Was bleibt. Das ist keine Frage, sondern ein Ergebnis, ein Bilanz ziehen. Oder, wie im Falle des gleichnamigen Filmes von Hans-Christian Schmid (Nach Fünf im Urwald), eine Erkenntnis. Irgendwas nämlich bleibt immer, eine Emotion, ein Nicht-Gefühl. Irgendwas ist da. Irgendetwas macht sich bemerkbar, zuckt, kneift, rüttelt. Zuerst aber muss Marko (Lars Eidinger, Die Wolken von Sils Mario) zu spät kommen und seinen Sohn Zowie (Egon Merten) der genervten Haltung seiner Ex-Frau entnehmen. Eine Reise ins Landhaus der Eltern steht an, zurück in den Schoß von Mama Gitte (Corinna Harfouch, Im Winter ein Jahr) und Papa Günter (Ernst Stötzner, Babylon Berlin). Eine Reise in einen sicheren Raum; einen Raum der Gewissheit, der Zuversichtlichkeit. Aber wie lange lässt sich diese Sicherheit noch aufrecht halten?
Hans-Christian Schmid, der 2006 mit seinem Quasi-Exorzismus-Drama Requiem einen der beeindruckendsten Beiträge des deutschen Filmes geliefert hat und sich damit endgültig als feingeistiger Meister der psychologischen Ergründung bewies, stellt hier den Gedanken zum Diskurs, was bleiben wird, wenn sich die Sicherheit der Jahre plötzlich in Luft auflöst. Das beginnt damit, dass Gitte feierlich verkündet, ihre Medikamente nicht mehr zu nehmen. Jetzt baut sie auf die traditionelle chinesisch Medizin und Homöopathie. Aber wie soll diese Familie in Betrieb blieben, wenn Mutti keine Psychopharmaka mehr einnimmt? Wo Gitte zur inneren Balance zu finden scheint, da brechen ihre Liebsten, zu denen auch ihr anderer Sohn Jakob (Sebastian Zimmler, Hüter meines Brders) zählt, in Unruhe aus. Mama muss doch funktionieren, Mama muss doch verfügbar sein, Mama darf die Arzneistoffe nicht absetzen.
Die Antwort von Hans-Christian Schmid auf das bisweilen aufgelöste Verhalten von Marko und Co. ist ein eindeutiges Zeichen: Natürlich darf Gitte das. Sie darf sogar noch vielmehr, was der Film auch aufzeigen wird. Das Faszinierende und gleichzeitig auch Erkaltende an Was bleibt, ist, wie er die Unfähigkeit der Familie aufzeigt, die sich wehren möchte, aber niemals gelernt hat, zu agieren – eben weil Mama immer funktioniert hat. Privat läuft es bei Marko indes schon lange nicht mehr rund, seine Ehe ist in die Brüche gegangen, während ihn die Ängste plagen, dass sein Sohn zu einem anderen Mann Papa sagen könnte. Jakob hingegen ist kurz davor, seine Praxis gegen die Wand zu fahren und hat den Weg zum Alkohol gefunden. Und Günter? Der geht fremd. Seine Begründung dafür ist so pragmatisch wie grausam: 30 Jahre waren lang genug, um auf das gemeinsame Glück zu warten.
Sicherlich, es wirkt etwas abgeschmackt, wenn Was bleibt – so wie es Usus in der filmischen Kulturlandschaft Deutschlands scheint - die Probleme des Mittelstandes aufgreift. Die Nüchternheit, mit der Hans-Christian Schmid seinen Duktus auskleidet, lässt Was bleibt auf diffuse Art und Weise am Zuschauer vorbeilaufen. Das bedeutet nicht, dass man sich nicht emotional auf die Geschichte einlassen könnte, aber Schmid reduziert die Lautstärke derart stringent auf ein Minimum und verweigert sich jeder großen Geste, dass die Lügengebäude nicht mit einem Knall zusammenbrechen, sondern in Stille. Das mag dem Thema des Filmes, nämlich der Unfähigkeit des Handelns, durchaus dienlich sein, gestaltet das Seherlebnis aber zu einer nach außen abgeschotteten Suche nach Verantwortung. Würden die Schauspieler, allen voran der begnadete Lars Eidinger, nicht gänzlich in ihren Rollen aufgehen, dieser Film würde vermutlich auch in Stille sterben. Ganz heimlich, ganz unscheinbar.