Neele Leana Vollmar (Rico, Oskar und die Tieferschatten), die Regie und Drehbuch in Personalunion übernahm, erzählt mit Dann passiert das Leben eine Geschichte, die auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, sich aber rasch als fein beobachtetes Porträt zweier Menschen entpuppt, deren Lebenswege in die Jahre gekommen sind. Anke Engelke (Perfekt verpasst ) und Ulrich Tukur (Köln 75) spielen Hans und Rita, ein Ehepaar, das sich nach Jahrzehnten im Trott wiederfinden muss – diesmal ohne die vertrauten Strukturen von Beruf und Familie. Was folgt, ist keine plakative Abrechnung mit dem Alter, sondern eine stille, stellenweise bittere Reflexion über das, was bleibt, wenn das Leben Routine geworden ist.
Die Erzählung beginnt beinahe wie eine leichtherzige Beziehungskomödie. Ein gewisser Witz, oft leise giftig, durchzieht die ersten Szenen und sorgt für Momente der Leichtigkeit, die nicht nur unterhalten, sondern auch Nähe zu den Figuren schaffen. Doch Vollmar entzieht diesem Ton langsam den Boden. Was am Anfang heiter klingt, entwickelt sich zu einer zunehmend ernsten Auseinandersetzung mit Enttäuschungen, unausgesprochenen Verletzungen und der Angst vor dem, was nach der Arbeit kommt. Dieser Wechsel gelingt, weil die Dialoge unaufgeregt bleiben und die Kamera sich auf das Wesentliche konzentriert: Gesichter, Gesten, kleine Verschiebungen in der Alltagsroutine.
Tukur und Engelke tragen das Werk mit großer Souveränität. Beide Figuren sind so angelegt, dass man sich nie vollständig auf eine Seite stellen kann. Hans wirkt oft bestimmend, während Rita sich hinter ritualisierten Gewohnheiten verschanzt, als könne das tägliche Frühschwimmen die drohende Leere bannen. Die Schauspieler verleihen ihren Figuren eine Ambivalenz, die sie gleichermaßen nachvollziehbar wie herausfordernd macht. Das führt dazu, dass man beide immer wieder verstehen, aber auch kritisieren möchte – ein Balanceakt, der in vielen Dramen misslingt, hier jedoch überzeugt.
Vollmar arbeitet mit auffälligen Symbolen: ein defektes Bremslicht und Rollo, ein Entenpaar im Garten. Solche Metaphern sind klar erkennbar, manchmal etwas aufdringlich, dennoch funktionieren sie, weil sie das Thema des Zerfalls verstärken, ohne den Film in reines Kunstgebaren kippen zu lassen. Die Inszenierung bleibt insgesamt bodenständig, nah am Alltäglichen, und verzichtet bewusst auf große visuelle Gesten. Stattdessen entsteht eine Atmosphäre, die fast dokumentarisch wirkt – unspektakulär, aber treffend.
Mutig ist, dass Vollmar ihren Figuren auch unsympathische Seiten zugesteht. Rita kann verletzend sein, Hans mitunter kleingeistig. Doch diese Härten ergeben sich organisch aus der Situation. Dadurch entsteht ein Realismus, der dem Film Gewicht verleiht. Besonders bemerkenswert ist, dass er nicht in die Falle gerät, die Bitterkeit des Lebens mit simplen Sinnsprüchen aufzulösen. Stattdessen bleibt ein Rest an Schwere, ein Unbehagen, das nicht beschönigt wird. Gerade das macht Dann passiert das Leben glaubwürdig.
Allerdings bleibt die Gratwanderung nicht immer makellos. An manchen Stellen versucht das Drehbuch, die Deutungshoheit zu behalten, indem es Erklärungen nachliefert, wo Andeutungen gereicht hätten. Hier wäre weniger tatsächlich mehr gewesen. Auch die Häufung an Symbolen wirkt gelegentlich so, als wolle der Film sein Publikum zu sehr führen, statt Vertrauen in die eigene Bildkraft zu setzen. Diese Schwächen mindern den Gesamteindruck zwar nicht erheblich, verhindern aber, dass der Film über sein solides Fundament hinaus in wirklich herausragende Höhen aufsteigt.
Am Ende steht ein Werk, das keine einfachen Antworten gibt und seine Zuschauer dennoch nicht im Dunkeln lässt. Es bleibt ein ernsthafter, stiller Film über zwei Menschen, die aneinander vorbeileben und plötzlich gezwungen sind, hinzusehen. Vollmar liefert eine ehrliche Reflexion über das Altern, über Angst, Routine, die Brüche, die sich über Jahrzehnte einschleichen - oder wie ein Dampfhammer aus den Nichts kommen und fast alles zermalmen.