Wenn ein Genre längerfristig in einer Krise gefangen bleibt, so wie es dem Horror-Genre wohl ohne Zweifel widerfährt, dann kann ein Schritt zurück zu den Wurzeln und alten Vorbildern Wunder bewirken. Zumindest bei einigen Zuschauern, die die traditionelleren Erzählmuster als willkommene Abwechslung zu den in sich verkanteten Abläufen anderer aktueller Genre-Vertreter wahrnimmt. The Witch Next Door stellt sich in dieser Hinsicht besonders klug an: alles, was diesen Film abwechslungsreich erscheinen lässt, finden wir in deutlich originellerer Form in seinen Vorbildern Halloween, Poltergeist oder Fright Night. Doch die Brüder Brett Pierce und Drew T. Pierce (DeadHeads), die das Drehbuch und die Regie ablegten, setzen keinesfalls auf überzeichnete Nostalgie oder eine Vielzahl an Filmreferenzen, die auf die deutlich überlegenen Vorbilder hinweisen könnten. Stattdessen arbeiten sie Elemente eifrig ein und reihen sich durch den Einbezug von sukzessiv zunehmenden Jumpscares und eher modernem Design, was die Hexe und die Schockeffekte anbelangt, in den State of the Art aktueller Produktionen mit ein.
Das ist auch der Grund dafür, dass man The Witch Next Door als kleine Filmperle wahrnehmen möchte, die erzählerisch in der Tat von deutlich mehr Kompetenz zeugt, als beispielsweise die letzten Vertreter des Conjuring-Universums. Unter anderem lässt sich das darauf zurückführen, dass der Film seinem Grusel ein eindeutiges Motiv gibt. Er erzählt von Ben (John-Paul Howard, Hell or High Water), der neben der bevorstehenden Scheidung seiner Eltern auch noch den ganz normalen Wahnsinn eines Teenagers zu bewältigen hat. Mit darunter fallen die ersten Partys, die ersten Küsse und das erstmalige Rebellieren gegen die ältere Generation. Es ist eine Zeit der Ungewissheit, der Gefahr und der Neugierde. Die Pierce-Brüder nehmen sich viel Raum, um Bens Geschichte und die Charaktere um ihn herum zu etablieren, weshalb uns später auch nicht egal ist, was mit ihnen passiert. Des Weiteren führt der Film erst spät sein eigentliches Horror-Motiv, die Hexe im Nebenhaus, ein. Auch das geschieht nur schrittweise und stets mit einer forschenden Neugierde, die dem Herantasten ans Erwachsenenalter gegenübersteht.
Die Hexe selbst begegnet uns anfangs als Mysterium, das der Film dem Zuschauer mit einigen Anlehnungen an Das Fenster zum Hof nur schrittweise erschließen lässt. Damit hält er die Spannung lange aufrecht und sorgt zum Ende hin auch dafür, dass sie sich auszahlt, The Witch Next Door avanciert dann auf den letzten Metern zu einem waschechten Creature Feature. Hinzu kommt, dass der Einsatz vieler jüngerer Darsteller, das häufige Wechseln von Settings und das Zurückgreifen auf einen markanten Score dem Film eine immense Abwechslung anderen Genre-Vertretern gegenüber verleiht. Die sanfte Nostalgie-Note, die manch einer empfinden mag, wird dabei nicht ausgeschlachtet und führt stattdessen zu einem interessanten Stilbruch, wenn sie auf die teilweise modernere Ästhetik prallt.
Lässt man den Film nach der Sichtung ein paar Stunden sacken, fällt rasch auf, dass er den Überraschungseffekt auf seiner Seite hat. Er ist ordentlich erzählt, bietet Elemente, die aktuell im Genre weniger präsent sind, und lernt von Filmen, die Kult- bis Klassikerstatus genießen. Man wird jedoch das Gefühl nicht los, all das schon diverse Male in besserer Form gesehen zu haben. So bietet der Coming-of-Age-Plot vordergründig klischeehafte Situationen und das Heranwachsen wird zwar als Hauptmotiv des Grusels begriffen, jedoch zu keinem Zeitpunkt als solches bearbeitet. Die zwischenmenschlichen Beziehungen und Konflikte erfüllen zwar ihren Zweck, erscheinen jedoch als Platzhalter, um die Handlung voranzutreiben. Mit der Hexe ist eine gruselige Kreatur geglückt, die zum Ende hin in Jumpscares und schnelle Schnitte eingebettet wird und deren Hintergrund eher dürftig erarbeitet wurde. Der Twist, mit dem das Werk abgeschlossen wird, erinnert beinahe an M. Night Shyamalan (The Sixth Sense), hat aber kaum dessen Schlagkraft.