Inhalt
Seit mehr als 30 Jahren ist Pete „Maverick“ Mitchell (Tom Cruise) als Top-Pilot für die Navy im Einsatz. Als furchtloser Testflieger lotet er die Grenzen des Möglichen aus und drückt sich vor der Beförderung, die ihn auf den Boden verbannen würde. Als er eine Gruppe von Top-Gun- Auszubildenden für eine Sondermission trainieren soll, trifft er auf Lt. Bradley Bradshaw (Miles Teller) mit dem Spitznamen „Rooster“, den Sohn von Mavericks verstorbenem Co-Piloten und Freund Nick Bradshaw, „Goose“. Konfrontiert mit den Geistern der Vergangenheit, ist Maverick gezwungen, sich seinen tiefsten Ängsten zu stellen, denn die Sondermission wird von allen, die für diesen Einsatz auserwählt werden, das ultimative Opfer fordern.
Kritik
Ja, Top Gun: Maverick sollte eigentlich schon 2020 in die Kinos kommen, zu einer Zeit, in der Krieg und Krise in der westlichen Welt zwar immer noch exisitierte, aber kein so großes Thema war. Nun, 36 Jahre nach dem Start des ersten Teils und drei Jahre nach dem ersten Teaser, ist die Situation anders. Corona, Ukraine, Russland. Gefühlt innerhalb kürzester Zeit kam erst der Kalte und dann er Heiße Krieg zurück, bedauerlicherweise. Da passt der Start der Fortsetzung wie die Faust aufs Auge. Top Gun: Maverick ist ein Werk aus anscheinend besseren, einfacheren Zeit. Das Feindbild war damals nicht diffus. Die Positionierung war simpel und funktionierte blendend: Da die Guten, dort die Bösen. Eine erzählerische Taktik, die auch heutzutage genutzt wird. Zwar erhält der große Gegenspieler im zweiten Teil keine wirkliche Bezeichnung und schon gar nicht ein Gesicht (wie auch schon im Original), aber wer braucht schon eine Motivation oder gar Persönlichkeit, wenn es dafür neue Kampfjets und irgendein atomares Bedrohungsszenario im Nirgendwo von Fiktionalistan gibt?
Top Gun: Maverick lässt nicht nur zu Beginn, wenn Regisseur Joseph Kosinski (No Way Out - Gegen die Flammen) den Vorspann des Originals versucht, pflichtbewusst nachzuahmen, den Eindruck aufkeimen, das Jahr 1986 ist gar nicht so weit entfernt. Das Sequel verbeugt sich manchmal regelrecht krampfhaft gegenüber Tony Scotts Hollywood-Durchbruch und gibt scheinheilig vor, eine neue Geschichte zu erzählen. Aber eigentlich ist das, was die Drehbuchautoren (u. a. Ghost in the Shell-Schreiber Ehren Kruger und Cruise‘ Wingman Christopher McQuarrie) hier auffahren, im Großen und Ganzen mehr eine abgewandelte Neuerzählung, die um Tom Cruise und seine Figur des Pete 'Maverick' Mitchell kreist. Eine Rolle, die Mitte der 1980er gewiss ein großer Gewinn für den heutigen Edge of Tomorrow-Star war. Mittlerweile darf und sollte man sich aber wirklich fragen, ob dieser Maverick wirklich so ikonisch ist, wie es einem das Marketing weis machen will.
Da hilft es auch nicht wirklich, dass die neuen Figuren im Grunde nur Epigonen der damaligen Charaktere sind, wobei die Bezeichnung Charaktere auch zu hoch gegriffen ist. Es sind Retortenerzeugnisse, die emotional mal mehr oder weniger mit Maverick verbandelt sind. Kein wirklicher Reinfall, aber auch nichts, was wirklich über Blaupausen-Dramaturgie hinaus geht. Da kann Miles Teller (Whiplash) als Rooster, Filmsohn von Top Gun-Opfer Goose (Anthony Edwards, Emergency Room), noch so sehr verbissen Cruise anstarren und einen Daddy-Issue-Schnurrbart spazieren tragen, es ändert nichts daran, dass das vom Sequel verfolgte Storygerüst mehr an eine verrostete Cessna erinnert, als an einen Tarnkappenbomber. Da sei auch noch erwähnt, dass die Romanze zwischen Maverick und Bar-Besitzerin Penny (Jennifer Connelly, Das Haus aus Sand und Nebel) recht kalt bleibt, dafür aber der Gastauftritt von Val Kilmer (True Romance) hübsch ehrenvoll geraten ist.
