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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

In seinem Regiedebut Tyannosaur präsentiert der Schauspieler Paddy Considine eine bewegende Geschichte aus der englischen Arbeiterklasse: Joseph (Peter Mullan) ist Choleriker und hat es bis jetzt noch immer geschafft, jede Beziehung zu einer Frau durch seine Wutausbrüche zu zerstören. Als er Hannah kennenlernt, scheint ein wenig Hoffnung aufzukeimen. Doch die Frau, in einem Geschäfft für christliche Artikel arbeitende Frau hat selbst ein dunkles Geheimnis.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Der deutsche Nebentitel, den das Debüt-Werk des britischen Paddy Considine bekommen hat, ist durchaus irreführend. „Eine Liebesgeschichte“ heißt es da. Das mag stimmen, sind die Liebe beziehungsweise die seltsamen Erscheinungsformen der solchen, doch eines der zentralen Themen des Films. Aber die Kette von Gedanken, die bei dem genannten Titel durch den menschlichen Kopf zu rattern beginnt, die lässt den Zuschauer mit seinen Erwartungen in eine komplett falsche Richtung gehen und am Ende gepflegt auflaufen. Das dauert nicht einmal lange; der Film beginnt nicht hoffnungsvoll und ändert dann behutsam die Fahrtrichtung. Stattdessen reißt er den Zuschauer zu Boden, lässt die Bremsen quietschen und verpasst ihm zu aller erst ein paar ins Gesicht. Viel Spaß mit „Tyrannosaur“. Einer Liebesgeschichte.

Nach der ersten Szene, in der der Regisseur Considine auf eine der bekanntesten Film-Kniffe spuckt (quasi Drehbuchschreiben 101; „save the cat“) und dem normalen Filmzuschauer deutlich macht, wer hier das sagen hat und was man erwarten darf. Kein Friedefreudeeierkuchen, kein deus ex machina, keine aktuelle Pop-Musik, kein Sonnenaufgang am Ende der Dunkelheit. Stattdessen gibt es Joseph, der erste Mensch der Welt, der in seinen cholerischen Anfällen einmal mehr zu weit geht und seinen geliebten Hund tötet. Ja, das ist der Anfang des Films. Es gehört verdammt viel Mut und Willenskraft dazu, ein Werk so zu eröffnen. Es zählt aber auch verdammt viel Können dazu, dass man Joseph selbst nach so einem Beginn irgendwie nicht zu hassen vermag, sondern tiefstes Mitleid verspürt.

Joseph (Peter Mullan, "Harry Potter und die Heiligtümer des Todes") ist arbeitslos, bezieht Sozialhilfe, sitzt eigentlich den ganzen Tag in einer Kneipe, trinkt Bier und lässt seine unbändige Wut aus sich herausbrechen. Wie ein Tsunami trifft er auf sein Umfeld, der Boden bebt, die Füße werden unter einem weggerissen und der schäumende Hass türmt sich meterweit über dem unglücklichen Opfer auf. Homophobie, Xenophobie, Misanthropie. Hauptsache Hass, der vom Selbsthass ablenkt. Der ist es nämlich, der Joseph eigentlich zu schaffen macht. Viel mehr als alles andere hasst er sich selbst. Viel mehr als seinen Assi-Nachbarn, der das Kind des Hauses wie Dreck behandelt und oben ohne in Jogginghose seinen Hund aufhetzt. Dieser Teil ist existenziell für den Film, bringt der bellende Köter doch einen Kontrast zur Figur des Joseph, der sich ihm entgegengesetzt bewegt. Joseph ist am Anfang dieser Köter, der anderen das Gesicht wegbeißt, der von seiner Außenwelt aufgestachelt wird, bis er explodiert.

Hier kommt der eigentliche Filmtitel ins Spiel. Den titelgebende „Tyrannosaur“ kann man auf mehrere Arten verstehen und auseinandernehmen. Der Wortbestandteil „Tyrann“ ist sicher ein Element, das zeigt, wie Joseph sich unterdrückt fühlt und wie er versucht, durch das tyrannisieren aus seiner Opferrolle auszubrechen. Joseph fühlt sich - nimmt man nun wieder den gesamten Filmtitel in Betracht - wie ein Wesen aus früheren Zeiten. Als dürfte er eigentlich gar nicht mehr existieren, als sollte er eigentlich ausgestorben sein. Ein Problem der Vergangenheit, hach wie gut, dass man sich damit (mit der Unterschicht) nicht mehr auseinandersetzen muss. Joseph hat keinen Platz mehr in dieser Welt, die ihm keinerlei Aufmerksamkeit widmen will. Er wird ignoriert und versucht diese Ignoranz unmöglich zu machen, in dem er austickt, an die Decke geht und Sachschaden anrichtet. Der fällt nämlich immer auf. Eine weitere Bedeutung des Filmtitels wird von Joseph selbst erzählt. Seine verstorbene Frau sei fettleibig gewesen, er habe sie Tyrannosaurus genannt. Er fand das lustig. Dieser bittere, weil liebevoll gemeint aber nicht so angenommene Humor kann und wird auf Dritte befremdlich, gar abstoßend wirken. Für Joseph ist er der letzte Halm.

Und die Liebesgeschichte? Die entsteht, sobald Joseph, nach Jahren der Gewalt, Brutalität und Hyperventilierung in seiner Einsamkeit auf Hannah (Olivia Colman, „Broadchurch“) trifft. Er versteckt sich in ihrem Laden und findet in ihr den ersten Menschen, der ihn nicht anguckt, als wäre er Abschaum. Der ihn nicht nur mit der Kneifzange anfässt, sondern ihn behandelt, als wäre er real. Das ist etwas, was Joseph wer weiß wie lange nicht mehr erlebt hat - er ist unsicher in dieser Situation und stellt das ihm bekannte Gleichgewicht wieder her, in dem er sie wie Abschaum behandelt, sie runterputzt und ihr Wort und Wissen verneint. Dass er mit Hannah jedoch auf einen Menschen getroffen ist, der Ähnliches durchlebt und versucht, ihrem Unmut auf introvertierte Art und Weise gerecht zu werden, das muss er noch lernen. Und das wird er auch. In der Liebesgeschichte.

Fazit

Mit „Tyrannosaur“ hat Paddy Considine ein herausragend intensives Werk abgeliefert. Das liegt zu großen Teilen an dem Schauspielergespann mit Eddie Marsan, vor allem aber an der low key-Inszenierungsart des Films und der Tatsache, dass sich der Streifen eine Ein-Satz-Message verbittet. Wer von dem Werk erwartet, dass man am Ende in sechs Wörtern sagen kann, worum es hier wahrlich geht, der ist auf der falschen Spur. Vielmehr wird man hier Zeuge eines Erlebnisses, das man nicht erleben will. Verdammt stille anderthalb Stunden bringt man hier zu, in denen die Figuren und der Zuschauer in Verderben und Schande baden müssen und in denen der bloße Gedanke an Glauben und Hoffnung absolut absurd wirkt.

Kritik: Levin Günther

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