Die Theorie, dass Afraid aus dem Erfolg von M3GAN hervorgegangen ist, scheint nicht unbegründet. Blumhouse konnte Ende 2022 und Anfang 2023 mit der Roboterdame nicht nur an den Kinokassen punkten, sondern auch im Internet für Aufsehen sorgen. In einer Zeit, in der Trends schnell verfliegen, muss jedoch festgehalten werden: Afraid ist kein M3GAN, und das wird bereits kurz nach dem US-Kinostart schmerzhaft deutlich. Auch in Deutschland dürfte dieser FSK-12-Horrorfilm wenig Begeisterung unter Genre-Fans auslösen – möglicherweise gerade wegen seiner familienfreundlichen Altersfreigabe, die auf kommerzielle Absichten schließen lässt.
Dass Sony, der Verleih des Films, nur spärlich in die Werbekampagne investiert hat und Pressevorführungen gänzlich ausblieben, erklärt das verhaltene Echo nach dem Kinostart. Dies muss jedoch nicht zwingend negativ gewertet werden, denn das Thema Künstliche Intelligenz liegt im aktuellen Zeitgeist voll im Trend – auch wenn andere Produktionen dieses Sujet schon früher und tiefgründiger behandelt haben. Man denke nur an das Child’s Play-Remake, in dem Mörderpuppe Chucky nicht aus eigenem Antrieb böse ist, sondern durch eine manipulierte Programmierung.
Die Thematik der Künstlichen Intelligenz bietet grundsätzlich reichlich Raum für Interpretationen. Doch fehlt es in der jüngsten Zeit an Filmen, die das Thema jenseits einer simplen Gut-Böse-Dichotomie ernsthaft beleuchten. Afraid bietet seinem Publikum keine tiefgehende Auseinandersetzung mit den komplexen Implikationen von KI. Stattdessen handelt es sich im Kern um eine Live-Action-Adaption einer Episode von Treehouse of Horror (House of Whacks) aus dem Jahr 2001, einem der legendären Halloween-Specials der Simpsons.
Während die dysfunktionale Familie aus Springfield auf skurrile Weise charmant wirkt, versuchen John Cho (Searching) und Katherine Waterston (Alien: Covenant) als liebevolles Ehepaar und Eltern in Afraid eine perfekte Welt zu verkörpern. Das luxuriöse Zuhause sieht zumindest so aus, als würden dort tatsächlich drei Kinder leben. Regisseur Weitz, der auch das Drehbuch verfasste, bemüht sich, eine Verbindung zur Familie aufzubauen, doch es gelingt ihm nie wirklich, dies intensiv zu gestalten. Die Charaktere werden grob skizziert und in Position gebracht, nur um dann von der zunächst freundlichen KI betreut zu werden – bis diese schließlich die heile Welt in Schutt und Asche legt.
Würde die KI dies mit einer gewissen dramaturgischen Entwicklung tun, könnte Afraid durchaus spannend sein. Doch der Film kennt nur zwei Zustände: Stillstand oder Vollgas. Dadurch wirkt nichts wirklich entwickelt, sondern eher plakativ. Ob es der neureiche Firmenboss (David Dastmalchian, Late Night with the Devil) mit Bio-Hacking-Port im Körper ist oder die Beziehung der Teenager-Tochter zu ihrem Highschool-Schwarm – alles wird oberflächlich eingeführt und behandelt, sodass es schwerfällt zu glauben, dass hier überhaupt irgendwas entwickelt wurde. Vielleicht wurde der Film im Schnitt massiv gekürzt, was die Netto-Laufzeit von nur 80 Minuten erklären könnte – trotz dieser kurzen Dauer schleppt er sich jedoch mit einigen Längen dahin.
Afraid ist kein schrecklicher Film, aber für einen Horrorfilm oder Thriller erschreckend spannungsarm. Abgesehen von zwei oder drei miesen Jump-Scares gibt es wenig, das für Gänsehaut sorgt oder zumindest ein rudimentäres Interesse weckt. Fans unfreiwilliger Komik könnten in einigen Szenen dennoch auf ihre Kosten kommen. Der Film wirkt insgesamt wie das Werk einer Arbeitsgruppe, die zur Vorbereitung einige KI-kritische Artikel gelesen hat und auf die absurde Idee kam, statt eines Essays einen Genre-Film zu drehen. Diese Entscheidung erweist sich als Fehlgriff. Zwar ist die technische Umsetzung solide, doch die dargestellte Welt bleibt eine halbherzige Simulation.
Als schließlich alles enthüllt wird, ergibt sich kaum das Gefühl, dass es Sinn macht. Zwar mag das Ende eine gewisse Wahrheit enthalten (die an das Finale eines Terminator-Sequels erinnert), doch der Weg dorthin ist so abgedroschen, arm an Höhepunkten und gedanklicher Tiefe, dass dem Film letztlich echte Substanz und damit auch Schrecken fehlt. Wenn das Gruseligste an einem Horrorfilm darin besteht, dass die KI den Kindern Emoji - Der Film auf Netflix zeigt, dann ist das wie die endgültige Unterschrift unter einem Armutszeugnis.