Inhalt
Sie sind die Superstars der Protestbewegung in den USA: die berüchtigten Aktivisten The Yes Men (Mike Bonanno und Andy Bichlbaum) inszenieren seit 15 Jahren unterhaltsame, aber vor allem provokative Aktionen. Sie stellen Konzerne bloß, Lobbygruppen oder Regierungen, um aufzurütteln und aufzudecken. In schicken Secondhand-Anzügen und mit wenig Schamgefühl schleusen sie sich in Business-Events und Regierungsfunktionen ein, um auf die negativen Folgen der Globalisierung und der "Geiz-ist-geil" Kultur hinzuweisen.
Kritik
Die Yes Men, das sind Jacques Servin alias Andy Bichlbaum und Igor Vamos alias Mike Bonanno. Seit gut 15 Jahren treiben die beiden Guerilla-Aktivisten ihr Unwesen oder besser gesagt ihre „Weltverbesserungsmaßnahmen“. Ihre erst größere Aktion war es 1990, die Sprachchips von Barbie- und G.I. Joe-Figuren auszutauschen, was für reichliche Irritationen sorgte. Sie wollten damit gegen gängige Rollenmuster und Sexismus vorgehen, wie sie hinterher der Öffentlichkeit erklärten. In den letzten Jahren haben die Jungs es sich zum Ziel gemacht, den Reichen und Mächtigen noch deutlicher und besonders medienwirksam auf den Zahn zu fühlen. Protest im Stillen oder abseits der öffentlichen Berichterstattung hat nun mal selten den gewünschten Effekt, genau nach dieser Devise handeln die Yes Men. Wenn schon unangenehm auffallen, dann aber bitte richtig. Dank dem Internet konnten sich ihre Aktionen auch über die regionalen oder landesweiten Medien effektiv verbreiten, ab 2003 gingen sie noch einen Schritt weiter. In ihren Kinofilmen „The Yes Men“ und „Die Yes Men regeln die Welt“ (2009) infiltrierten sie als falsche Abgesandte diverse wirtschaftliche und politische Veranstaltungen und propagierten dort zum Erstaunen der Anwesenden wirtschaftliches, soziales und biologisches Fair Play, worauf in der Regel auch die Presse im ersten Moment reinfiel. Und selbst wenn nicht, die Aufmerksamkeit war ihnen gewiss. Wer sich hinterher über diese ausgefallenen Aktionen äußern darf, kann so letztlich auch über die Motivation sprechen, die ihnen zugrunde liegt.
Nun also ihr dritter Film, der nach bewährtem Muster vorgeht. In „The Yes Men – Jetzt wird’s persönlich“ gehen die inzwischen Mitvierziger wieder dahin, wo es wehtut (zumindest ihren Widersachern) und sie an den Rand millionenschwerer Klagen bringt. Sie geben in der Handelskammer falsche Pressekonferenzen, bauen mit Pfeifenreinigern und Carlsberg-Kästen täuschend (oder zumindest auf den ersten Blick ausreichend) echt das Podium des Klimagipfels in Kopenhagen nach und versprechen im Namen der kanadischen Regierung Milliarden an Ausgleichzahlungen für die Folgen des Klimawandels an Uganda, schmeißen zur Feier der Arktis-„Eroberung“ eine Party für Mitarbeiter des SHELL-Konzerns (bei der einige Gäste selbst die heftig in die Fresse geschleuderte Häme scheinbar nicht verstehen), schenken im Namen von GAZPROM dem Amsterdamer Zoo einen Eisbären (was allerdings gehörig in die Hose geht) und laden beim krönenden Abschluss eine Sitzung der HOMELAND SECURITY zum indianischen Kreistanz ein, um die vollständige Abkehr der USA von fossilen Brennstoffen zu feiern. Allein Letzteres muss man bald gesehen haben. Bichlbaums Perücke ist so lächerlich, dass er sich damit selbst kaum auf die Bühne traut, gegen die aufgefahrenen Indianer-Klischees wirken die Karl-May-Festspiele wie „National Geographic“ und trotzdem machen alle munter mit und offenbaren sogar eine eigene Meinung abseits der ihnen von oben Vorgegebenen. Sagenhaft.
Sich das anzusehen ist zugegeben recht lustig und unterhaltsam, die Yes Men scheinbar ziemlich sympathische Idealisten, die ihr Engagement nicht mit sinnlosen Aktionismus verpulvern sondern erkannt haben, dass man oft nur durch den Frontalangriff das notwendige Podium bekommt, um das Anliegen der Welt näher zu bringen. Vom Inszenierungsstil erinnert das an die Filme eines Michael Moore („Bowling for Columbine“), ohne zu sehr in dessen oft selbstgerechte Polemik zu verfallen. Natürlich vertreten die Yes Men ihre Ansicht ohne Wenn und Aber, lassen der Gegenseite keinen Raum für Gegenargumente oder gezielte Stellungnahmen, aber hier sprechen die Fakten schließlich für sich und es werden keine Einzelpersonen, sondern das System an sich an den Pranger gestellt. Darüber kann es kaum zwei Meinungen geben. Somit ist das, was die Jungs da treiben aller Ehren wert, ihr Einsatz in gewissem Maße vorbildlich, nur stellt sich ganz nüchtern die Frage, ob es einen (oder in dem Fall schon drei) Kinofilme gebraucht hätte, mal abgesehen von dem Primärziel, für Aufmerksamkeit sorgen. Von dem Standpunkt aus absolut sinnvoll, für den neutralen Zuschauer ist das wohl eher sekundär. Warum sollten sich Max oder Monika Mustermann „The Yes Men – Jetzt wird’s persönlich“ unbedingt ansehen, zumindest im Kino oder auf DVD/BD? Die durchaus spaßigen Aktionen sind als YouTube-Clips genauso unterhaltsam. Ein baldige Fernsehausstrahlung ist bei den Co-Produzenten (u.a. das ZDF) ohnehin gewiss. Da wäre das Projekt in der Form auch besser aufgehoben: Als nur wenige informative, dafür recht witzige Doku, die man beim Durchzappen nach Feierabend bedenkenlos laufen lassen kann.
Zudem wird man nicht mit der dazu geschusterten „Rahmenhandlung“ belästigt, auf die sich der „persönliche“ Zusatztitel des Films bezieht. Die Yes Men geben etwas aus ihrem Leben preis, zeigen Familie und sprechen über ihre private Beziehung. Das kommt nicht unbedingt narzisstisch rüber (ein gewisses Maß an Selbstdarstellung präsentieren sie natürlich, das liegt ja in der Natur ihrer Arbeit), mitunter eher leicht gestellt und was noch viel offensichtlicher und störender ist: Es ist ein notwendiges Übel, um den Film auf die erforderliche Länge zu strecken. Mit der gezeigten Aktivitäten an sich - die auch noch immer nach dem gleichen Schema ablaufen – bekommt man keine 90 Minuten voll, so musste man wohl etwas persönlicher werden. Ob das außer Hardcore-Fans irgendwen großartig interessiert sei mal dahingestellt.
Fazit
„The Yes Men – Jetzt wird’s persönlich“ ist eine nette Ansammlung ehrenwerter, mutiger, komischer und sicher nicht völlig effektloser Protestaktionen, zusammen gekleistert mit einer unnötigen Backround-Story. Hat klar Unterhaltungswert, mehr dann eben nicht. Dieser Film hallt nicht nach und wird die Welt kaum besser machen, hoffentlich sind die Aktionen der Yes Men da langlebiger. Wünschen können wir uns das alle.
Autor: Jacko Kunze