"Quo vadis, M. Night Shyamalan?", so oder so ähnlich lässt sich das Schaffen des umtriebigen Regisseurs wohl ganz gut zusammenfassen. Mit Sixth Sense legte er seinerzeit einen schnörkellosen Überraschungshit aufs Parkett, danach folgte ein stetes Auf und Ab. Mit The Visit überzeugte er zuletzt wieder einige Fans und Kritiker, und nun geht es also mit Split an das Thema Persönlichkeitsstörungen heran. Wie auch beim vorherigen Werk ist das Budget eher klein geraten, dafür steckt Blumhouse Productions wieder als Produzent mit in der Angelegenheit drin. Und aktuell vermag wohl kaum eine Produktionsfirma mit teils kaum vorhandenem Budget so riesigen Umsatz zu machen (siehe so ziemlich alle Teile von Paranormal Activity, aber auch Damien Chazelles Überraschungshit Whiplash, der 3,3 Millionen Dollar kostete und 49 Millionen einspielte).
Shyamalans Filme sind also zu einer Art Roulette geworden, Treffer und Niete liegen wohl kaum bei einem Regisseur so nah beieinander und werden vom Publikum auch extrem unterschiedlich aufgenommen. Split hat gegenüber so ziemlich allen anderen Filmen allerdings ein Ass von kolossalem Ausmaß in seinem Ärmel versteckt, nämlich James McAvoy. Der zeigt nach Trance und Drecksau erneut ein gewisses Faible für verstörende Figuren, geht hier aber wirklich ins Extreme über. 23 Persönlichkeiten schreibt ihm das Drehbuch zu, allerdings kommen nicht alle in der Geschichte vor. Hauptsächlich wechselt er zwischen einer Handvoll umher. Barry (ein stilbewusster Modedesigner), Hedwig (ein lispelnder Neunjähriger mit einem Faible für Musik), Patricia (eine sehr strenge ältere Dame) und Dennis, der in letzter Zeit die Zügel fast vollständig übernommen hat, kämpfen gleichermaßen um "Das Licht", also die Kontrolle. Und dann ist da noch die Bestie, die den Großteil des Films als unsichtbares, ungreifbares Schreckgespenst verbringt.
McAvoy wechselt teilweise von Satz zu Satz zwischen diesen Persönlichkeiten, und allein schon deswegen ist Split tatsächlich irgendwie sehenswert. Fast scheint es, als würde sich sein Körperbau, die Zusammensetzung seiner Knochen mit jeder Figur verändern. Teilweise ist nicht gleich ganz klar, mit welcher Persönlichkeit der Zuschauer es hier zu tun hat, und das Raten gestaltet sich als durchaus schwierig. Dass für einige Szenen später im Film zwar ein Stuntman bereitstand, aber nicht gebraucht wurde, macht die Leistung nochmal um einiges körperlicher und absolut bewundernswert. Als einzige nennenswerte Gegenrolle dient Anya-Taylor Joy (The Witch) als das Entführungsopfer, dass mehr darf als nur auf die Nerven gehen. Betty Buckley als Psychotherapeutin ist wandelnde Exposition und klärt den Zuschauer permanent über Dissoziative Identitätsstörungen auf. In diesen Szenen kommt der Film zum vollständigen Halt, was der ganzen Angelegenheit absolut keinen Gefallen tut.
Denn Spannung oder gar Grusel, wie es der Trailer vermittelt, kommt hier selten auf. Split spielt mit dem Ungewissen, oder versucht es zumindest. Dabei werden klassische Elemente von Entführungsthrillern mit einer Prise Actionfilm und einer guten Dosis Psychodrama vermischt, doch die finale Mixtur will nicht recht munden. Dies auch, weil bis zum zugegebenermaßen doch noch packenden Finale einfach zu viel Irrelevantes passiert. Die Fluchtversuche der jungen Frauen sind dermaßen uninspiriert, dass sie zum Ärgernis verkommen. Sympathie und Mitleid sind schwer zu erzeugen, wenn die betroffenen Figuren nur terrorisiert werden, damit eben jemand terrorisiert wird. Das spätere "aus den Augen, aus dem Sinn" Verfahren ist ebenfalls wenig hilfreich. Endlose Wiederholungen der von Haus aus repetitiven Gespräche mit der Therapeutin sind nur dann spannend, wenn nicht ganz klar ist, mit welcher Persönlichkeit gerade gesprochen wird. Und generell mag der Ursprung dieser Persönlichkeitsstörung zwar korrekt aufgearbeitet sein, die Ausarbeitung taumelt aber allzu schnell in wirklich schräge und irgendwo auch fragwürdige Gefilde hinüber.
Visuell und auch vom Ton her ist Split dann wieder überzeugend und präsentiert ein paar atemberaubende Bilder, die sich ins Gedächtnis brennen. Irgendwo ist es M. Night Shyamalan auch hoch anzurechnen, dass er scheinbar seinen ganz eigenen Kurs fährt und auf diesem exakt das macht, was er will. Kompromisslosigkeit bedeutet aber im Falle von Split auch, dass die Trefferquote deutlich sinkt. Neben schönen Bildern und einem wirklich, und das kann man nicht oft genug festhalten, großartigem James McAvoy bietet Split dann leider nicht wirklich mehr als Durchschnittsware, die vom aus dem Nichts kommenden Twist, der so typisch für den Regisseur geworden ist, auch nur kurzzeitig gerettet werden kann.