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Inhalt

Lucas musste einige Schicksalsschläge hinnehmen doch jetzt geht es in seinem Leben langsam wieder bergauf. Er hat eine neue Stelle in einem Kindergarten gefunden und auch die hübsche Aushilfe Nadja fühlt sich zu ihm hingezogen. Auch sein Sohn Marcus möchte lieber bei seinem Vater als bei seiner Mutter leben. In den Kindergarten geht die kleine Klara, die Tochter seines besten Freundes Theo, die ihn besonders gut leiden kann. Einer Kindergartenleiterin erzählt Klara, Lucas habe sie geküsst und ihr sein Geschlechtsteil gezeigt, denn dass würden Liebende tun, so habe es ihr großer Bruder ihr erzählt. Lucas ist entsetzt, als er hört, was ihm vorgeworfen wird. Doch da hat das Gerücht schon in der gesamten Nachbarschaft die Runde gemacht. Der unschuldige Lucas fühlt sich sicher und denkt, dass sich alles schon von alleine beruhigen wird, doch das Gegenteil trifft ein: Die Hexenjagd auf ihn nimmt dramatische Züge an.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Thomas Vinterberg (Am grünen Rand der Welt) behandelt in seinem neuen Film ein heikles Thema, gerade da es so allgegenwärtig ist und in seiner extremen Eskalation nicht mal ansatzweise überkonstruiert oder unrealistisch wirkt. Im Gegenteil. Die Jagd ist ein passender Titel, denn Vinterberg lässt die Kleinstadtidylle einstürzen und zeigt eine moderne Hexenjagd mit fatalen Folgen. Das Beunruhigende daran: Es kann genau so jederzeit passieren, jeden von uns treffen und eigentlich ist hier kaum jemandem ein Vorwurf zu machen. Theoretisch handeln hier die Ankläger absolut korrekt, zumindest nachvollziehbar. Die später folgenden Demütigungen, Hassattacken und Diskriminierungen sind es natürlich nicht, dennoch eine logische Folge der Ereignisse, menschlich-abscheulich, ganz unsere Natur, die wir oft nicht wahrhaben wollen.

Oft genug werden Kinder Opfer sexueller Gewalt, speziell von Leuten, die sich eigentlich um ihr Wohl sorgen sollten, denen wir sie anvertrauen, denen wir niemals so eine abartige Tat zugetraut hätten. Dass sich nach dem Vorwurf eines kleinen Mädchens, so jung und unschuldig, dass an ihren direkten Worten kaum gezweifelt werden könnte (sehr gut, wie das der Film schlüssig erklärt, gar nicht so einfach), nicht nur Misstrauen, sondern unmittelbar Vorverurteilung einstellt, ist einfach logisch und eigentlich sogar richtig. Klar, jede Unterstellung sollte erstmal bewiesen werden, nur in diesen speziellen Fällen geht Schutz nun mal vor. Vinterberg und Co-Autor Tobias Lindholm schildern extrem glaubhafte Mechanismen, bei denen ein Zahnrad nach dem anderen stringent ineinander greift und eine Mühle in Gang setzt, die den bemitleidenswerten Protagonisten schuldlos zermahlt. Grauenvoll, gerade weil wir als Zuschauer immer im Bilde sind, keine Zweifel hegen müssen, sondern so hilflos wie der eigentlich herzensgute Lucas Zeuge einer zutiefst menschlichen Tragödie werden. Stehen gewisse Dinge erstmal im Raum, zählt Beweispflicht gar nichts mehr, das Urteil ist gefällt, die Konsequenzen unausweichlich.

Erneut wir die beschauliche Bilderbuchidylle der dänischen Provinz zum Schauplatz für Schmerz, Leid und die wütende Energie der Gemeinde, die auf das Einreissen ihrer heilen Welt mit nicht geahnter Wut reagiert. Vinterberg selbst zeigte schon bei seinem (zu Recht) umjubelten Dogma-Drama Das Fest, wie der hübsche Vorhang fällt und eine hässliche Fratze zum Vorschein bringt, Kollege Ole Bornedal überzeichnete bei Deliver Us from Evil bewusst die brutale Wucht, die aus einer schockierten Kleinstadtgemeinschaft entstehen kann. Dafür eignet sich die kleine, manchmal leicht schläfrig-ländliche Lego-Welt unserer Nachbarn perfekt. Besonders, wenn Themen aufgegriffen werden, die in jeder Gesellschaft eine Rolle spielen, deren Bezug nicht lokal, sondern global ist. Vinterberg geht sein Drama nicht reisserisch und jederzeit mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Realität an, spielt schlicht und einfach die Dinge aus, die so schon schrecklich genug sind. Er lässt seine Hauptfigur vor unseren Augen zerbrechen, durch die Hölle gehen, nimmt iht alles und wir sind herzlich dazu eingeladen, am seelischen Sterben eines guten Menschen beizuwohnen.

Mads Mikkelsen (Pusher), inzwischen der dänische Exportschlager, sicher sogar noch vor Nicolas Winding Refn, Carlsberg und Pölser, füllt seinen Part perfekt aus. Jede Emotion, zwischen Ungläubigkeit, Verzweiflung, Wut und dem letzten Rest von Würde (Supermarkt-Szene) wird optimal verkörpert, eine grandiose Vorstellung. So grandios, wie der gesamte Film, der zudem ein wunderbares Ende präsentiert. Aufgrund der Ereignisse würde sich eine absolut konsequente Vernichtung anbieten, dürfte wohl auch jeder erwarten. Stattdessen gibt Vinterberg ein angebliches, mehr oder weniger Happy-End vor, das sich in seiner letzten Szene aber so ehrlich und realistisch darstellt und damit den traurigen Nagel auf den Kopf trifft. Irgendwas bleibt immer hängen, komplette Rehabilitation wird niemals stattfinden, selbst wenn eigentlich alles wieder in der Spur läuft. Es müssen nicht alle sein, einer reicht. Die Narben sind da, können nicht mehr beseitigt werden, einmal schuldig, immer schuldig. Die heile Welt wird für immer zerstört sein, auch wenn die Scherben zusammengeklebt sind. So schön wie zuvor wird es nie wieder. Bitter, aber richtig.

Fazit

"Die Jagd" baut natürlich ab der Minute der stockenden Behauptung der kleinen Klara auf seinen eruptiven Höhepunkt hin, bedient sich hin und wieder klassischen Klischees – die hier allerdings in keiner Weise negativ oder dilettantisch erscheinen – und konzentriert sich auf seinen Protagonisten Lucas (großartig: Mads Mikkelsen), der durch eine unpräzise Aussage eines Kindes nun zum Opfer seines gesellschaftlichen Umfelds wird, welches durch klare Schwarz-Weiß-Zeichnungen seitens Vinterberg augenscheinlich keine (Charakter-)Grauzonen zugesprochen bekommt, dadurch aber genau den Schritt ermöglicht, der den Zuschauer zur Eigeninitiative zwingt und den auferlegten Tellerrand auf eigene Faust zu verlassen. So muss packendes Erwachsenenkino aus Europa aussehen.

Kritik: Jacko Kunze

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