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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Wo ist nur die Zeit geblieben? Julie wird bald dreißig und kann es kaum glauben. Während ihr über zehn Jahre älterer Freund Aksel als erfolgreicher Comicbuch-Autor durchstartet, kann sie auf ihre abgebrochenen Studiengänge nicht wirklich stolz sein. Seriöser Familienplanung geht sie lieber aus dem Weg. Zu viel scheint für sie noch möglich. Was Julie eigentlich will? Zukunft, vermutlich, und eine glückliche bitte, wenn's geht. Nur wie ist das anzustellen? Auf einer Hochzeitsparty trifft sie den charmanten Eivind – und für eine Nacht steht die Zeit still. Das muss Liebe sein. Zum ersten Mal ist sich die sonst so unentschlossene Julie einer Sache sicher. Jedoch fällt ihr die nahende Trennung von Aksel deutlich schwerer als gedacht. Ist Eivind wirklich der richtige Mann fürs Leben? Wieder meldet sich Julies wankelmütiges Wesen – sie ist einfach der hoffnungslos schlimmste Mensch der Welt, oder?

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Das Leben ist ambivalent – und daher oft schwer greifbar, auch im Film. Wie soll man in einer zielgerichteten, gerahmten Inszenierung, samt roten Faden und Drei-Akt-Struktur wirklich die emotionale Variabilität des Gemüts einfangen? Klingt widersprüchlich – und ist doch inhärent das, was Film (und Kunst) ausmacht. Joachim Triers (Thelma) Dramödie Der schlimmste Mensch der Welt nimmt diese Frage nun als inhaltliches und emotionales Leitmotiv auf. Wir begleiten die frisch Dreißig gewordene Julie bei den Wirren des Lebens, der Liebe und – vor allem – ihrer selbst. Was viele Coming-of-Age-Filme allerdings als Basis für platten Kitsch oder flache Späße missbrauchen, verpackt Der schlimmste Mensch der Welt nicht nur schonungslos ehrlich, sondern auch wunderbar natürlich.

Julie (stark gespielt von Renate Reinsve - Oslo, 31. August) weiß nicht, was sie will. Manchmal glaubt sie, es zu wissen, nur um dann doch wieder ins Wanken zu geraten. Die Zeit macht ebenfalls nicht vor ihr halt. Mit dreißig Jahren und einem deutlich älteren Freund wird sie vor die großen Fragen des Lebens gestellt: Kinder? Zukunft? Job? Julie weiß es nicht, will es gar nicht wissen - tobt sich emotional lieber aus als sich festzusetzen, ist im Kopf manchmal zwölf, fünfundzwanzig oder auch fünfundsechzig Jahre alt. Das ist so lebensnah, wie nachvollziehbar. Manchmal ist Julie der schlimmste Mensch der Welt, manchmal der beste. Und oft irgendetwas dazwischen. Das Filmposter der strahlenden Protagonistin neben dem reißerischen Titel Der schlimmste Mensch der Welt drückt diese Ambivalenz treffend aus.

Und auch der Film macht diese stets spürbar. Inszenatorisch hält sich Regisseur Joachim Trier angenehm zurück, fängt sowohl leise wie laute Momente intim ein, verleiht ihnen nur selten eine überdramatische Note. So evoziert Der schlimmste Mensch der Welt schon fast das Gefühl einer seelischen Offenbarung, einer fiktiven Geschichte mit dokumentarischem Flair. Die Natürlichkeit des Schauspiels (neben Reinsve auch von Anders Danielsen Lie - Personal Shopper oder Herbert Nordrum - Beforeigners) unterstreicht das nur nachdrücklich.

Und dennoch schreckt Der schlimmste Mensch der Welt nicht vor Momenten des puren Surrealismus zurück. Sei es ein Drogentrip, der Julie mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert oder ein Moment, in dem vor lauter emotionaler Wucht einfach die Zeit stehen bleibt – Trier lässt seinem Film und seiner Protagonistin Raum auch mal ins Groteske zu fallen. Deplatziert wirkt das nie - ganz im Gegenteil geben diese Momente unserer Hauptfigur eine wichtige zusätzliche Ebene und Nahbarkeit. Dass Regisseur Trier diese Momente dann noch ausnehmend einfallsreich inszeniert, ist das Sahnehäubchen.

Ein zielgerichtete Vision also über ziellose Figuren – was widersprüchlich klingt, drückt genau dieses Gefühl aus und gibt dem Film so ein rundes Gefühl. Dass Der schlimmste Mensch der Welt eventuell fünfzehn Minuten weniger vertragen hätte und gegen Ende ein bisschen zu stark auf die Tränendrüse drückt, tut dem Gesamtbild nur geringen Abbruch. Joachim Trier ist hier ein natürlicher, lebensnaher Film gelungen, der die emotionale Ambivalenz von uns Menschen atmet, niemals verurteilt und damit für viele Zuschauerinnen und Zuschauer auch kathartisch sein darf.

Fazit

Ein Film über Ziellosigkeit, emotionale Höhen und Tiefen sowie die Frage, die sich jede und jeder beim Altern stellt: Sollte ich bereits Erwachsen sein? In Joachim Triers stark gespielten, lebensnahen und schonungslos ehrlichen Drama ums Erwachsenwerden, pendelt Protagonistin Julie wild zwischen Egoismus, Fürsorglichkeit, Trauer und Lebensfreude hin und her, weiß nicht, ob sie im Kopf zwölf, fünfundzwanzig oder schon fünfundsechzig ist. Ein erwachsener Film über Figuren, denen das Erwachsen-sein immer (noch) ein großes Rätsel ist.

Kritik: Thomas Söcker

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