Aber gut, sein wir ehrlich, wer schaut sich diesen Film wegen Emotionen und/oder den Figuren an? Die wenigstens. Der wahre Star, noch größer als Cruise, sind die Flugszenen und um das klar zustellen, wer mit Jets und Luftkampf etwas anfangen kann, wird hier einige bockstarke Szenen und Momente zu sehen bekommen. Doch leider lauert hier ein großes ‚Aber‘. So technisch eindrucksvoll die Bilder innerhalb und außerhalb der Cockpits auch sind, der Schnitt macht es gerne mal schwer sich in diesem Wirrwarr aus Oben und Unten, Gefahrlos und Danger Zone zurechtzufinden. Es sind keineswegs Schnittmassaker, die hier dargeboten werden. Top Gun: Maverick ist zum Glück bei weitem kein Ambulance, aber dennoch ist der Geografie innerhalb der Actionszenen manchmal schwer zu folgen. Das ändert aber natürlich nichts daran, dass jede*r mit einem Faible für Dogfights, Schubdüsen, Schleudersitze und Militär hier die Deluxe-Edition des Wohlfühlprogramms erhält.
Und wenn wir schon dabei sind, Top Gun: Maverick ist wie sein Vorgänger ein reinrassiges Werbevideo für Hooray USA und das Militär, aber im Vergleich zu 1986 wird etwas subtiler vor den Stars and Stripes salutiert. Vielleicht ist dieses behutsamere Vorgehen noch etwas hinterlistiger und verlogener als damals, aber zumindest suppt es die Geschichte nicht zu sehr mit Pathos und Schwülstigkeit zu. Wirklich unkritisch kann und sollte man den Film aber nicht betrachten. Was hier zelebriert wird, ist an vorderster Stelle – sagen wir es frei raus – schon ziemlich kriegsverherrlichender Unsinn. Was gibt es Schöneres, als zu fliegen? Richtig, es für das Militär zu tun. Die harten Jungs und Mädels mit dem Herz aus Gold. Gewiss, diese Art der Bemängelung mag sich sehr gestrig anhören und anfühlen, aber das Gleiche lässt sich eben auch zu Top Gun: Maverick sagen und seine verwendete Glorifizierung von Kameradschaft sowie Aufopferung und vor allem Krieg. Der wird hier so eklatant sauber und rein dargestellt, dass man meinen könnte im Gefecht gibt es im Großen und Ganzen lediglich Sachschäden zu betrauern. Schon ziemlich ekelig.
So, wer es immer noch nicht verstanden hat, ja, der Schreiber dieser Zeilen stimmt den vielen Lobeshymnen, die das Sequel im Vorfeld einheimste, nicht zu. Wer aber den ersten Teil bereits mochte, Tom Cruise gerne zusieht, wie er Tom Cruise ist und einen Hang für romantisierte Armeedarstellungen und Schallmauer durchbrechende Jets, die stellenweise ohne sichtbare digitale Tricks über die Leinwand fliegen, hat, der*die macht mit einem Ticketkauf für Top Gun: Maverick absolut nichts verkehrt. Alle anderen warten und freuen sich wohl lieber auf Mission Impossible — Dead Reckoning, der 2024 erscheinen soll. Bis dahin grüßt mir die Sonne, lieber Flieger.
Fazit
Eine militärische Fantasterei, hoch in den Wolken und unten in der Kaserne. Ein Sequel, welches es nicht gebraucht hätte und welches trotz technisch eindrucksvoller Flugszenen nie mehr als eine krampfhafte Verbeugung vor dem Original ist, ohne diesem etwas wirklich Neues abzugewinnen. Ein Film für Fans von Cruise und „Top Gun - Sie fürchten weder Tod noch Teufel“. Genau die dürften eine echt gute Zeit im Kino haben, wo der Film - trotz aller Kritik - definitiv hingehört.
Autor: Sebastian Groß