MB-Kritik

A Balcony in Limoges 2025

Drama

Fabienne Babe
Anne-Lise Heimburger
Jérôme Pouly
Lorena Celine
Antonin Battendier
Émilien Tessier
Patrice Gallet

Inhalt

Die Mittfünfzigerin Gladys lebt am Rande der Gesellschaft – ohne Zuhause, ohne Krankenkasse, ohne Bankkonto. Nichts bedeutet ihr etwas, nicht einmal Sex, Alkohol oder das Tanzen, dem sie sich mit ausgelassener Raserei hingibt. Eines Morgens trifft sie zufällig ihre frühere Schulfreundin Eugénie, die versucht, ihr zu helfen – gegen ihren Willen.

Kritik

Der titelgebende Balkon, von dem die Figuren Jérôme Reybauds (Poitiers) unausgewogener Humoreske wiederholt in die Gegend blicken, bietet vermutlich eine interessantere Aussicht als  die Leinwand. Dort entspinnt sich ein unentschiedenes Gewirr aus Charakterskizze, Sittenbild und psychologischem Miniaturdrama, bei dem die absichtliche Komik versagt und die ernsten Momente ins Lächerliche abgleiten. Im Kern der schlingernden Story steht ein sozialer Rückzug. Gladys (Fabienne Babe, Aires 06) hat sich scheinbar gänzlich von der geregelten Gesellschaft losgelöst. Doch das kann ihre ehemalige Schulfreundin Eugenie (Anne-Lise Heimburger, Plastic Guns) nicht hinnehmen.

Auch der Regisseur und Drehbuchautor will einen solchen Ausstieg augenscheinlich nicht dulden. Schon gar nicht bei einer älteren Frau, die ohne Papiere, ohne Konto und Wohnung lebt. Ob vollends freiwillig oder auch aus Mangel an Alternativen erschließt sich nie. Ihre Weigerung, aufdringliche Hilfsangebote zu nutzen, oder Nähe zuzulassen, pendelt zwischen trockener Absurdität und stoischer Selbstbehauptung. Reybaud lässt die Szenen meist offen auslaufen, ohne dramaturgischen Rhythmus und psychologische Konsistenz. Die Verweigerung konventioneller Strukturen wird letztlich als grotesk und bemitleidenswert dargestellt wird. 

Gladys exzessiver Alkohlkonsum, ihr wildes Tanzen, dass die Handlung mühsam auf Spielfilm-Länge streckt, und ihre Ablehnung etablierter Institutionen wie Banken und Behörden wird auf eine versteckte Tragödie und psychische Labilität zurückgeführt. So pathologisiert der biedere Plot das stille Aufbegehren gegen soziale Normen, statt diese zu hinterfragen. Der vorhersehbare Ausgang erscheint als moralistische Lektion, die emotional indes kalt lässt. Visuell bleibt Reybaud seinem Stil treu: lange Einstellungen, ruhige Kamera, eine fast dokumentarische Aufmerksamkeit für Räume, Gesichter, Pausen. Das ist ästhetisch konsequent, ermüdend fade.

Fazit

Für die scheiternde Frauenfreundschaft im Zentrum der kruden Handlung mangelt es Jérôme Reybaud ebenso an Gespür wie für die gesellschaftliche Realität eines Ausstiegs. Sein bei aller Kürze zermürbend langatmiges Szenario ist mehr Collage unfertiger Ideen als abgerundetes Drama. Begegnungen versanden, Gespräche bleiben ermüdend banal, radikale Aktionen schwanken zwischen missglücktem Schockeffekt und zynischem Gag. Die patriarchalische Bigotterie unterstreicht das manipulative Kalkül der emotionalen Momente, denen passables Schauspiel keine Authentizität verleihen kann. Das Resultat versackt zwischen Melodrama und krampfiger Ironie, nicht pointiert genug für Satire oder Sozialkritik.

Autor: Lida Bach
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