es wunderschön und endet mit einer regelrechten Gewaltorgie: Die Schädel werden gespalten, die Köpfe abgehackt und Arme vom Körper abgetrennt und alles wird haargenau gezeigt. Untermauert wird das Ganze mit klassischer Musik. Das Finale ist das Beste an diesem Film, nur schade, dass man bis zur totalen Eskalation so lange warten muss und es wäre sicher besser, wenn man den Film entweder mit mehr brutalen Szenen ausgestattet hätte, oder ihn um eine halbe Stunde gekürzt hätte. Gerade die Szenen, in denen Eric Raven plötzlich einen Mentor bekommt, der ihm ewig lange alles erklären muss, was er zu tun hat, sind ziemlich ermüdend. Ansonsten genügt der Film durchaus den durchschnittlichen Erwartungen. Wer hier ein Meisterwerk erwartet, ist selber Schuld.