Wann hat ein Remake seine Daseinsberechtigung? Wie viel Zeit muss ins Land ziehen, damit man einem Klassiker ein Remake bescheren darf? Man darf davon ausgehen, dass das Remake von The Wolfman einen mehr als angemessenen Zeitrahmen hat verstreichen lassen. Fast 70 Jahre nach Veröffentlichung des Horror-Kult-Klassikers wagt sich Hollywood an eine Neuinterpretation des Werwolf Mythos. Wusste The Wolfman damals noch zu erschrecken, so wirkt er in der heutigen Zeit eher harmlos. Ein Klassiker, ohne Frage, aber eben ein in die Jahre gekommener Klassiker. Somit kann man zumindest den Grundgedanken des Remakes nachvollziehen und unterstützen. Doch ist das Remake gelungen? Im Horroctober wollen wir uns dieser Frage annehmen und passend zum Thema Nachtgestalten Wolfman genauer betrachten.
Noch bevor man die ersten Bilder von Wolfman gesehen hat, wird man auf einen phantastischen Cast aufmerksam. Regisseur Joe Johnston versammelt hochkarätige Schauspieler für sein Schauermär. Benicio del Toro, Emily Blunt und Anthony Hopkins in den Hauptrollen sind schon mal eine Nummer, doch selbst die Nebenrollen sind mit Hugo Weaving und Max von Sydow äußerst prominent besetzt. Hier stellt sich wieder die elementare Frage: Bedeutet ein guter Cast auch direkt, dass es sich um einen guten Film handelt? Der große Vorteil bei solchen Schauspielern ist, dass sie durch ihre Präsenz oder Spiel über Unzulänglichkeiten hinweg täuschen können. Und eigentlich passiert genau dies bei Wolfman. Die Geschichte ist insbesondere am Anfang äußerst träge. Es dauert sehr lange, bis überhaupt etwas passiert. Bis dahin verfolgen wir die Protagonisten durch ein tristes Leben in einem noch tristeren Ort. Man könnte nun meinen, dass dabei Langeweile aufkommt, doch die Personen sowie die Schauspieler können zumindest zeitweise überzeugen und täuschen über die offensichtlichen Längen hinweg.
Den gleichen positiven Effekt erwirkt auch die Ausstattung. Von der Ausstattung her macht nämlich Wolfman alles richtig. Der viktorianische Stil zieht sich konsequent durch den ganzen Film. Neblige Moore, menschenleere Gassen und düstere Wälder sahen selten so gut aus. Ein trostloser Grundtenor geht vom Setting her aus und zieht den Zuschauer in seinen Bann. Auch die zugegeben derbe Brutalität, welche hier an den Tag gelegt wird, wirkt äußerst stimmig. Viele werden von dem hohen Goreanteil etwas irritiert sein, jedoch passt es einfach. Nur allzu häufig schwenkt die Kamera in anderen Filmen weg vom Geschehen. Hier sehen wir tiefe Kratzer, blutige Bisswunden, abgetrennte Gliedmaßen und Ausweidungen, ohne das die Kamera sich vom Geschehen abwendet. Die Freigabe „Ab 16“ ist hier schon fast zu milde. Ohne Rücksicht auf Verluste reißt der Wolfman seine Opfer. Irgendwie ist es sogar erfrischend, einen dermaßen brutalen Film im Mainstreamkino zu sehen, doch ist der Bodycount etwas zu hoch. Niemand entkommt dem Wolfman. Niemand ist sicher und sobald jemand den Wolfman zu Gesicht bekommt, ist er dem Tode geweiht. Besonders bei den Actionszenen kommt selten so richtige Spannung auf, da niemand auch nur den Hauch einer Chance hat.
Grundsätzlich ist es aber falsch zu sagen, dass es sich um einen spannungsarmen Film handelt. Besonders die Szenen, in denen eben der Wolfman nicht auftaucht, transportieren eine spannende Grundatmosphäre. Dies ist selbstverständlich auch dem guten Setting zu verdanken. Ein paar Jump-Scares weniger wären durchaus wünschenswert gewesen, sind aber immer noch ok. Auch die Effekte können voll und ganz überzeugen. Besonders die Transformation zum Wolfman sind nicht zu Unrecht mit dem Oscar ausgezeichnet worden. Die Verwandlungen sehen nämlich phantastisch aus.
Doch machen wir uns nichts vor. Wolfman hat mit mehr Problemen zu kämpfen, als nur einer langatmigen ersten Hälfte. Das Design ist eher suboptimal ausgefallen. Der Wolfman ist nämlich weit davon entfernt, wie ein Werwolf auszusehen. Klar kann man hier die Nähe zum Original suchen, doch irgendwie kommt das Aussehen nicht so gut rüber. Da wäre gerade in der heutigen Zeit mehr drin gewesen. Auch weiß der Film nicht wirklich, was er genau sein will. Stellenweise übertriebenes Gemetzel lassen auf einen harten Horrorstreifen hindeuten. Doch auf der anderen Seite wirkt die Inszenierung eher wie ein Gruselfilm, gar ein Gruselmärchen. Gewürzt mit ein bisschen Liebesgeschichte und eine Spur von Romantik und fertig ist der Genrehybrid, welcher selbst keine eigene Richtung finden möchte. Besonders spürbar ist dies im Finale. So richtig will dies nämlich nicht in die Geschichte passen und ist einzig allein auf die Effekte und einen wuchtigen Kampf ausgelegt. Auch lässt die Logik des Ganzen spätestens in diesem Moment arg zu wünschen übrig.
Alles in allem wirkt das Remake von Wolfman äußerst unausgegoren. Aufgrund der derben blutigen Effekte und dem sehr gut umgesetzten Setting wird er seine Fans haben. Unterhalten wird man alle Male. Doch werden auch viele das Zusammenwerfen der einzelnen Genre kritisieren, da Wolfman somit keine eigene Linie findet und sich von überall her etwas zusammenklaut. Auch lässt die Logik mehr und mehr zu wünschen übrig, was in einem deplatzierten Finale gipfelt, welches überhaupt nicht ins Konzept des Filmes passen möchte. Eine zu aufgetragene Story erledigt zu guter Letzt ihr Übriges. Eine straffere Handlung wäre passender. Doch wird die Story hier künstlich mit diversen Sidestorys zu mehr gemacht, als sie eigentlich ist.