Wenn außerirdische Wesen den Planeten Erde (in meist böswilliger Absicht) aufsuchen, nutzen sie hierfür gemeinhin entweder hoch technisierte Raumschiffe oder aber auf die Erde stürzende Meteoriten. Ganz andere Wege geht da der aus dem Jahr 1999 stammende Film Virus, der eine Mischung aus Horror- und Science-Fiction-Film darstellt. Bei Virus dreht sich alles um ein fremdartiges Energiewesen, welches durch eine Satellitenübertragung der Raumstation Mir an Bord eines russischen Militärforschungsschiffs gelangt ist. Diese Art des extraterrestrischen Reisens ist zwar nicht gänzlich neu, denn auf diese Weise kam beispielsweise bereits 1986 in dem Film Terrorvision ein Alien auf die Erde, aber sie ist dennoch vergleichsweise selten. Weit weniger selten trifft man als ZuschauerIn wiederum auf die Handlung, welche sich daraus entspinnt: Eine außerirdische Lebensform, die einer Gruppe Menschen an einem entlegenen Ort ans Leder will. Die Formel ist altbekannt, kann aber, sofern es richtig angestellt wird, ungeachtet dessen ungemein atmosphärisch ausfallen…sofern es richtig angestellt wird.
Zwei der wohl eindrucksvollsten Beispiele hierfür sind John Carpenters The Thing sowie Ridley Scotts Alien, beide Meisterwerke in Sachen Science-Fiction-Horror. Mit The Thing hat Virus außerdem gemein, dass er am Box Office gnadenlos gefloppt ist. Bedenkt man, welch bekannte Namen das Kinoplakat von Virus schmückten, erscheint dies schon ein wenig verwunderlich. Mit von der Partie sind neben "Scream Queen" Jamie Lee Curtis, die mit Werken wie Prom Night oder Halloween Bekanntheit erlangte, nämlich auch William Baldwin (Flatliners) und Donald Sutherland, den man unter anderem aus Werken wie 1900 oder Die Körperfresser kommen kennt. Bei beiden Werken blieben zum Zeitpunkt ihres "Kino-Releases" jedoch nicht nur die KinobesucherInnen aus, sondern auch die Kritiker hatten damals scheinbar ihre helle Freude daran, verbal auf die Filme einzudreschen. Anders als The Thing, der mit den Jahren durch das Heimkino zum gefeierten Kultfilm avancieren sollte, fristete John Brunos Langfilm-Debüt auch zwei Jahrzehnte später noch ein Dasein als regelrecht geschmähtes Stück Science-Fiction-Kino.
Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass Brunos Werk schon recht früh innerhalb seiner 99-minütigen Laufzeit den Eindruck erweckt, sich inhaltlich bei zahlreichen anderen Werken bedient zu haben. So wirkt Virus wie ein Flickenteppich aus Elementen, die bereits (teils nur wenige Jahre zuvor) in anderen Filmen Verwendung fanden. So erinnert beispielsweise die Thematik in Verbindung mit dem Setting auf hoher See frappierend an den lediglich ein Jahr zuvor veröffentlichten Octalus - Tod aus der Tiefe. Das Design der metallenen Kreaturen macht wiederum den Eindruck eine Vermischung von Werken wie Moontrap, M.A.R.K. 13 - Hardware sowie Runaway zu sein. Selbst die "Borg" aus Star Trek scheinen ihren Weg in den Film gefunden zu haben. Tatsächlich ist es jedoch so, dass Virus auf einem Anfang der 90er-Jahre veröffentlichten Comicbuch basiert. Ob und wie viel (im Hinblick auf den Comic bzw. Film) tatsächlich andernorts abgekupfert wurde, spielt letzten Endes sowieso eine untergeordnete Rolle. Viel bedeutsamer ist, was daraus gemacht wurde. Im Falle von Virus ist das Ergebnis ein zweischneidiges Schwert.
Auf visueller Ebene ist Brunos Film gar nicht so verkehrt. Der Großteil der Handlung findet nämlich auf einem „echten“ Schiff statt, welches für den Film entsprechend hergerichtet wurde. Vor billigen Studiokulissen, die vorne und hinten nicht nach Forschungsschiff aussehen, braucht man daher keine Angst zu haben. Unter Deck erzeugt das kalte, stählerne Innenleben des Schiffs mit dem den zahlreichen weitläufigen Gängen, den Verwüstungen sowie von der Kreatur umfunktionierten Räumen eine glaubhafte Szenerie. Die Szenen an Deck können da nicht ganz mithalten, da einem der Blick in Ferne bzw. auf die offene See zumeist verwehrt bleibt und sich das Gefühl für Weite und Abgeschiedenheit daher nicht so recht einstellen mag. Um stürmische Szenen auf hoher See zu realisieren, wurde auf Miniaturmodelle zurückgegriffen, was so auch ersichtlich ist. In Zeiten, in denen nicht selten für jede noch so kleine Sache auf CGI zurückgegriffen wird, wirken derartige Bemühungen indes regelrecht charmant.
Ebenfalls handgemacht ist ein Großteil der Effekte rund um die Maschinenwesen. Deren Modelle könnten Sci-Fi-Fans zwar allesamt bekannt vorkommen, dies tut ihrer imposanten Erscheinung allerdings keinen Abbruch. Mit digitalen Effekten hielt man sich erfreulicherweise auch hier zurück und wenn doch einmal Effekte aus dem Computer stammen, so sind die entsprechenden Szenen kurz und schnell geschnitten. Und obwohl auf visueller Ebene eigentlich alles „nett“ und „stimmig“ aussieht, hat man als ZuschauerIn trotzdem nie wirklich das Gefühl, einen rund 75 Millionen USD teuren Film zu sehen. Das wäre allerdings alles noch kein Beinbruch, wenn es in Sachen Storytelling und Charakterzeichnung rosiger aussehen würde. Die Handlung ist einfach gehalten und es mangelt an inhaltlicher Tiefe. Mehr als ein generischer und vorhersehbarer Überlebenskampf, dem es an mitreißender Dynamik mangelt und dessen Dramatik nicht so recht auf das Publikum überspringen will, erwartet einen hier leider nicht.
Daran, dass das mit dem Mitfiebern nicht so recht klappen will, hat auch die Figurenzeichnung einen Anteil. Bereits in den ersten Minuten des Films wird inmitten eines tosenden Sturms aufgezeigt, welches Crewmitglied welche Charakterzüge aufweist. Sonderlich interessant fällt keine der aus geläufigen Stereotypen bestehenden Figuren aus. Jamie Lee Curtis kann mit ihrer an Ellen Ripley aus Alien angelegten Figur darstellerisch nicht so recht überzeugen. Auch Baldwin bleibt blass. Einzig Donald Sutherland liefert wie gewohnt ab und haucht der von ihm verkörperten Figur des Kapitäns herrlich schmieriges und widerliches Leben ein. Der defizitbehafteten Simplizität seines Films war sich Bruno scheinbar nicht bewusst, weswegen er es versäumt, die fehlende Spannung durch halsbrecherisches Tempo oder den Einsatz saftig-fleischiger Schauwerte zu kaschieren. Und auch wenn unnötige Längen dankenswerterweise ausbleiben, geht es in Virus über weite Strecken eher gemächlich als rasant zu. Die vorhandenen Actionszenen hätten gerne häufiger und ausgedehnter ausfallen dürfen, sind aber immerhin ziemlich gleichmäßig über die Laufzeit verteilt. Diese fallen dabei zwar nicht allzu hart aus, einen Hauch Body-Horror offeriert Virus erfreulicherweise dennoch.