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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Sandra, Mitte 30, lebt in Paris und zieht ihre Tochter allein groß. Neben ihrem Job als Übersetzerin kümmert sie sich liebevoll um ihren kranken Vater, für den sie ein geeignetes Heim sucht. In dieser turbulenten Zeit tritt ein alter Freund in Sandras Leben, den sie aus den Augen verloren hatte. Obwohl Clément bereits liiert ist, flammt zwischen den beiden eine zuvor verborgene Leidenschaft auf.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Besonders ausufernd waren die Filme von Mia Hansen-Løve (Eine Jugendliebe) noch nie: Die französische Filmemacherin hält den Rahmen ihrer Werke behutsam klein und vertraut, egal ob es um das Milieu von verschrobenen Akademikern oder noch exzentrischeren Künstlern geht. An einem größeren Erzählbogen war sie wohl am nächsten mit der Lebensgeschichte eines Pariser DJs Eden dran, an einer unkonventionellen Erzählweise wohl zuletzt in ihrer Metaspielerei Bergman Island. Aber von einer Filmemacherin, die so virtuos Menschen im Alltag in vertrauteren Konflikten darstellt, ist ein größerer Umfang gar nicht notwendig. Dies beweist sie in ihrem neuen Film, welcher den genauso mondänen wie poetischen Titel An einem schönen Morgen trägt, erneut auf grandiose Weise. Ausgestattet mit charmanten Pixie-Haarschnitt darf Arthouse- wie Hollywoodveteranin Léa Seydoux (Keine Zeit zu sterben) hier ausnahmsweise nicht die hochstilisierte Femme Fatale geben, sondern in der Rolle der verwitweten, alleinerziehen Sandra mal ganz vertrauteren Problemen nachgehen. So erlebt die Mitte 30-jährige Dolmetscherin zwischen professionellen Übersetzungen bei Parlamentssitzungen und dem Betreuen ihrer Tochter Linn (Camille Leban Martins) sowohl einen sich andeutenden Schicksalsschlag wie auch einen zweiten Frühling. Federleicht und dennoch ohne einfache Problemlösungen präsentiert Hansen-Løve in diesem Szenario die Gegensätze des Lebens als Schnittstelle zwischen den Sorgen der Zukunft und der Sehnsucht nach der Vergangenheit, welche sich in den flüchtigen, wie magischen Stunden namens Alltag finden lässt.

Zum einen ist da besagter Schicksalsschlag: Sandras Vater Gregor (Pascal GreggoryLa Vie en Rose) wird mit dem Benson-Syndrom diagnostiziert, einer Demenz ähnelnden Krankheit, welches den ehemaligen Uni-Professor bald an einfachsten Aufgaben scheitern und zum Pflegefall werden lässt. Für Sandra ist der sich anbahnende Verfall ihres Vaters sowohl ein Vorbote des eigenen Älterwerdens wie auch das finale Ende der letzten Überbleibsel ihrer Kindheit. Bei diesen Implikationen, wie auch in der Frage was mit Gregors Büchern passieren wird, stellte dessen private Bibliothek doch eine Erweiterung seines Geistes dar, verbleibt Hansen-Løve dann aber und betrachtet diesen sich anbahnenden Abschied nüchtern und ungeschönt, ohne aber sie zu sehr in den Fokus zu rücken. An trauerhaften Mitleid ist ihr Film wenig interessiert und fokalisiert den Zustand von Gregor, dessen geistiger Verfall ihn immer mehr zum stammelnden, unverständlichen Kind reduziert, ganz explizit darauf, was er für Sandra bedeutet. Der Verfall des Geistes als erster Schritt hinzu auf das Ende des Lebens ist in sich selbst schon ein bitterer Abschied. Das Sandra ihren Vater, trotz aller Mühen um dessen Wohlergehen, loslassen muss, um nicht selbst daran zu zerbrechen, ist eine der bittersten Wahrheiten, die dieser Film kommuniziert. An einem schönen Morgen ist aus dieser Perspektive nicht nur ein Film über das Leben, sondern auch über das Überleben. Durch die schauspielerische Virtuosität von Séydoux, die Sandra sowohl als gefasste und mitten im Leben stehende Frau porträtiert, die nur in kleinen Momenten ihren Emotionen dann umso heftiger ausgesetzt ist, entsteht das Porträt vom letzten Schritt in Richtung Erwachsenwerdens: Der Moment, wenn man so erwachsen sein muss, wie noch nie, erwachsener als der eigene Vater. 

Doch dieser schmerzhafte letzte Schritt zum Erwachsenen fällt bei Sandra mit einem scheinbar letzten Ruf aus Teenagertagen zusammen: Beim Spazieren gehen begegnet sie Clément (Melvil Poupaud, Laurence Anyways), einem Freund aus Kindertagen. Mit dem verheirateten Cosmochemist, der um die Welt reist, um Sternenstaub zu suchen, stürzt sie sich schließlich in eine stürmische Affäre. In der Natur dieser Leidenschaft verbirgt sich Sandras, die sich seit dem Tod ihres Mannes von Begehren eigentlich verabschiedet hatte, Regression in ein naives, verliebtes Mädchen, bei der jeder Abschied zum Herzschmerz wird und jede sehnsuchtsvolle Textnachricht ihres Liebhabers sie endlos strahlen lässt. Der Natur dieser Affäre entsprechend bedeutet Clemént für sie eine Flucht vor erwachsenen Sorgen, wie auch die Projektion für eine gemeinsame Zukunft, welche vielleicht, vielleicht auch nicht, unmöglich erscheint. Das beide Erzählstränge, des kranken Vaters und der Affäre, so entgegengesetzt zusammen fallen, macht dabei die Virtuosität von Hansen-Løves Film aus: An einem schönen Morgen versteht, wie gegensätzlich sich die Entwicklung eines Menschen verlaufen kann. Ihren inneren Teenager muss Sandra erst loslassen, die Frau ohne ihren Vater erst finden. Der Film aber, anstatt diesen Prozess zu schildern, bleibt bei diesen Gegensätzen angenehm stehen und lehrt uns stattdessen erhaben, dass besagter Weg komplizierter ist und niemals linear verlaufen wird.

Fazit

In „An einem schönen Morgen“ vereinigen sich die Gegensätze des Alltags zu der Erkenntnis, dass der Weg zum Erwachsenen auch mit Mitte 30 noch nicht abgeschlossen sein muss. Das der Film sich dennoch harmonisch und ungezwungen, aber nie beschönigend, anfühlt, spricht Bände über dessen Menschenverständnis, dessen Einfühlsamkeit und dessen Liebe zur Ungewissheit des Lebens.

Kritik: Jakob Jurisch

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